Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

des Feindes durch die Menge der ihm Entgegengestellten; auf
dem anzunehmenden Eifer der für Haus und Hof Kämpfenden;
endlich auf die möglichste Ersparung von Kosten in Friedens-
zeiten. Dagegen unterwirft man sich auch von vornherein den
Nachtheilen einer geringeren Waffenbildung des einzelnen Kriegers,
einer weniger sicheren Führung von Seiten der Anführer, endlich
tiefen Eingriffen in das bürgerliche und häusliche Leben Aller.
Das gesammte Urtheil ist ein sehr abweichendes, je nachdem
eine der drei möglichen Formen des Systemes gewählt wird,
nämlich der Landsturm, die Bürgerwehr (Nationalgarde),
oder die Landwehr. Im ersten Falle wird die ganze waf-
fenfähige Bevölkerung, kaum im Rohesten eingetheilt, bewaffnet
und mit Anführern versehen, so wie ohne nennenswerthe Uebung
im Kriegsdienste dem Feinde entgegengeworfen. Bei einer Bür-
gerwehr sind zwar ebenfalls alle waffenfähigen Männer dienst-
pflichtig; allein einerseits werden sie schon im Frieden, nach
Maßgabe der Oertlichkeiten, zu militärischen Ganzen gebildet,
mit Anführern versehen und wenigstens nothdürftig in den
Waffen geübt, andererseits wird hinsichtlich der Verwendungs-
weise und der Ausdehnung der Dienstpflicht ein Unterschied ge-
macht je nach dem Alter, den Familienverhältnissen und, viel-
leicht, nach freiwilligen Anerbieten zu besonderer Ausbildung.
Eine Landwehr endlich beabsichtigt vollständige militärische Aus-
bildung der gesammten jüngeren Mannschaft in möglichst kurzer
Zeit und mit Entlassung der hinlänglich Geübten zur Betrei-
bung bürgerlicher Geschäfte bis zu etwaiger Einberufung unter
die Fahnen. -- Hier ist nun klar, daß ein Landsturm weder
auf lange Zeit im Felde gehalten werden, noch daß er geübten
Feinden unter gewöhnlichen Umständen siegreichen Widerstand
leisten kann. Es kann also von dieser Art der gewaffneten
Macht nur entweder bei einem halbbarbarischen mit Jagd und
Viehzucht ausschließlich beschäftigten Volke, oder in einer von

des Feindes durch die Menge der ihm Entgegengeſtellten; auf
dem anzunehmenden Eifer der für Haus und Hof Kämpfenden;
endlich auf die möglichſte Erſparung von Koſten in Friedens-
zeiten. Dagegen unterwirft man ſich auch von vornherein den
Nachtheilen einer geringeren Waffenbildung des einzelnen Kriegers,
einer weniger ſicheren Führung von Seiten der Anführer, endlich
tiefen Eingriffen in das bürgerliche und häusliche Leben Aller.
Das geſammte Urtheil iſt ein ſehr abweichendes, je nachdem
eine der drei möglichen Formen des Syſtemes gewählt wird,
nämlich der Landſturm, die Bürgerwehr (Nationalgarde),
oder die Landwehr. Im erſten Falle wird die ganze waf-
fenfähige Bevölkerung, kaum im Roheſten eingetheilt, bewaffnet
und mit Anführern verſehen, ſo wie ohne nennenswerthe Uebung
im Kriegsdienſte dem Feinde entgegengeworfen. Bei einer Bür-
gerwehr ſind zwar ebenfalls alle waffenfähigen Männer dienſt-
pflichtig; allein einerſeits werden ſie ſchon im Frieden, nach
Maßgabe der Oertlichkeiten, zu militäriſchen Ganzen gebildet,
mit Anführern verſehen und wenigſtens nothdürftig in den
Waffen geübt, andererſeits wird hinſichtlich der Verwendungs-
weiſe und der Ausdehnung der Dienſtpflicht ein Unterſchied ge-
macht je nach dem Alter, den Familienverhältniſſen und, viel-
leicht, nach freiwilligen Anerbieten zu beſonderer Ausbildung.
