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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Diese nur theilweise Anerkennung als Staatswissenschaft hindert aber natür-
lich eine innerlich und äußerlich vollständige und einheitliche Bearbeitung
der Wirthschaftswissenschaft nicht; nur muß sie in solcher Ausdehnung
nicht verlangen, ganz und gar in den Kreis der politischen Disciplinen auf-
genommen zu werden. Daß auch die meisten übrigen Theile der Wirth-
schaftslehre Vorkenntnisse für staatliches Handeln sind, berechtigt sie
durchaus nicht zur Einreihung unter die staatlichen Lehren. Es verhält
sich mit ihnen, wie z. B. mit der Lehre von Besitz und Eigenthum, von
Pfändern und Testamenten, oder mit den Vorschriften über Ausbildung
der verschiedenen Truppengattungen und den Regeln für die Ausrüstung
eines Belagerungs-Trains. Auch diese Regeln bilden deßhalb keineswegs einen
Theil der Staatswissenschaften, weil der Staat Einrichtungen treffen muß,
um rechtliche Verhältnisse im Nothfalle zu schützen, und also allerdings der
Staatsmann einen Begriff von ihrem Wesen haben soll; oder weil die
Aufstellung einer genügenden Vertheidigungsmacht eine Aufgabe der Politik
ist, und somit der Staatsmann wissen muß, daß für verschiedene Waffen-
arten eine verschiedene Ausbildungszeit nöthig ist, oder daß die Beschaffung
der Geschütze Geld kostet. -- Es ist zwar hier nicht der Ort, es näher aus-
zuführen, doch mag es immerhin bemerkt sein, daß die übliche Dreitheilung
der deutschen Wirthschaftswissenschaft in Volkswirthschaftslehre, Volkswirth-
schaftspflege und Finanzwissenschaft noch keineswegs die logisch richtige Ein-
theilung des Stoffes gibt. Offenbar muß nämlich die Volkswirthschaftslehre
zerfallen: in die Erörterung der ganz allgemeinen Begriffe jeder Wirthschaft;
in deren Anwendung auf das Güterleben des Einzelnen und der Familie;
endlich in die Anwendung auf die Wirthschaft in der Gesellschaft. Und
ebenso wird die Volkswirthschaftspflege zu völliger logischer Klarheit und
zur sachlichen Richtigkeit nur dann gelangen, wenn auch hier zwischen der
Hülfe des Staates für den Einzelnen und für die verschiedenen gesellschaft-
lichen Kreise wohl unterschieden wird.
7) Wenn es etwa Anstoß finden sollte, daß hier (wie im vorstehenden
§ bei den Gesellschaftswissenschaften) eine allgemeine Staatslehre
als eine eigene dogmatische Staatswissenschaft neben dem öffentlichen Rechte,
der Staatsmoral und der Staatsklugheitslehre aufgeführt ist; und wenn
vielleicht die Einwendung Platz zu greifen scheint, daß jeder über den Staat
aufzustellende dogmatische Grundsatz zu einer der eben genannten drei großen
Disciplinen gehören müsse, somit kein Raum nach richtigen Denkgesetzen
für eine vierte Lehre sei: so diene Nachstehendes zur Rechtfertigung. Aller-
dings muß, wenn eine bestimmte Einrichtung oder Handlung des Staates
gefordert wird, dieselbe aus dem Gesichtspunkte des Rechts, der Sittlichkeit
oder der Zweckmäßigkeit begründet werden, und es bilden sich vollständige
Lehrgebäude der auf diese drei Grundlagen zu stellenden Grundsätze; allein
Dieſe nur theilweiſe Anerkennung als Staatswiſſenſchaft hindert aber natür-
lich eine innerlich und äußerlich vollſtändige und einheitliche Bearbeitung
der Wirthſchaftswiſſenſchaft nicht; nur muß ſie in ſolcher Ausdehnung
nicht verlangen, ganz und gar in den Kreis der politiſchen Disciplinen auf-
genommen zu werden. Daß auch die meiſten übrigen Theile der Wirth-
ſchaftslehre Vorkenntniſſe für ſtaatliches Handeln ſind, berechtigt ſie
durchaus nicht zur Einreihung unter die ſtaatlichen Lehren. Es verhält
ſich mit ihnen, wie z. B. mit der Lehre von Beſitz und Eigenthum, von
Pfändern und Teſtamenten, oder mit den Vorſchriften über Ausbildung
der verſchiedenen Truppengattungen und den Regeln für die Ausrüſtung
eines Belagerungs-Trains. Auch dieſe Regeln bilden deßhalb keineswegs einen
Theil der Staatswiſſenſchaften, weil der Staat Einrichtungen treffen muß,
um rechtliche Verhältniſſe im Nothfalle zu ſchützen, und alſo allerdings der
Staatsmann einen Begriff von ihrem Weſen haben ſoll; oder weil die
Aufſtellung einer genügenden Vertheidigungsmacht eine Aufgabe der Politik
iſt, und ſomit der Staatsmann wiſſen muß, daß für verſchiedene Waffen-
arten eine verſchiedene Ausbildungszeit nöthig iſt, oder daß die Beſchaffung
der Geſchütze Geld koſtet. — Es iſt zwar hier nicht der Ort, es näher aus-
zuführen, doch mag es immerhin bemerkt ſein, daß die übliche Dreitheilung
der deutſchen Wirthſchaftswiſſenſchaft in Volkswirthſchaftslehre, Volkswirth-
ſchaftspflege und Finanzwiſſenſchaft noch keineswegs die logiſch richtige Ein-
theilung des Stoffes gibt. Offenbar muß nämlich die Volkswirthſchaftslehre
zerfallen: in die Erörterung der ganz allgemeinen Begriffe jeder Wirthſchaft;
in deren Anwendung auf das Güterleben des Einzelnen und der Familie;
endlich in die Anwendung auf die Wirthſchaft in der Geſellſchaft. Und
ebenſo wird die Volkswirthſchaftspflege zu völliger logiſcher Klarheit und
zur ſachlichen Richtigkeit nur dann gelangen, wenn auch hier zwiſchen der
Hülfe des Staates für den Einzelnen und für die verſchiedenen geſellſchaft-
lichen Kreiſe wohl unterſchieden wird.
