unterliegen, so ist ihr Uebergewicht nicht minder entschieden in jedem anderen nicht politischen Wettkampf und eben schon diese Kämpfe lassen es ahnen, dass der Sieg Roms über die Hellenen ein anderer sein wird als der über Gallier und Pu- nier, und dass der Zauber erst zu wirken beginnt, wenn die Lanze zersplittert und Helm und Schild bei Seite gelegt ist.
König Pyrrhos war der Sohn des Aeakides, des Herrn der Molotter (um Janina), welcher, von Alexander geschont als Verwandter und getreuer Lehnsmann, nach dessen Tode in den Strudel der makedonischen Familienpolitik hineingerissen ward und darin zuerst sein Reich und dann das Leben ver- lor (441). Sein damals sechsjähriger Sohn ward von dem Herrn der illyrischen Taulantier Glaukias gerettet und im Laufe der Kämpfe um Makedoniens Besitz noch ein Knabe von De- metrios dem Belagerer wieder zurückgeführt in sein ange- stammtes Fürstenthum (447), um es nach wenigen Jahren durch den Einfluss der Gegenpartei wieder einzubüssen (um 452) und als landflüchtiger Fürstensohn im Gefolge der make- donischen Generale sein Lagerleben zu beginnen. Bald machte seine Persönlichkeit sich geltend. Unter Antigonos machte er dessen letzte Feldzüge mit; der alte Marschall Alexanders hatte seine Freude an dem geborenen Soldaten, dem nach dem Ur- theil des ergrauten Feldherrn nur die Jahre fehlten um der erste Kriegsmann der Zeit zu sein. Die unglückliche Schlacht bei Ipsos brachte ihn als Geissel nach Alexandrien an den Hof der Lagiden, wo er durch sein kühnes und derbes Wesen, seinen alles nicht Militärische gründlich verachtenden Soldaten- sinn nicht minder des staatsklugen Ptolemaeos Lagos Sohn Aufmerksamkeit auf sich zog als durch seine männliche Schön- heit, der das wilde Antlitz, der gewaltige Tritt keinen Eintrag that, die der königlichen Damen. Eben damals gründete der kühne Demetrios sich wieder einmal ein neues Reich, diesmal in Makedonien; natürlich in der Absicht von dort aus die Alexandermonarchie zu erneuern. Es galt ihn niederzuhalten, ihm daheim zu schaffen zu machen; und der Lagide, der solche Feuerseelen, wie der epeirotische Jüngling eine war, vortrefflich für seine feine Politik zu nutzen verstand, that nicht bloss seiner Gemahlin der Königin Berenike einen Ge- fallen, sondern förderte auch seine eigenen Zwecke, indem er dem jungen Fürsten seine Stieftochter, die Prinzessin Antigone zur Gemahlin gab und dem geliebten ,Sohn' zur Rückkehr in die Heimath seinen Beistand und seinen mächtigen Einfluss
ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
unterliegen, so ist ihr Uebergewicht nicht minder entschieden in jedem anderen nicht politischen Wettkampf und eben schon diese Kämpfe lassen es ahnen, daſs der Sieg Roms über die Hellenen ein anderer sein wird als der über Gallier und Pu- nier, und daſs der Zauber erst zu wirken beginnt, wenn die Lanze zersplittert und Helm und Schild bei Seite gelegt ist.
