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Mommsen, Theodor: Auch ein Wort über unser Judenthum. Berlin, 1880.

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die den Namen unserer Könige tragen, gegründet als Schlingen
zum Heranlocken an Stellungen, in die der Einlaß versagt wird?
Jch kann es verstehen, daß ein richtiger verbissener Antisemit die
gute alte Zeit zurückwünscht, in welcher der Jude nur durch das
Taufbecken fähig wurde sich zur Uebernahme einer obrigkeitlichen
Stellung vorzubereiten. Aber die Forderung dieser Petenten bestätigt
leider den alten Satz, daß der Fanatismus ein Krebsschaden ist,
welcher schließlich auch das Gefühl der Ehre und der Ehrenhaftigkeit
angreift.

Die Petition kommt zur rechten Zeit. Sie öffnet jedem die
Augen, wie weit wir schon sind, und wohin wir kommen müssen
und kommen werden, wenn diese Fluth weiter braust. Sie ist an
unserer Universität in diesen Tagen zur Unterzeichnung herum-
geboten worden mit einer salvatorischen Clausel in Bezug auf "die
bürgerliche Stellung und den Standpunkt" der Studenten, welche
den Jnhalt der Petition nicht berührt. Jn Bezug auf dieselbe
heißt es in einem mir gedruckt, aber nicht unterzeichnet, vorliegenden
Begleitbrief an die Commilitonen:

"Gegen alle Schwierigkeiten, Einwendungen und Bedenklich-
keiten, die uns von irgend einer Seite erhoben werden könnten,
sichert uns der unsre Stellung so bescheiden abgrenzende Zusatz.
So wenigstens meint einer unsrer Herren Professoren in Berlin,
der in seiner Eigenschaft als akademischer Lehrer, Staatsmann und
Volksvertreter sicher in dieser Frage Autorität besitzt wie kein Zweiter.
Jhn hatten wir Studenten, die wir in Berlin während der Ferien
zuerst an die Angelegenheit heran traten, um Rath gefragt, sowohl
über die Opportunität einer derartigen Klausel im Speciellen, wie
unseres Vorgehens im Allgemeinen, und der überaus freundliche und
detaillirte Bescheid, der uns von dieser Seite wurde, schloß mit den
Worten: "Jch sehe nicht nur keinen Grund Jhnen abzurathen,
sondern ich wünsche Jhnen vielmehr alles Glück dazu.""

Es ist mir nicht wahrscheinlich, daß Herr v. Treitschke seinen
Namen denen des Herrn Zöllner und seiner Genossen beigesellt
hat, und noch weniger kann ich es für möglich halten, daß er der
hier bezeichnete Berather ist. Aber er wird als solcher genannt,
und eine Erklärung, daß er diesen Rath so nicht gegeben hat, er-

die den Namen unſerer Könige tragen, gegründet als Schlingen
zum Heranlocken an Stellungen, in die der Einlaß verſagt wird?
Jch kann es verſtehen, daß ein richtiger verbiſſener Antiſemit die
gute alte Zeit zurückwünſcht, in welcher der Jude nur durch das
Taufbecken fähig wurde ſich zur Uebernahme einer obrigkeitlichen
Stellung vorzubereiten. Aber die Forderung dieſer Petenten beſtätigt
leider den alten Satz, daß der Fanatismus ein Krebsſchaden iſt,
welcher ſchließlich auch das Gefühl der Ehre und der Ehrenhaftigkeit
angreift.

Die Petition kommt zur rechten Zeit. Sie öffnet jedem die
Augen, wie weit wir ſchon ſind, und wohin wir kommen müſſen
und kommen werden, wenn dieſe Fluth weiter brauſt. Sie iſt an
unſerer Univerſität in dieſen Tagen zur Unterzeichnung herum-
geboten worden mit einer ſalvatoriſchen Clauſel in Bezug auf „die
bürgerliche Stellung und den Standpunkt“ der Studenten, welche
den Jnhalt der Petition nicht berührt. Jn Bezug auf dieſelbe
heißt es in einem mir gedruckt, aber nicht unterzeichnet, vorliegenden
Begleitbrief an die Commilitonen:

