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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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EINLEITUNG.
auslaufend gegen Süden zieht, anfangs ungetheilt und von be-
trächtlicher Höhe, dann nach einer Einsattlung, die eine Hügel-
landschaft bildet, sich spaltet und einen flachen Höhenzug
gegen Südosten, eine steilere Kette gegen Süden entsendend
mit der Bildung zweier schmaler Halbinseln abschliesst. An
diesen gleichfalls breit gelagerten und oft zur Hochebene sich
erweiternden Bergzug lehnt sich an der östlichen Küste ein
ebenes nördlich von dem Bergstock der Abruzzen geschlosse-
nes Vorland, welches nur der einförmige Garganus inselartig
unterbricht, von schwach entwickelter Küstenbildung und von
wenigen Flüssen durchschnitten; an der Südküste zwischen
den beiden Halbinseln eine reiche Stromniederung mit wenigen
Häfen; an der Westküste ein breites von bedeutenden Strö-
men, namentlich der Tiber durchschnittenes, von den Fluthen
und den zahlreichen Vulcanen in mannigfaltigster Thal- und
Hügel-, Hafen- und Inselbildung entwickeltes Gebiet, das all-
mählich gegen Süden sich verflacht und mit der gesegneten
campanischen Ebene abschliesst. Die italische Halbinsel theilt
mit der griechischen die gemässigte Temperatur und die ge-
sunde Luft auf den mässig hohen Bergen und im Ganzen
auch in den Thälern und Ebenen. In der Küstenentwicklung
steht sie ihr nach; namentlich fehlt das inselreiche Meer, das
die Hellenen zur seefahrenden Nation gemacht hat. Dagegen
ist Italien dem Nachbar überlegen durch die reichen Fluss-
ebenen und die fruchtbaren oder kräuterreichen Bergabhänge,
wie der Ackerbau und die Viehzucht ihrer bedarf; es ist ein
schönes Land, das die Thätigkeit des Menschen anstrengt und
belohnt und dem unruhigen wie dem ruhigen Streben Wege
in die Ferne oder auch friedlichen Gewinn daheim in gleicher
Weise darbietet.

Es ist die Geschichte Italiens, die hier erzählt werden
soll, nicht die Geschichte der Stadt Rom. Wenn auch nach
formalem Staatsrecht die Stadtgemeinde von Rom es war, die
die Herrschaft erst über Italien, dann über die Welt gewann,
so lässt sich doch dies im höheren geschichtlichen Sinne
keineswegs behaupten und erscheint das, was man die Be-
zwingung Italiens durch die Römer zu nennen gewohnt ist,
vielmehr als die Einigung zu einem Staate des gesammten
Stammes der Italiker, von dem die Römer wohl der gewal-
tigste, aber doch nur ein Zweig sind. -- Die italische Ge-
schichte zerfällt in zwei Hauptabschnitte: in die innere Ge-
schichte Italiens bis zu seiner Vereinigung unter der Führung

EINLEITUNG.
auslaufend gegen Süden zieht, anfangs ungetheilt und von be-
trächtlicher Höhe, dann nach einer Einsattlung, die eine Hügel-
landschaft bildet, sich spaltet und einen flachen Höhenzug
gegen Südosten, eine steilere Kette gegen Süden entsendend
mit der Bildung zweier schmaler Halbinseln abschlieſst. An
diesen gleichfalls breit gelagerten und oft zur Hochebene sich
erweiternden Bergzug lehnt sich an der östlichen Küste ein
ebenes nördlich von dem Bergstock der Abruzzen geschlosse-
nes Vorland, welches nur der einförmige Garganus inselartig
unterbricht, von schwach entwickelter Küstenbildung und von
wenigen Flüssen durchschnitten; an der Südküste zwischen
den beiden Halbinseln eine reiche Stromniederung mit wenigen
Häfen; an der Westküste ein breites von bedeutenden Strö-
men, namentlich der Tiber durchschnittenes, von den Fluthen
und den zahlreichen Vulcanen in mannigfaltigster Thal- und
Hügel-, Hafen- und Inselbildung entwickeltes Gebiet, das all-
mählich gegen Süden sich verflacht und mit der gesegneten
campanischen Ebene abschlieſst. Die italische Halbinsel theilt
mit der griechischen die gemäſsigte Temperatur und die ge-
sunde Luft auf den mäſsig hohen Bergen und im Ganzen
auch in den Thälern und Ebenen. In der Küstenentwicklung
steht sie ihr nach; namentlich fehlt das inselreiche Meer, das
die Hellenen zur seefahrenden Nation gemacht hat. Dagegen
ist Italien dem Nachbar überlegen durch die reichen Fluſs-
ebenen und die fruchtbaren oder kräuterreichen Bergabhänge,
wie der Ackerbau und die Viehzucht ihrer bedarf; es ist ein
schönes Land, das die Thätigkeit des Menschen anstrengt und
belohnt und dem unruhigen wie dem ruhigen Streben Wege
in die Ferne oder auch friedlichen Gewinn daheim in gleicher
Weise darbietet.

