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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
Etrusker los, deren Friedensvertrag von 403 schon einige
Jahre früher zu Ende gegangen war. Die römische Grenz-
festung Sutrium hatte eine zweijährige Belagerung auszuhalten
und in den heftigen Gefechten, die unter ihren Mauern ge-
liefert wurden, zogen die Römer anfänglich in der Regel den
Kürzeren. Allein der Consul des Jahres 444 Quintus Fabius
Rullianus, ein in den Samnitenkriegen erprobter Führer, stellte
nicht bloss im römischen Etrurien das Uebergewicht der rö-
mischen Waffen wieder her, sondern drang kühn ein in das
eigentliche durch die Verschiedenheit der Sprache und die
geringen Communicationen den Römern fast unbekannt ge-
bliebene etrurische Land. Der Zug über den noch von keinem
römischen Heer überschrittenen ciminischen Wald und die
Plünderung des reichen lange von Kriegsnoth verschont ge-
bliebenen Gebiets brachte ganz Etrurien in Waffen, und die
tollkühne Expedition, die der Senat zu spät dem verwegenen
Führer verboten hatte, erregte grosse Furcht in Rom, wo man
eilte neue Legionen zu bilden. Allein ein rechtzeitiger und
entscheidender Sieg des Rullianus, die lange im Andenken des
Volkes fortlebende Schlacht am vadimonischen See, machte aus
dem unvorsichtigen Beginnen eine gefeierte Heldenthat und
brach den Widerstand der Etrusker. Ungleich den Samniten,
die seit achtzehn Jahren den ungleichen Kampf fochten, be-
quemten sich schon nach der ersten Niederlage drei der
mächtigsten etruskischen Städte, Perusia, Cortona und Arre-
tium zu einem Sonderfrieden auf dreissig (444) und, nach-
dem im folgenden Jahre die Römer noch einmal bei Perusia
die übrigen Etrusker besiegt hatten, auch die Tarquinienser
zu einem Frieden auf vierzig Jahre (446); worauf auch die
übrigen Städte vom Kampfe abstanden und in Etrurien Waf-
fenruhe eintrat. -- Während dieser Ereignisse hatte der Krieg
auch in Samnium nicht geruht. Nachdem der Feldzug von
443 sich gleich den bisherigen auf die Belagerung und Er-
stürmung einzelner samnitischer Plätze beschränkt hatte, nahm
im folgenden Jahre in Folge der etruskischen Diversion der
Krieg eine für die Samniten günstige Wendung. Rullianus
gefährliche Lage und die Gerüchte über seine Vernichtung
veranlassten die Samniten zu neuen Anstrengungen; der römi-
sche Consul Gaius Marcius Rutilus wurde von ihnen besiegt
und selber schwer verwundet. Aber der Umschwung der
Dinge in Etrurien zerstörte die aufleuchtenden Hoffnungen
der Samniten. Wieder trat Lucius Papirius gegen sie an die

ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
Etrusker los, deren Friedensvertrag von 403 schon einige
Jahre früher zu Ende gegangen war. Die römische Grenz-
festung Sutrium hatte eine zweijährige Belagerung auszuhalten
und in den heftigen Gefechten, die unter ihren Mauern ge-
liefert wurden, zogen die Römer anfänglich in der Regel den
Kürzeren. Allein der Consul des Jahres 444 Quintus Fabius
Rullianus, ein in den Samnitenkriegen erprobter Führer, stellte
nicht bloſs im römischen Etrurien das Uebergewicht der rö-
mischen Waffen wieder her, sondern drang kühn ein in das
eigentliche durch die Verschiedenheit der Sprache und die
geringen Communicationen den Römern fast unbekannt ge-
bliebene etrurische Land. Der Zug über den noch von keinem
römischen Heer überschrittenen ciminischen Wald und die
Plünderung des reichen lange von Kriegsnoth verschont ge-
bliebenen Gebiets brachte ganz Etrurien in Waffen, und die
tollkühne Expedition, die der Senat zu spät dem verwegenen
Führer verboten hatte, erregte groſse Furcht in Rom, wo man
eilte neue Legionen zu bilden. Allein ein rechtzeitiger und
entscheidender Sieg des Rullianus, die lange im Andenken des
Volkes fortlebende Schlacht am vadimonischen See, machte aus
dem unvorsichtigen Beginnen eine gefeierte Heldenthat und