„Gegen alle Schwierigkeiten, Einwendungen und Bedenklich-
keiten, die uns von irgend einer Seite erhoben werden könnten,
ſichert uns der unſre Stellung ſo beſcheiden abgrenzende Zuſatz.
So wenigſtens meint einer unſrer Herren Profeſſoren in Berlin,
der in ſeiner Eigenſchaft als akademiſcher Lehrer, Staatsmann und
Volksvertreter ſicher in dieſer Frage Autorität beſitzt wie kein Zweiter.
Jhn hatten wir Studenten, die wir in Berlin während der Ferien
zuerſt an die Angelegenheit heran traten, um Rath gefragt, ſowohl
über die Opportunität einer derartigen Klauſel im Speciellen, wie
unſeres Vorgehens im Allgemeinen, und der überaus freundliche und
detaillirte Beſcheid, der uns von dieſer Seite wurde, ſchloß mit den
Worten: „Jch ſehe nicht nur keinen Grund Jhnen abzurathen,
ſondern ich wünſche Jhnen vielmehr alles Glück dazu.““

Es iſt mir nicht wahrſcheinlich, daß Herr v. Treitſchke ſeinen
Namen denen des Herrn Zöllner und ſeiner Genoſſen beigeſellt
hat, und noch weniger kann ich es für möglich halten, daß er der
hier bezeichnete Berather iſt. Aber er wird als ſolcher genannt,
und eine Erklärung, daß er dieſen Rath ſo nicht gegeben hat, er-

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[14/0014] die den Namen unſerer Könige tragen, gegründet als Schlingen zum Heranlocken an Stellungen, in die der Einlaß verſagt wird? Jch kann es verſtehen, daß ein richtiger verbiſſener Antiſemit die gute alte Zeit zurückwünſcht, in welcher der Jude nur durch das Taufbecken fähig wurde ſich zur Uebernahme einer obrigkeitlichen Stellung vorzubereiten. Aber die Forderung dieſer Petenten beſtätigt leider den alten Satz, daß der Fanatismus ein Krebsſchaden iſt, welcher ſchließlich auch das Gefühl der Ehre und der Ehrenhaftigkeit angreift. Die Petition kommt zur rechten Zeit. Sie öffnet jedem die Augen, wie weit wir ſchon ſind, und wohin wir kommen müſſen und kommen werden, wenn dieſe Fluth weiter brauſt. Sie iſt an unſerer Univerſität in dieſen Tagen zur Unterzeichnung herum- geboten worden mit einer ſalvatoriſchen Clauſel in Bezug auf „die bürgerliche Stellung und den Standpunkt“ der Studenten, welche den Jnhalt der Petition nicht berührt. Jn Bezug auf dieſelbe heißt es in einem mir gedruckt, aber nicht unterzeichnet, vorliegenden Begleitbrief an die Commilitonen: „Gegen alle Schwierigkeiten, Einwendungen und Bedenklich- keiten, die uns von irgend einer Seite erhoben werden könnten, ſichert uns der unſre Stellung ſo beſcheiden abgrenzende Zuſatz. So wenigſtens meint einer unſrer Herren Profeſſoren in Berlin, der in ſeiner Eigenſchaft als akademiſcher Lehrer, Staatsmann und Volksvertreter ſicher in dieſer Frage Autorität beſitzt wie kein Zweiter. Jhn hatten wir Studenten, die wir in Berlin während der Ferien zuerſt an die Angelegenheit heran traten, um Rath gefragt, ſowohl über die Opportunität einer derartigen Klauſel im Speciellen, wie unſeres Vorgehens im Allgemeinen, und der überaus freundliche und detaillirte Beſcheid, der uns von dieſer Seite wurde, ſchloß mit den Worten: „Jch ſehe nicht nur keinen Grund Jhnen abzurathen, ſondern ich wünſche Jhnen vielmehr alles Glück dazu.““ Es iſt mir nicht wahrſcheinlich, daß Herr v. Treitſchke ſeinen Namen denen des Herrn Zöllner und ſeiner Genoſſen beigeſellt hat, und noch weniger kann ich es für möglich halten, daß er der hier bezeichnete Berather iſt. Aber er wird als ſolcher genannt, und eine Erklärung, daß er dieſen Rath ſo nicht gegeben hat, er-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Auch ein Wort über unser Judenthum. Berlin, 1880, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_judenthum_1880/14>, abgerufen am 26.04.2024.