Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.sich beschränkt auf die Schilderung der sachlichen Zustände im 1) Die große Zahl der Schriften über den Begriff, das Wesen und die Methode der Statistik ist nicht sowohl ein wissenschaftlicher Gewinn als eine psychologische Merkwürdigkeit. Für den unbefangenen Blick liegt die Wahrheit klar vor; und je mehr Gelehrsamkeit und Scharfsinn auf diese Prolegomena der Statistik verschwendet werden, desto unklarer wird das Ergebniß, so daß man am Ende Gefahr läuft, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. -- Eine Aufzählung und Beurthei- lung dieser wunderlichen Literatur s. in meiner Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. III, S. 648 fg. Aus der großen Zahl der hier aufgeführten, zum Theil sehr umfangreichen, Schriften sind etwa fol- gende vorzugsweise zu merken: Schlözer, A. L., Theorie der Statistik. Gött., 1804. -- Butte, W., Statistik als Wissenschaft, Landshut, 1808. -- Cagnazzi, L. S., Elementi dell' arte statistica. I. II. Nap., 1808. -- Mone, F. J., Theorie der Statistik. Heidelb., 1824. -- Gioja, M., Filosofia della statistica. I. II. Mil., 1826. -- Dufau, P. A., Traite de statistique. Par., 1840. -- Fallati, J. J., Einleitung in die Wissenschaft der Statistik. Tüb., 1843. -- Knies, C. G. A., Die Statistik als selbstständige Wissenschaft. Kassel, 1850. -- Jonak, E. A., Theorie der Statistik. Wien, 1856. 2) Es liegt nicht im Begriffe der Statistik, daß nur die Gegenwart, also der jüngste Gesammtzustand des Staates, geschildert werde; vielmehr hat es gar keinen wissenschaftlichen Anstand, eine Statistik irgend eines, vielleicht längst verschwundenen, Staates zu einer beliebigen früheren Zeit zu entwerfen; z. B. eine Statistik des römischen Reiches zu Augustus Zeiten, oder Frankreichs unter Ludwig XIV. Die Schwierigkeit eines solchen Rückgreifens in die Vergangenheit ist nur eine thatsächliche und keine wis- senschaftliche, indem es in der Regel an gehörig ausführlichen und zuver- lässigen Quellen fehlt. Der so oft bekrittelte Satz Schlözer's: daß die Geschichte eine sich bewegende Statistik und die Statistik eine stillstehende Ge- schichte sei, ist ebenso geistreich als in der Hauptsache richtig; und es ist ſich beſchränkt auf die Schilderung der ſachlichen Zuſtände im 1) Die große Zahl der Schriften über den Begriff, das Weſen und die Methode der Statiſtik iſt nicht ſowohl ein wiſſenſchaftlicher Gewinn als eine pſychologiſche Merkwürdigkeit. Für den unbefangenen Blick liegt die Wahrheit klar vor; und je mehr Gelehrſamkeit und Scharfſinn auf dieſe Prolegomena der Statiſtik verſchwendet werden, deſto unklarer wird das Ergebniß, ſo daß man am Ende Gefahr läuft, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu ſehen. — Eine Aufzählung und Beurthei- lung dieſer wunderlichen Literatur ſ. in meiner Geſchichte und Literatur der Staatswiſſenſchaften, Bd. III, S. 648 fg. Aus der großen Zahl der hier aufgeführten, zum Theil ſehr umfangreichen, Schriften ſind etwa fol- gende vorzugsweiſe zu merken: Schlözer, A. L., Theorie der Statiſtik. Gött., 1804. — Butte, W., Statiſtik als Wiſſenſchaft, Landshut, 1808. — Cagnazzi, L. S., Elementi dell’ arte statistica. I. II. Nap., 1808. — Mone, F. J., Theorie der Statiſtik. Heidelb., 1824. — Gioja, M., Filosofia della statistica. I. II. Mil., 1826. — Dufau, P. A., Traité de statistique. Par., 1840. — Fallati, J. J., Einleitung in die Wiſſenſchaft der Statiſtik. Tüb., 1843. — Knies, C. G. A., Die Statiſtik als ſelbſtſtändige Wiſſenſchaft. Kaſſel, 1850. — Jonak, E. A., Theorie der Statiſtik. Wien, 1856. 