brach den Widerstand der Etrusker. Ungleich den Samniten,
die seit achtzehn Jahren den ungleichen Kampf fochten, be-
quemten sich schon nach der ersten Niederlage drei der
mächtigsten etruskischen Städte, Perusia, Cortona und Arre-
tium zu einem Sonderfrieden auf dreiſsig (444) und, nach-
dem im folgenden Jahre die Römer noch einmal bei Perusia
die übrigen Etrusker besiegt hatten, auch die Tarquinienser
zu einem Frieden auf vierzig Jahre (446); worauf auch die
übrigen Städte vom Kampfe abstanden und in Etrurien Waf-
fenruhe eintrat. — Während dieser Ereignisse hatte der Krieg
auch in Samnium nicht geruht. Nachdem der Feldzug von
443 sich gleich den bisherigen auf die Belagerung und Er-
stürmung einzelner samnitischer Plätze beschränkt hatte, nahm
im folgenden Jahre in Folge der etruskischen Diversion der
Krieg eine für die Samniten günstige Wendung. Rullianus
gefährliche Lage und die Gerüchte über seine Vernichtung
veranlaſsten die Samniten zu neuen Anstrengungen; der römi-
sche Consul Gaius Marcius Rutilus wurde von ihnen besiegt
und selber schwer verwundet. Aber der Umschwung der
Dinge in Etrurien zerstörte die aufleuchtenden Hoffnungen
der Samniten. Wieder trat Lucius Papirius gegen sie an die

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[242/0256] ZWEITES BUCH. KAPITEL VI. Etrusker los, deren Friedensvertrag von 403 schon einige Jahre früher zu Ende gegangen war. Die römische Grenz- festung Sutrium hatte eine zweijährige Belagerung auszuhalten und in den heftigen Gefechten, die unter ihren Mauern ge- liefert wurden, zogen die Römer anfänglich in der Regel den Kürzeren. Allein der Consul des Jahres 444 Quintus Fabius Rullianus, ein in den Samnitenkriegen erprobter Führer, stellte nicht bloſs im römischen Etrurien das Uebergewicht der rö- mischen Waffen wieder her, sondern drang kühn ein in das eigentliche durch die Verschiedenheit der Sprache und die geringen Communicationen den Römern fast unbekannt ge- bliebene etrurische Land. Der Zug über den noch von keinem römischen Heer überschrittenen ciminischen Wald und die Plünderung des reichen lange von Kriegsnoth verschont ge- bliebenen Gebiets brachte ganz Etrurien in Waffen, und die tollkühne Expedition, die der Senat zu spät dem verwegenen Führer verboten hatte, erregte groſse Furcht in Rom, wo man eilte neue Legionen zu bilden. Allein ein rechtzeitiger und entscheidender Sieg des Rullianus, die lange im Andenken des Volkes fortlebende Schlacht am vadimonischen See, machte aus dem unvorsichtigen Beginnen eine gefeierte Heldenthat und brach den Widerstand der Etrusker. Ungleich den Samniten, die seit achtzehn Jahren den ungleichen Kampf fochten, be- quemten sich schon nach der ersten Niederlage drei der mächtigsten etruskischen Städte, Perusia, Cortona und Arre- tium zu einem Sonderfrieden auf dreiſsig (444) und, nach- dem im folgenden Jahre die Römer noch einmal bei Perusia die übrigen Etrusker besiegt hatten, auch die Tarquinienser zu einem Frieden auf vierzig Jahre (446); worauf auch die übrigen Städte vom Kampfe abstanden und in Etrurien Waf- fenruhe eintrat. — Während dieser Ereignisse hatte der Krieg auch in Samnium nicht geruht. Nachdem der Feldzug von 443 sich gleich den bisherigen auf die Belagerung und Er- stürmung einzelner samnitischer Plätze beschränkt hatte, nahm im folgenden Jahre in Folge der etruskischen Diversion der Krieg eine für die Samniten günstige Wendung. Rullianus gefährliche Lage und die Gerüchte über seine Vernichtung veranlaſsten die Samniten zu neuen Anstrengungen; der römi- sche Consul Gaius Marcius Rutilus wurde von ihnen besiegt und selber schwer verwundet. Aber der Umschwung der Dinge in Etrurien zerstörte die aufleuchtenden Hoffnungen der Samniten. Wieder trat Lucius Papirius gegen sie an die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/256>, abgerufen am 22.11.2024.