nia, 40000 Schritte von Rom, ja Spätere lassen ihn gleich Hannibal von Praeneste aus die römischen Mauern und Zinnen erblicken. Aber überall schlossen ihm die Städte Latiums die Thore; Laevinus folgte von Campanien aus langsam nach, während von Norden der Consul Tiberius Coruncanius, der mit den Etruskern durch einen rechtzeitigen Friedensschluss sich abgefunden hatte, auch seinerseits die etruskische Armee heranführte und in Rom selbst die Reserve unter dem Dic- tator Gnaeus Domitius Calvinus sich zum Kampfe fertig machte. Dagegen war nichts auszurichten; dem König blieb nichts übrig als umzukehren und nachdem er eine Zeitlang in Cam- panien den vereinigten Heeren der beiden Consuln unthätig gegenübergestanden hatte, auch von dort abzuziehen und seine Truppen für den Winter in die befreundeten Städte zu ver- theilen; er selbst nahm Winterquartier in Tarent. Hierauf stellten auch die Römer ihre Operationen ein; das Heer be- zog Standquartiere bei Firmum im Picenischen, wo auf Befehl des Senats die am Siris geschlagenen Legionen den Winter hindurch zur Strafe unter Zelten campirten.
So endigte der Feldzug des Jahres 474. Der Sondervertrag Etruriens im entscheidenden Augenblick und des Königs un- vermutheter Rückzug, der die hochgespannten Hoffnungen der italischen Bundesgenossen gänzlich täuschte, wogen zum grossen Theil den Eindruck des Sieges von Herakleia auf. Die Italiker beschwerten sich über die Lasten des Krieges, namentlich über die schlechte Mannszucht der bei ihnen ein- quartirten Söldner, und der König, müde des kleinlichen Ge- zänks und des unpolitischen wie unmilitärischen Gehabens seiner Bundesgenossen, fing an zu ahnen, dass die Aufgabe, die ihm zugefallen war, trotz aller taktischen Erfolge politisch unlösbar sein möge. Die Ankunft einer römischen Gesandt- schaft, dreier Consulare, darunter der Sieger von Thurii Ga- ius Fabricius, liess einen Augenblick wieder bei ihm die Frie- denshoffnungen erwachen; allein es zeigte sich bald, dass sie nur Vollmacht hatten wegen Lösung oder Auswechselung der Gefangenen zu unterhandeln. Pyrrhos schlug diese Forderung ab, allein er entliess sämmtliche Gefangene zur Feier der Sa- turnalien auf ihr Ehrenwort; dass sie es hielten und dass der römische Gesandte einen Bestechungsversuch abwies, hat man in der Folgezeit in unschicklichster Weise gefeiert. -- Mit dem Frühjahr 475 ergriff Pyrrhos abermals die Offensive und rückte in Apulien ein, wohin das römische Heer ihm entge-
KOENIG PYRRHOS.
nia, 40000 Schritte von Rom, ja Spätere lassen ihn gleich Hannibal von Praeneste aus die römischen Mauern und Zinnen erblicken. Aber überall schlossen ihm die Städte Latiums die Thore; Laevinus folgte von Campanien aus langsam nach, während von Norden der Consul Tiberius Coruncanius, der mit den Etruskern durch einen rechtzeitigen Friedensschluſs sich abgefunden hatte, auch seinerseits die etruskische Armee heranführte und in Rom selbst die Reserve unter dem Dic- tator Gnaeus Domitius Calvinus sich zum Kampfe fertig machte. Dagegen war nichts auszurichten; dem König blieb nichts übrig als umzukehren und nachdem er eine Zeitlang in Cam- panien den vereinigten Heeren der beiden Consuln unthätig gegenübergestanden hatte, auch von dort abzuziehen und seine Truppen für den Winter in die befreundeten Städte zu ver- theilen; er selbst nahm Winterquartier in Tarent. Hierauf stellten auch die Römer ihre Operationen ein; das Heer be- zog Standquartiere bei Firmum im Picenischen, wo auf Befehl des Senats die am Siris geschlagenen Legionen den Winter hindurch zur Strafe unter Zelten campirten.