2) Es liegt nicht im Begriffe der Statiſtik, daß nur die Gegenwart, alſo der jüngſte Geſammtzuſtand des Staates, geſchildert werde; vielmehr hat es gar keinen wiſſenſchaftlichen Anſtand, eine Statiſtik irgend eines, vielleicht längſt verſchwundenen, Staates zu einer beliebigen früheren Zeit zu entwerfen; z. B. eine Statiſtik des römiſchen Reiches zu Auguſtus Zeiten, oder Frankreichs unter Ludwig XIV. Die Schwierigkeit eines ſolchen Rückgreifens in die Vergangenheit iſt nur eine thatſächliche und keine wiſ- ſenſchaftliche, indem es in der Regel an gehörig ausführlichen und zuver- läſſigen Quellen fehlt. Der ſo oft bekrittelte Satz Schlözer’s: daß die Geſchichte eine ſich bewegende Statiſtik und die Statiſtik eine ſtillſtehende Ge- ſchichte ſei, iſt ebenſo geiſtreich als in der Hauptſache richtig; und es iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0749" n="735"/> ſich beſchränkt auf die Schilderung der ſachlichen Zuſtände im<lb/> Staate. Auch die geiſtigen Verhältniſſe des Volkslebens ſind<lb/> von höchſter Bedeutung für den Staat und vom Standpunkte<lb/> deſſelben. 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ſich beſchränkt auf die Schilderung der ſachlichen Zuſtände im
Staate. Auch die geiſtigen Verhältniſſe des Volkslebens ſind
von höchſter Bedeutung für den Staat und vom Standpunkte
deſſelben. Daß leichter eine Täuſchung bei ihrer Erkundung
ſtattfindet, als bei zählbaren und wägbaren Gegenſtänden, recht-
fertigt nicht etwa ihre Nichtberückſichtigung, ſondern erfordert
nur eine richtige Methode der Erforſchung und vielleicht eine
andere Art von Darſtellung.
¹⁾ Die große Zahl der Schriften über den Begriff, das Weſen und
die Methode der Statiſtik iſt nicht ſowohl ein wiſſenſchaftlicher Gewinn als
eine pſychologiſche Merkwürdigkeit. Für den unbefangenen Blick liegt die
Wahrheit klar vor; und je mehr Gelehrſamkeit und Scharfſinn auf dieſe
Prolegomena der Statiſtik verſchwendet werden, deſto unklarer wird
das Ergebniß, ſo daß man am Ende Gefahr läuft, den Wald vor
lauter Bäumen nicht mehr zu ſehen. — Eine Aufzählung und Beurthei-
lung dieſer wunderlichen Literatur ſ. in meiner Geſchichte und Literatur
der Staatswiſſenſchaften, Bd. III, S. 648 fg. Aus der großen Zahl der
hier aufgeführten, zum Theil ſehr umfangreichen, Schriften ſind etwa fol-
gende vorzugsweiſe zu merken: Schlözer, A. L., Theorie der Statiſtik.
Gött., 1804. — Butte, W., Statiſtik als Wiſſenſchaft, Landshut, 1808.
— Cagnazzi, L. S., Elementi dell’ arte statistica. I. II. Nap.,
1808. — Mone, F. J., Theorie der Statiſtik. Heidelb., 1824. — Gioja,
M., Filosofia della statistica. I. II. Mil., 1826. — Dufau, P. A.,
Traité de statistique. Par., 1840. — Fallati, J. J., Einleitung in
die Wiſſenſchaft der Statiſtik. Tüb., 1843. — Knies, C. G. A., Die
Statiſtik als ſelbſtſtändige Wiſſenſchaft. Kaſſel, 1850. — Jonak, E. A.,
Theorie der Statiſtik. Wien, 1856.
²⁾ Es liegt nicht im Begriffe der Statiſtik, daß nur die Gegenwart,
alſo der jüngſte Geſammtzuſtand des Staates, geſchildert werde; vielmehr
hat es gar keinen wiſſenſchaftlichen Anſtand, eine Statiſtik irgend eines,
vielleicht längſt verſchwundenen, Staates zu einer beliebigen früheren Zeit
zu entwerfen; z. B. eine Statiſtik des römiſchen Reiches zu Auguſtus
Zeiten, oder Frankreichs unter Ludwig XIV. Die Schwierigkeit eines ſolchen
Rückgreifens in die Vergangenheit iſt nur eine thatſächliche und keine wiſ-
ſenſchaftliche, indem es in der Regel an gehörig ausführlichen und zuver-
läſſigen Quellen fehlt. Der ſo oft bekrittelte Satz Schlözer’s: daß die
Geſchichte eine ſich bewegende Statiſtik und die Statiſtik eine ſtillſtehende Ge-
ſchichte ſei, iſt ebenſo geiſtreich als in der Hauptſache richtig; und es iſt
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