und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu- caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos. Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa- nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt- lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht, dass er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö- mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö- nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er- fuhr, dass er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm bei ihm Dienste.
Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, dass die grie- chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht; denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi- schen Städte -- also namentlich der campanischen und lucani- schen -- aus der römischen Botmässigkeit und Rückgabe des den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen Gebiets, das heisst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia. Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin- nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt, Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. -- Mit solchen Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler, den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her- rendiener vergleichen lässt, hatte Auftrag die Achtung, die der Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand, auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge- schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,
KOENIG PYRRHOS.
und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu- caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos. Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa- nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt- lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht, daſs er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö- mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö- nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er- fuhr, daſs er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm bei ihm Dienste.
Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, daſs die grie- chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht; denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi- schen Städte — also namentlich der campanischen und lucani- schen — aus der römischen Botmäſsigkeit und Rückgabe des den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen Gebiets, das heiſst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia. Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin- nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt, Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. — Mit solchen Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler, den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her- rendiener vergleichen läſst, hatte Auftrag die Achtung, die der Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand, auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge- schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0281"n="267"/><fwplace="top"type="header">KOENIG PYRRHOS.</fw><lb/>
und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien<lb/>
war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden<lb/>
Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu-<lb/>
caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos.<lb/>
Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa-<lb/>
nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt-<lb/>
lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische<lb/>
Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht,<lb/>
daſs er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war<lb/>
bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö-<lb/>
mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am<lb/>
Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö-<lb/>
nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach<lb/>
griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er-<lb/>
fuhr, daſs er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem<lb/>
Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm<lb/>
bei ihm Dienste.</p><lb/><p>Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem<lb/>
Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, daſs die grie-<lb/>
chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen<lb/>
und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich<lb/>
bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht;<lb/>
denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi-<lb/>
schen Städte — also namentlich der campanischen und lucani-<lb/>
schen — aus der römischen Botmäſsigkeit und Rückgabe des<lb/>
den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen<lb/>
Gebiets, das heiſst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia.<lb/>
Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden<lb/>
werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin-<lb/>
nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt,<lb/>
Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. — Mit solchen<lb/>
Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der<lb/>
Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler,<lb/>
den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit<lb/>
sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her-<lb/>
rendiener vergleichen läſst, hatte Auftrag die Achtung, die der<lb/>
Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand,<lb/>
auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs<lb/>
selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die<lb/>
im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste<lb/>
Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge-<lb/>
schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[267/0281]
KOENIG PYRRHOS.
und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien
war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden
Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu-
caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos.
Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa-
nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt-
lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische
Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht,
daſs er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war
bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö-
mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am
Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö-
nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach
griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er-
fuhr, daſs er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem
Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm
bei ihm Dienste.
Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem
Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, daſs die grie-
chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen
und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich
bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht;
denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi-
schen Städte — also namentlich der campanischen und lucani-
schen — aus der römischen Botmäſsigkeit und Rückgabe des
den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen
Gebiets, das heiſst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia.
Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden
werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin-
nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt,
Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. — Mit solchen
Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der
Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler,
den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit
sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her-
rendiener vergleichen läſst, hatte Auftrag die Achtung, die der
Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand,
auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs
selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die
im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste
Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge-
schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/281>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.