Es ist die Geschichte Italiens, die hier erzählt werden
soll, nicht die Geschichte der Stadt Rom. Wenn auch nach
formalem Staatsrecht die Stadtgemeinde von Rom es war, die
die Herrschaft erst über Italien, dann über die Welt gewann,
so läſst sich doch dies im höheren geschichtlichen Sinne
keineswegs behaupten und erscheint das, was man die Be-
zwingung Italiens durch die Römer zu nennen gewohnt ist,
vielmehr als die Einigung zu einem Staate des gesammten
Stammes der Italiker, von dem die Römer wohl der gewal-
tigste, aber doch nur ein Zweig sind. — Die italische Ge-
schichte zerfällt in zwei Hauptabschnitte: in die innere Ge-
schichte Italiens bis zu seiner Vereinigung unter der Führung

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[5/0019] EINLEITUNG. auslaufend gegen Süden zieht, anfangs ungetheilt und von be- trächtlicher Höhe, dann nach einer Einsattlung, die eine Hügel- landschaft bildet, sich spaltet und einen flachen Höhenzug gegen Südosten, eine steilere Kette gegen Süden entsendend mit der Bildung zweier schmaler Halbinseln abschlieſst. An diesen gleichfalls breit gelagerten und oft zur Hochebene sich erweiternden Bergzug lehnt sich an der östlichen Küste ein ebenes nördlich von dem Bergstock der Abruzzen geschlosse- nes Vorland, welches nur der einförmige Garganus inselartig unterbricht, von schwach entwickelter Küstenbildung und von wenigen Flüssen durchschnitten; an der Südküste zwischen den beiden Halbinseln eine reiche Stromniederung mit wenigen Häfen; an der Westküste ein breites von bedeutenden Strö- men, namentlich der Tiber durchschnittenes, von den Fluthen und den zahlreichen Vulcanen in mannigfaltigster Thal- und Hügel-, Hafen- und Inselbildung entwickeltes Gebiet, das all- mählich gegen Süden sich verflacht und mit der gesegneten campanischen Ebene abschlieſst. Die italische Halbinsel theilt mit der griechischen die gemäſsigte Temperatur und die ge- sunde Luft auf den mäſsig hohen Bergen und im Ganzen auch in den Thälern und Ebenen. In der Küstenentwicklung steht sie ihr nach; namentlich fehlt das inselreiche Meer, das die Hellenen zur seefahrenden Nation gemacht hat. Dagegen ist Italien dem Nachbar überlegen durch die reichen Fluſs- ebenen und die fruchtbaren oder kräuterreichen Bergabhänge, wie der Ackerbau und die Viehzucht ihrer bedarf; es ist ein schönes Land, das die Thätigkeit des Menschen anstrengt und belohnt und dem unruhigen wie dem ruhigen Streben Wege in die Ferne oder auch friedlichen Gewinn daheim in gleicher Weise darbietet. Es ist die Geschichte Italiens, die hier erzählt werden soll, nicht die Geschichte der Stadt Rom. Wenn auch nach formalem Staatsrecht die Stadtgemeinde von Rom es war, die die Herrschaft erst über Italien, dann über die Welt gewann, so läſst sich doch dies im höheren geschichtlichen Sinne keineswegs behaupten und erscheint das, was man die Be- zwingung Italiens durch die Römer zu nennen gewohnt ist, vielmehr als die Einigung zu einem Staate des gesammten Stammes der Italiker, von dem die Römer wohl der gewal- tigste, aber doch nur ein Zweig sind. — Die italische Ge- schichte zerfällt in zwei Hauptabschnitte: in die innere Ge- schichte Italiens bis zu seiner Vereinigung unter der Führung

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/19>, abgerufen am 26.11.2024.