So endigte der Feldzug des Jahres 474. Der Sondervertrag Etruriens im entscheidenden Augenblick und des Königs un- vermutheter Rückzug, der die hochgespannten Hoffnungen der italischen Bundesgenossen gänzlich täuschte, wogen zum groſsen Theil den Eindruck des Sieges von Herakleia auf. Die Italiker beschwerten sich über die Lasten des Krieges, namentlich über die schlechte Mannszucht der bei ihnen ein- quartirten Söldner, und der König, müde des kleinlichen Ge- zänks und des unpolitischen wie unmilitärischen Gehabens seiner Bundesgenossen, fing an zu ahnen, daſs die Aufgabe, die ihm zugefallen war, trotz aller taktischen Erfolge politisch unlösbar sein möge. Die Ankunft einer römischen Gesandt- schaft, dreier Consulare, darunter der Sieger von Thurii Ga- ius Fabricius, lieſs einen Augenblick wieder bei ihm die Frie- denshoffnungen erwachen; allein es zeigte sich bald, daſs sie nur Vollmacht hatten wegen Lösung oder Auswechselung der Gefangenen zu unterhandeln. Pyrrhos schlug diese Forderung ab, allein er entlieſs sämmtliche Gefangene zur Feier der Sa- turnalien auf ihr Ehrenwort; daſs sie es hielten und daſs der römische Gesandte einen Bestechungsversuch abwies, hat man in der Folgezeit in unschicklichster Weise gefeiert. — Mit dem Frühjahr 475 ergriff Pyrrhos abermals die Offensive und rückte in Apulien ein, wohin das römische Heer ihm entge-
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KOENIG PYRRHOS.
nia, 40000 Schritte von Rom, ja Spätere lassen ihn gleich
Hannibal von Praeneste aus die römischen Mauern und Zinnen
erblicken. Aber überall schlossen ihm die Städte Latiums die
Thore; Laevinus folgte von Campanien aus langsam nach,
während von Norden der Consul Tiberius Coruncanius, der mit
den Etruskern durch einen rechtzeitigen Friedensschluſs sich
abgefunden hatte, auch seinerseits die etruskische Armee
heranführte und in Rom selbst die Reserve unter dem Dic-
tator Gnaeus Domitius Calvinus sich zum Kampfe fertig machte.
Dagegen war nichts auszurichten; dem König blieb nichts
übrig als umzukehren und nachdem er eine Zeitlang in Cam-
panien den vereinigten Heeren der beiden Consuln unthätig
gegenübergestanden hatte, auch von dort abzuziehen und seine
Truppen für den Winter in die befreundeten Städte zu ver-
theilen; er selbst nahm Winterquartier in Tarent. Hierauf
stellten auch die Römer ihre Operationen ein; das Heer be-
zog Standquartiere bei Firmum im Picenischen, wo auf Befehl
des Senats die am Siris geschlagenen Legionen den Winter
hindurch zur Strafe unter Zelten campirten.
So endigte der Feldzug des Jahres 474. Der Sondervertrag
Etruriens im entscheidenden Augenblick und des Königs un-
vermutheter Rückzug, der die hochgespannten Hoffnungen der
italischen Bundesgenossen gänzlich täuschte, wogen zum
groſsen Theil den Eindruck des Sieges von Herakleia auf.
Die Italiker beschwerten sich über die Lasten des Krieges,
namentlich über die schlechte Mannszucht der bei ihnen ein-
quartirten Söldner, und der König, müde des kleinlichen Ge-
zänks und des unpolitischen wie unmilitärischen Gehabens
seiner Bundesgenossen, fing an zu ahnen, daſs die Aufgabe,
die ihm zugefallen war, trotz aller taktischen Erfolge politisch
unlösbar sein möge. Die Ankunft einer römischen Gesandt-
schaft, dreier Consulare, darunter der Sieger von Thurii Ga-
ius Fabricius, lieſs einen Augenblick wieder bei ihm die Frie-
denshoffnungen erwachen; allein es zeigte sich bald, daſs sie
nur Vollmacht hatten wegen Lösung oder Auswechselung der
Gefangenen zu unterhandeln. Pyrrhos schlug diese Forderung
ab, allein er entlieſs sämmtliche Gefangene zur Feier der Sa-
turnalien auf ihr Ehrenwort; daſs sie es hielten und daſs der
römische Gesandte einen Bestechungsversuch abwies, hat man
in der Folgezeit in unschicklichster Weise gefeiert. — Mit
dem Frühjahr 475 ergriff Pyrrhos abermals die Offensive und
rückte in Apulien ein, wohin das römische Heer ihm entge-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/283>, abgerufen am 10.05.2024.
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