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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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AELTESTE EINWANDERUNGEN IN ITALIEN.
Civilisation. Denn es ist namentlich in der Bildungsepoche
die Sprache das treue Bild und Organ des erreichten Cultur-
grades; die grossen technischen und sittlichen Revolutionen
sind darin wie in einem Archiv aufbewahrt, aus dessen Acten
die Zukunft nicht versäumen wird für jene Zeiten zu schöpfen,
aus welchen alle directe Ueberlieferung verstummt ist. Wäh-
rend die jetzt getrennten indogermanischen Völker einen gleich-
sprachigen Stamm bildeten, erreichten sie einen gewissen Cul-
turgrad und einen diesem angemessenen Wortschatz, den als
gemeinsame Ausstattung in conventionell festgestelltem Ge-
brauch alle Einzelvölker übernahmen um auf der gegebenen
Grundlage selbstständig ihn weiter zu gestalten. Wir finden
in diesem Wortschatz nicht blos die einfachsten Bezeichnungen
des Seins, der Thätigkeiten, der Wahrnehmungen, wie sum,
do, pater,
das heisst den ursprünglichen Wiederhall des
Eindrucks, den die Aussenwelt auf die Brust des Menschen
macht, sondern auch eine Anzahl Culturwörter nicht bloss ihren
Wurzeln nach, sondern in der gewohnheitsmässig ausgeprägten
Form, welche Gemeingut des indogermanischen Stammes und
weder aus gleichmässiger Entwicklung noch aus späterer
Uebersiedelung erklärbar sind. So besitzen wir Zeugnisse für
die Entwicklung des Hirtenlebens in dieser fernen Epoche
in den unabänderlich fixirten Namen der zahmen Thiere:
sanskritisch gaus ist lateinisch bos, griechisch bous; avis
ist lateinisch ovis, griechisch ois; sanskritisch acvas, latei-
nisch equus, griechisch ippos; sanskritisch hannsas, latei-
nisch anser, griechisch khen sanskritisch atis, griechisch nessa,
lateinisch anas; ebenso sind pecus, taurus, canis sans-
kritische Wörter. Ferner für den Gebrauch der Wagen:
sanskritisch jugam ist lateinisch iugum, griechisch zngon,
deutsch Joch; sanskritisch akshas (Achse und Karren), latei-
nisch axis, griechisch axon, am-axa; für den des Sil-
bers und Kupfers: argentum aes kehren wieder im
Sanskrit und hatten doch schwerlich eigene Namen, ehe man
sie zu scheiden und zu brauchen verstand, wie denn auch sans-
kritisch asis, lateinisch ensis auf Gebrauch von Metallwaffen
hindeutet. So giebt es Zeugniss für die uralte Nutzung des
Salzes, sanskritisch saras, lateinisch sal, griechisch als; für
den Häuser- und Hüttenbau, sanskritisch dam(as), lateinisch
domus, griechisch domos; sanskritisch vecas, lateinisch vicus,
griechisch oikos. Selbst die Elemente der Religion und der
Wissenschaft zeigen Spuren ursprünglicher Gemeinschaft; die

AELTESTE EINWANDERUNGEN IN ITALIEN.
Civilisation. Denn es ist namentlich in der Bildungsepoche
die Sprache das treue Bild und Organ des erreichten Cultur-
grades; die groſsen technischen und sittlichen Revolutionen
sind darin wie in einem Archiv aufbewahrt, aus dessen Acten
die Zukunft nicht versäumen wird für jene Zeiten zu schöpfen,
aus welchen alle directe Ueberlieferung verstummt ist. Wäh-
rend die jetzt getrennten indogermanischen Völker einen gleich-
sprachigen Stamm bildeten, erreichten sie einen gewissen Cul-
turgrad und einen diesem angemessenen Wortschatz, den als
gemeinsame Ausstattung in conventionell festgestelltem Ge-
brauch alle Einzelvölker übernahmen um auf der gegebenen
Grundlage selbstständig ihn weiter zu gestalten. Wir finden
in diesem Wortschatz nicht blos die einfachsten Bezeichnungen
des Seins, der Thätigkeiten, der Wahrnehmungen, wie sum,
do, pater,
das heiſst den ursprünglichen Wiederhall des
Eindrucks, den die Auſsenwelt auf die Brust des Menschen
macht, sondern auch eine Anzahl Culturwörter nicht bloſs ihren
Wurzeln nach, sondern in der gewohnheitsmäſsig ausgeprägten
Form, welche Gemeingut des indogermanischen Stammes und
weder aus gleichmäſsiger Entwicklung noch aus späterer