Eine Landwehr endlich beabſichtigt vollſtändige militäriſche Aus-
bildung der geſammten jüngeren Mannſchaft in möglichſt kurzer
Zeit und mit Entlaſſung der hinlänglich Geübten zur Betrei-
bung bürgerlicher Geſchäfte bis zu etwaiger Einberufung unter
die Fahnen. — Hier iſt nun klar, daß ein Landſturm weder
auf lange Zeit im Felde gehalten werden, noch daß er geübten
Feinden unter gewöhnlichen Umſtänden ſiegreichen Widerſtand
leiſten kann. Es kann alſo von dieſer Art der gewaffneten
Macht nur entweder bei einem halbbarbariſchen mit Jagd und
Viehzucht ausſchließlich beſchäftigten Volke, oder in einer von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0700" n="686"/>
des Feindes durch die Menge der ihm Entgegenge&#x017F;tellten; auf<lb/>
dem anzunehmenden Eifer der für Haus und Hof Kämpfenden;<lb/>
endlich auf die möglich&#x017F;te Er&#x017F;parung von Ko&#x017F;ten in Friedens-<lb/>
zeiten. Dagegen unterwirft man &#x017F;ich auch von vornherein den<lb/>
Nachtheilen einer geringeren Waffenbildung des einzelnen Kriegers,<lb/>
einer weniger &#x017F;icheren Führung von Seiten der Anführer, endlich<lb/>
tiefen Eingriffen in das bürgerliche und häusliche Leben Aller.<lb/>
Das ge&#x017F;ammte Urtheil i&#x017F;t ein &#x017F;ehr abweichendes, je nachdem<lb/>
eine der drei möglichen Formen des Sy&#x017F;temes gewählt wird,<lb/>
nämlich der <hi rendition="#g">Land&#x017F;turm</hi>, die <hi rendition="#g">Bürgerwehr</hi> (Nationalgarde),<lb/>
oder die <hi rendition="#g">Landwehr</hi>. Im er&#x017F;ten Falle wird die ganze waf-<lb/>
fenfähige Bevölkerung, kaum im Rohe&#x017F;ten eingetheilt, bewaffnet<lb/>
und mit Anführern ver&#x017F;ehen, &#x017F;o wie ohne nennenswerthe Uebung<lb/>
im Kriegsdien&#x017F;te dem Feinde entgegengeworfen. Bei einer Bür-<lb/>
gerwehr &#x017F;ind zwar ebenfalls alle waffenfähigen Männer dien&#x017F;t-<lb/>
pflichtig; allein einer&#x017F;eits werden &#x017F;ie &#x017F;chon im Frieden, nach<lb/>
Maßgabe der Oertlichkeiten, zu militäri&#x017F;chen Ganzen gebildet,<lb/>
mit Anführern ver&#x017F;ehen und wenig&#x017F;tens nothdürftig in den<lb/>
Waffen geübt, anderer&#x017F;eits wird hin&#x017F;ichtlich der Verwendungs-<lb/>
wei&#x017F;e und der Ausdehnung der Dien&#x017F;tpflicht ein Unter&#x017F;chied ge-<lb/>
macht je nach dem Alter, den Familienverhältni&#x017F;&#x017F;en und, viel-<lb/>
leicht, nach freiwilligen Anerbieten zu be&#x017F;onderer Ausbildung.<lb/>
Eine Landwehr endlich beab&#x017F;ichtigt voll&#x017F;tändige militäri&#x017F;che Aus-<lb/>
bildung der ge&#x017F;ammten jüngeren Mann&#x017F;chaft in möglich&#x017F;t kurzer<lb/>
Zeit und mit Entla&#x017F;&#x017F;ung der hinlänglich Geübten zur Betrei-<lb/>
bung bürgerlicher Ge&#x017F;chäfte bis zu etwaiger Einberufung unter<lb/>
die Fahnen. &#x2014; Hier i&#x017F;t nun klar, daß ein Land&#x017F;turm weder<lb/>
auf lange Zeit im Felde gehalten werden, noch daß er geübten<lb/>
Feinden unter gewöhnlichen Um&#x017F;tänden &#x017F;iegreichen Wider&#x017F;tand<lb/>
lei&#x017F;ten kann. Es kann al&#x017F;o von die&#x017F;er Art der gewaffneten<lb/>
Macht nur entweder bei einem halbbarbari&#x017F;chen mit Jagd und<lb/>
Viehzucht aus&#x017F;chließlich be&#x017F;chäftigten Volke, oder in einer von<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[686/0700] des Feindes durch die Menge der ihm Entgegengeſtellten; auf dem anzunehmenden Eifer der für Haus und Hof Kämpfenden; endlich auf die möglichſte Erſparung von Koſten in Friedens- zeiten. Dagegen unterwirft man ſich auch von vornherein den Nachtheilen einer geringeren Waffenbildung des einzelnen Kriegers, einer weniger ſicheren Führung von Seiten der Anführer, endlich tiefen Eingriffen in das bürgerliche und häusliche Leben Aller. Das geſammte Urtheil iſt ein ſehr abweichendes, je nachdem eine der drei möglichen Formen des Syſtemes gewählt wird, nämlich der Landſturm, die Bürgerwehr (Nationalgarde), oder die Landwehr. Im erſten Falle wird die ganze waf- fenfähige Bevölkerung, kaum im Roheſten eingetheilt, bewaffnet und mit Anführern verſehen, ſo wie ohne nennenswerthe Uebung im Kriegsdienſte dem Feinde entgegengeworfen. Bei einer Bür- gerwehr ſind zwar ebenfalls alle waffenfähigen Männer dienſt- pflichtig; allein einerſeits werden ſie ſchon im Frieden, nach Maßgabe der Oertlichkeiten, zu militäriſchen Ganzen gebildet, mit Anführern verſehen und wenigſtens nothdürftig in den Waffen geübt, andererſeits wird hinſichtlich der Verwendungs- weiſe und der Ausdehnung der Dienſtpflicht ein Unterſchied ge- macht je nach dem Alter, den Familienverhältniſſen und, viel- leicht, nach freiwilligen Anerbieten zu beſonderer Ausbildung. Eine Landwehr endlich beabſichtigt vollſtändige militäriſche Aus- bildung der geſammten jüngeren Mannſchaft in möglichſt kurzer Zeit und mit Entlaſſung der hinlänglich Geübten zur Betrei- bung bürgerlicher Geſchäfte bis zu etwaiger Einberufung unter die Fahnen. — Hier iſt nun klar, daß ein Landſturm weder auf lange Zeit im Felde gehalten werden, noch daß er geübten Feinden unter gewöhnlichen Umſtänden ſiegreichen Widerſtand leiſten kann. Es kann alſo von dieſer Art der gewaffneten Macht nur entweder bei einem halbbarbariſchen mit Jagd und Viehzucht ausſchließlich beſchäftigten Volke, oder in einer von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/700
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/700>, abgerufen am 24.11.2024.