König Pyrrhos war der Sohn des Aeakides, des Herrn der Molotter (um Janina), welcher, von Alexander geschont als Verwandter und getreuer Lehnsmann, nach dessen Tode in den Strudel der makedonischen Familienpolitik hineingerissen ward und darin zuerst sein Reich und dann das Leben ver- lor (441). Sein damals sechsjähriger Sohn ward von dem Herrn der illyrischen Taulantier Glaukias gerettet und im Laufe der Kämpfe um Makedoniens Besitz noch ein Knabe von De- metrios dem Belagerer wieder zurückgeführt in sein ange- stammtes Fürstenthum (447), um es nach wenigen Jahren durch den Einfluſs der Gegenpartei wieder einzubüſsen (um 452) und als landflüchtiger Fürstensohn im Gefolge der make- donischen Generale sein Lagerleben zu beginnen. Bald machte seine Persönlichkeit sich geltend. Unter Antigonos machte er dessen letzte Feldzüge mit; der alte Marschall Alexanders hatte seine Freude an dem geborenen Soldaten, dem nach dem Ur- theil des ergrauten Feldherrn nur die Jahre fehlten um der erste Kriegsmann der Zeit zu sein. Die unglückliche Schlacht bei Ipsos brachte ihn als Geiſsel nach Alexandrien an den Hof der Lagiden, wo er durch sein kühnes und derbes Wesen, seinen alles nicht Militärische gründlich verachtenden Soldaten- sinn nicht minder des staatsklugen Ptolemaeos Lagos Sohn Aufmerksamkeit auf sich zog als durch seine männliche Schön- heit, der das wilde Antlitz, der gewaltige Tritt keinen Eintrag that, die der königlichen Damen. Eben damals gründete der kühne Demetrios sich wieder einmal ein neues Reich, diesmal in Makedonien; natürlich in der Absicht von dort aus die Alexandermonarchie zu erneuern. Es galt ihn niederzuhalten, ihm daheim zu schaffen zu machen; und der Lagide, der solche Feuerseelen, wie der epeirotische Jüngling eine war, vortrefflich für seine feine Politik zu nutzen verstand, that nicht bloſs seiner Gemahlin der Königin Berenike einen Ge- fallen, sondern förderte auch seine eigenen Zwecke, indem er dem jungen Fürsten seine Stieftochter, die Prinzessin Antigone zur Gemahlin gab und dem geliebten ‚Sohn‘ zur Rückkehr in die Heimath seinen Beistand und seinen mächtigen Einfluſs
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ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
unterliegen, so ist ihr Uebergewicht nicht minder entschieden
in jedem anderen nicht politischen Wettkampf und eben schon
diese Kämpfe lassen es ahnen, daſs der Sieg Roms über die
Hellenen ein anderer sein wird als der über Gallier und Pu-
nier, und daſs der Zauber erst zu wirken beginnt, wenn die
Lanze zersplittert und Helm und Schild bei Seite gelegt ist.
König Pyrrhos war der Sohn des Aeakides, des Herrn
der Molotter (um Janina), welcher, von Alexander geschont als
Verwandter und getreuer Lehnsmann, nach dessen Tode in
den Strudel der makedonischen Familienpolitik hineingerissen
ward und darin zuerst sein Reich und dann das Leben ver-
lor (441). Sein damals sechsjähriger Sohn ward von dem
Herrn der illyrischen Taulantier Glaukias gerettet und im Laufe
der Kämpfe um Makedoniens Besitz noch ein Knabe von De-
metrios dem Belagerer wieder zurückgeführt in sein ange-
stammtes Fürstenthum (447), um es nach wenigen Jahren
durch den Einfluſs der Gegenpartei wieder einzubüſsen (um
452) und als landflüchtiger Fürstensohn im Gefolge der make-
donischen Generale sein Lagerleben zu beginnen. Bald machte
seine Persönlichkeit sich geltend. Unter Antigonos machte er
dessen letzte Feldzüge mit; der alte Marschall Alexanders hatte
seine Freude an dem geborenen Soldaten, dem nach dem Ur-
theil des ergrauten Feldherrn nur die Jahre fehlten um der
erste Kriegsmann der Zeit zu sein. Die unglückliche Schlacht
bei Ipsos brachte ihn als Geiſsel nach Alexandrien an den
Hof der Lagiden, wo er durch sein kühnes und derbes Wesen,
seinen alles nicht Militärische gründlich verachtenden Soldaten-
sinn nicht minder des staatsklugen Ptolemaeos Lagos Sohn
Aufmerksamkeit auf sich zog als durch seine männliche Schön-
heit, der das wilde Antlitz, der gewaltige Tritt keinen Eintrag
that, die der königlichen Damen. Eben damals gründete der
kühne Demetrios sich wieder einmal ein neues Reich, diesmal
in Makedonien; natürlich in der Absicht von dort aus die
Alexandermonarchie zu erneuern. Es galt ihn niederzuhalten,
ihm daheim zu schaffen zu machen; und der Lagide, der
solche Feuerseelen, wie der epeirotische Jüngling eine war,
vortrefflich für seine feine Politik zu nutzen verstand, that
nicht bloſs seiner Gemahlin der Königin Berenike einen Ge-
fallen, sondern förderte auch seine eigenen Zwecke, indem er
dem jungen Fürsten seine Stieftochter, die Prinzessin Antigone
zur Gemahlin gab und dem geliebten ‚Sohn‘ zur Rückkehr in
die Heimath seinen Beistand und seinen mächtigen Einfluſs
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/270>, abgerufen am 23.11.2024.
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