Rings um das mannigfaltig gegliederte Binnenmeer, das tief einschneidend in die Erdfeste den grössten Busen des Oceans bildet und bald durch Inseln oder vorspringende Land- festen verengt, bald wieder sich in beträchtlicher Breite aus- dehnend die drei Theile der alten Welt scheidet und verbindet, siedelten in alten Zeiten Völkerstämme sich an, welche, ethnogra- phisch und sprachgeschichtlich betrachtet verschiedenen Racen angehörig, historisch ein Ganzes ausmachen, ein Völkersystem, dessen Civilisationsgeschichte, wenn gleich sie in ihren Anfängen anknüpft an einen andern Gesichts- und Geschichtskreis, dennoch, wie die Stämme den Ufern des Mittelmeers sich nähern, sie alle in sich aufgenommen und einen eigenthümlichen Gang in Grün- dung, Blüthe und Untergang verfolgt hat. Diese Culturgeschichte der Umwohner des Mittelmeers, die man nicht passend als die Geschichte der alten Welt zu bezeichnen pflegt, führt in drei grossen Entwicklungsstadien uns die Geschichte vor der Aegypter, der Hellenen und der Italiker, welche an den östlichen Cultur- kreis anknüpfen durch die Phoeniker, das Volk der Vermittlung. Jene drei Nationen gelangten jede auf ihren eigenen Bahnen zu einer eigenthümlichen und grossartigen Civilisation und haben in mannigfaltigster Wechselbeziehung zu einander alle Elemente der Menschennatur scharf und reich durchgearbeitet und entwickelt, bis auch dieser Kreis erfüllt war und neue Völkerschaften, die bis dahin das Gebiet der Mittelmeerstaaten
1*
KAPITEL I.
Einleitung.
Rings um das mannigfaltig gegliederte Binnenmeer, das tief einschneidend in die Erdfeste den gröſsten Busen des Oceans bildet und bald durch Inseln oder vorspringende Land- festen verengt, bald wieder sich in beträchtlicher Breite aus- dehnend die drei Theile der alten Welt scheidet und verbindet, siedelten in alten Zeiten Völkerstämme sich an, welche, ethnogra- phisch und sprachgeschichtlich betrachtet verschiedenen Racen angehörig, historisch ein Ganzes ausmachen, ein Völkersystem, dessen Civilisationsgeschichte, wenn gleich sie in ihren Anfängen anknüpft an einen andern Gesichts- und Geschichtskreis, dennoch, wie die Stämme den Ufern des Mittelmeers sich nähern, sie alle in sich aufgenommen und einen eigenthümlichen Gang in Grün- dung, Blüthe und Untergang verfolgt hat. Diese Culturgeschichte der Umwohner des Mittelmeers, die man nicht passend als die Geschichte der alten Welt zu bezeichnen pflegt, führt in drei groſsen Entwicklungsstadien uns die Geschichte vor der Aegypter, der Hellenen und der Italiker, welche an den östlichen Cultur- kreis anknüpfen durch die Phoeniker, das Volk der Vermittlung. Jene drei Nationen gelangten jede auf ihren eigenen Bahnen zu einer eigenthümlichen und groſsartigen Civilisation und haben in mannigfaltigster Wechselbeziehung zu einander alle Elemente der Menschennatur scharf und reich durchgearbeitet und entwickelt, bis auch dieser Kreis erfüllt war und neue Völkerschaften, die bis dahin das Gebiet der Mittelmeerstaaten
1*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0017"n="[3]"/><divn="2"><head><hirendition="#g">KAPITEL</hi> I.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><argument><p><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</p></argument><lb/><p><hirendition="#in">R</hi>ings um das mannigfaltig gegliederte Binnenmeer, das<lb/>
tief einschneidend in die Erdfeste den gröſsten Busen des<lb/>
Oceans bildet und bald durch Inseln oder vorspringende Land-<lb/>
festen verengt, bald wieder sich in beträchtlicher Breite aus-<lb/>
dehnend die drei Theile der alten Welt scheidet und verbindet,<lb/>
siedelten in alten Zeiten Völkerstämme sich an, welche, ethnogra-<lb/>
phisch und sprachgeschichtlich betrachtet verschiedenen Racen<lb/>
angehörig, historisch ein Ganzes ausmachen, ein Völkersystem,<lb/>
dessen Civilisationsgeschichte, wenn gleich sie in ihren Anfängen<lb/>
anknüpft an einen andern Gesichts- und Geschichtskreis, dennoch,<lb/>
wie die Stämme den Ufern des Mittelmeers sich nähern, sie alle<lb/>
in sich aufgenommen und einen eigenthümlichen Gang in Grün-<lb/>
dung, Blüthe und Untergang verfolgt hat. Diese Culturgeschichte<lb/>
der Umwohner des Mittelmeers, die man nicht passend als die<lb/>
Geschichte der alten Welt zu bezeichnen pflegt, führt in drei<lb/>
groſsen Entwicklungsstadien uns die Geschichte vor der Aegypter,<lb/>
der Hellenen und der Italiker, welche an den östlichen Cultur-<lb/>
kreis anknüpfen durch die Phoeniker, das Volk der Vermittlung.<lb/>
Jene drei Nationen gelangten jede auf ihren eigenen Bahnen<lb/>
zu einer eigenthümlichen und groſsartigen Civilisation und<lb/>
haben in mannigfaltigster Wechselbeziehung zu einander alle<lb/>
Elemente der Menschennatur scharf und reich durchgearbeitet<lb/>
und entwickelt, bis auch dieser Kreis erfüllt war und neue<lb/>
Völkerschaften, die bis dahin das Gebiet der Mittelmeerstaaten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[3]/0017]
KAPITEL I.
Einleitung.
Rings um das mannigfaltig gegliederte Binnenmeer, das
tief einschneidend in die Erdfeste den gröſsten Busen des
Oceans bildet und bald durch Inseln oder vorspringende Land-
festen verengt, bald wieder sich in beträchtlicher Breite aus-
dehnend die drei Theile der alten Welt scheidet und verbindet,
siedelten in alten Zeiten Völkerstämme sich an, welche, ethnogra-
phisch und sprachgeschichtlich betrachtet verschiedenen Racen
angehörig, historisch ein Ganzes ausmachen, ein Völkersystem,
dessen Civilisationsgeschichte, wenn gleich sie in ihren Anfängen
anknüpft an einen andern Gesichts- und Geschichtskreis, dennoch,
wie die Stämme den Ufern des Mittelmeers sich nähern, sie alle
in sich aufgenommen und einen eigenthümlichen Gang in Grün-
dung, Blüthe und Untergang verfolgt hat. Diese Culturgeschichte
der Umwohner des Mittelmeers, die man nicht passend als die
Geschichte der alten Welt zu bezeichnen pflegt, führt in drei
groſsen Entwicklungsstadien uns die Geschichte vor der Aegypter,
der Hellenen und der Italiker, welche an den östlichen Cultur-
kreis anknüpfen durch die Phoeniker, das Volk der Vermittlung.
Jene drei Nationen gelangten jede auf ihren eigenen Bahnen
zu einer eigenthümlichen und groſsartigen Civilisation und
haben in mannigfaltigster Wechselbeziehung zu einander alle
Elemente der Menschennatur scharf und reich durchgearbeitet
und entwickelt, bis auch dieser Kreis erfüllt war und neue
Völkerschaften, die bis dahin das Gebiet der Mittelmeerstaaten
1*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/17>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.