Uebersiedelung erklärbar sind. So besitzen wir Zeugnisse für
die Entwicklung des Hirtenlebens in dieser fernen Epoche
in den unabänderlich fixirten Namen der zahmen Thiere:
sanskritisch gâus ist lateinisch bos, griechisch βοῦς; avis
ist lateinisch ovis, griechisch ὄϊς; sanskritisch açvas, latei-
nisch equus, griechisch ἳππος; sanskritisch hañsas, latei-
nisch anser, griechisch χήν sanskritisch âtis, griechisch νῆσσα,
lateinisch anas; ebenso sind pecus, taurus, canis sans-
kritische Wörter. Ferner für den Gebrauch der Wagen:
sanskritisch jugam ist lateinisch iugum, griechisch ζνγόν,
deutsch Joch; sanskritisch akshas (Achse und Karren), latei-
nisch axis, griechisch ἂξων, ἅμ-αξα; für den des Sil-
bers und Kupfers: argentum aes kehren wieder im
Sanskrit und hatten doch schwerlich eigene Namen, ehe man
sie zu scheiden und zu brauchen verstand, wie denn auch sans-
kritisch asis, lateinisch ensis auf Gebrauch von Metallwaffen
hindeutet. So giebt es Zeugniſs für die uralte Nutzung des
Salzes, sanskritisch saras, lateinisch sal, griechisch ἅλς; für
den Häuser- und Hüttenbau, sanskritisch dam(as), lateinisch
domus, griechisch δόμος; sanskritisch vêças, lateinisch vicus,
griechisch οἶϰος. Selbst die Elemente der Religion und der
Wissenschaft zeigen Spuren ursprünglicher Gemeinschaft; die

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[13/0027] AELTESTE EINWANDERUNGEN IN ITALIEN. Civilisation. Denn es ist namentlich in der Bildungsepoche die Sprache das treue Bild und Organ des erreichten Cultur- grades; die groſsen technischen und sittlichen Revolutionen sind darin wie in einem Archiv aufbewahrt, aus dessen Acten die Zukunft nicht versäumen wird für jene Zeiten zu schöpfen, aus welchen alle directe Ueberlieferung verstummt ist. Wäh- rend die jetzt getrennten indogermanischen Völker einen gleich- sprachigen Stamm bildeten, erreichten sie einen gewissen Cul- turgrad und einen diesem angemessenen Wortschatz, den als gemeinsame Ausstattung in conventionell festgestelltem Ge- brauch alle Einzelvölker übernahmen um auf der gegebenen Grundlage selbstständig ihn weiter zu gestalten. Wir finden in diesem Wortschatz nicht blos die einfachsten Bezeichnungen des Seins, der Thätigkeiten, der Wahrnehmungen, wie sum, do, pater, das heiſst den ursprünglichen Wiederhall des Eindrucks, den die Auſsenwelt auf die Brust des Menschen macht, sondern auch eine Anzahl Culturwörter nicht bloſs ihren Wurzeln nach, sondern in der gewohnheitsmäſsig ausgeprägten Form, welche Gemeingut des indogermanischen Stammes und weder aus gleichmäſsiger Entwicklung noch aus späterer Uebersiedelung erklärbar sind. So besitzen wir Zeugnisse für die Entwicklung des Hirtenlebens in dieser fernen Epoche in den unabänderlich fixirten Namen der zahmen Thiere: sanskritisch gâus ist lateinisch bos, griechisch βοῦς; avis ist lateinisch ovis, griechisch ὄϊς; sanskritisch açvas, latei- nisch equus, griechisch ἳππος; sanskritisch hañsas, latei- nisch anser, griechisch χήν sanskritisch âtis, griechisch νῆσσα, lateinisch anas; ebenso sind pecus, taurus, canis sans- kritische Wörter. Ferner für den Gebrauch der Wagen: sanskritisch jugam ist lateinisch iugum, griechisch ζνγόν, deutsch Joch; sanskritisch akshas (Achse und Karren), latei- nisch axis, griechisch ἂξων, ἅμ-αξα; für den des Sil- bers und Kupfers: argentum aes kehren wieder im Sanskrit und hatten doch schwerlich eigene Namen, ehe man sie zu scheiden und zu brauchen verstand, wie denn auch sans- kritisch asis, lateinisch ensis auf Gebrauch von Metallwaffen hindeutet. So giebt es Zeugniſs für die uralte Nutzung des Salzes, sanskritisch saras, lateinisch sal, griechisch ἅλς; für den Häuser- und Hüttenbau, sanskritisch dam(as), lateinisch domus, griechisch δόμος; sanskritisch vêças, lateinisch vicus, griechisch οἶϰος. Selbst die Elemente der Religion und der Wissenschaft zeigen Spuren ursprünglicher Gemeinschaft; die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/27>, abgerufen am 27.11.2024.