7) Wenn es etwa Anſtoß finden ſollte, daß hier (wie im vorſtehenden
§ bei den Geſellſchaftswiſſenſchaften) eine allgemeine Staatslehre
als eine eigene dogmatiſche Staatswiſſenſchaft neben dem öffentlichen Rechte,
der Staatsmoral und der Staatsklugheitslehre aufgeführt iſt; und wenn
vielleicht die Einwendung Platz zu greifen ſcheint, daß jeder über den Staat
aufzuſtellende dogmatiſche Grundſatz zu einer der eben genannten drei großen
Disciplinen gehören müſſe, ſomit kein Raum nach richtigen Denkgeſetzen
für eine vierte Lehre ſei: ſo diene Nachſtehendes zur Rechtfertigung. Aller-
dings muß, wenn eine beſtimmte Einrichtung oder Handlung des Staates
gefordert wird, dieſelbe aus dem Geſichtspunkte des Rechts, der Sittlichkeit
oder der Zweckmäßigkeit begründet werden, und es bilden ſich vollſtändige
Lehrgebäude der auf dieſe drei Grundlagen zu ſtellenden Grundſätze; allein
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[56/0070] ⁶⁾ Dieſe nur theilweiſe Anerkennung als Staatswiſſenſchaft hindert aber natür- lich eine innerlich und äußerlich vollſtändige und einheitliche Bearbeitung der Wirthſchaftswiſſenſchaft nicht; nur muß ſie in ſolcher Ausdehnung nicht verlangen, ganz und gar in den Kreis der politiſchen Disciplinen auf- genommen zu werden. Daß auch die meiſten übrigen Theile der Wirth- ſchaftslehre Vorkenntniſſe für ſtaatliches Handeln ſind, berechtigt ſie durchaus nicht zur Einreihung unter die ſtaatlichen Lehren. Es verhält ſich mit ihnen, wie z. B. mit der Lehre von Beſitz und Eigenthum, von Pfändern und Teſtamenten, oder mit den Vorſchriften über Ausbildung der verſchiedenen Truppengattungen und den Regeln für die Ausrüſtung eines Belagerungs-Trains. Auch dieſe Regeln bilden deßhalb keineswegs einen Theil der Staatswiſſenſchaften, weil der Staat Einrichtungen treffen muß, um rechtliche Verhältniſſe im Nothfalle zu ſchützen, und alſo allerdings der Staatsmann einen Begriff von ihrem Weſen haben ſoll; oder weil die Aufſtellung einer genügenden Vertheidigungsmacht eine Aufgabe der Politik iſt, und ſomit der Staatsmann wiſſen muß, daß für verſchiedene Waffen- arten eine verſchiedene Ausbildungszeit nöthig iſt, oder daß die Beſchaffung der Geſchütze Geld koſtet. — Es iſt zwar hier nicht der Ort, es näher aus- zuführen, doch mag es immerhin bemerkt ſein, daß die übliche Dreitheilung der deutſchen Wirthſchaftswiſſenſchaft in Volkswirthſchaftslehre, Volkswirth- ſchaftspflege und Finanzwiſſenſchaft noch keineswegs die logiſch richtige Ein- theilung des Stoffes gibt. Offenbar muß nämlich die Volkswirthſchaftslehre zerfallen: in die Erörterung der ganz allgemeinen Begriffe jeder Wirthſchaft; in deren Anwendung auf das Güterleben des Einzelnen und der Familie; endlich in die Anwendung auf die Wirthſchaft in der Geſellſchaft. Und ebenſo wird die Volkswirthſchaftspflege zu völliger logiſcher Klarheit und zur ſachlichen Richtigkeit nur dann gelangen, wenn auch hier zwiſchen der Hülfe des Staates für den Einzelnen und für die verſchiedenen geſellſchaft- lichen Kreiſe wohl unterſchieden wird. ⁷⁾ Wenn es etwa Anſtoß finden ſollte, daß hier (wie im vorſtehenden § bei den Geſellſchaftswiſſenſchaften) eine allgemeine Staatslehre als eine eigene dogmatiſche Staatswiſſenſchaft neben dem öffentlichen Rechte, der Staatsmoral und der Staatsklugheitslehre aufgeführt iſt; und wenn vielleicht die Einwendung Platz zu greifen ſcheint, daß jeder über den Staat aufzuſtellende dogmatiſche Grundſatz zu einer der eben genannten drei großen Disciplinen gehören müſſe, ſomit kein Raum nach richtigen Denkgeſetzen für eine vierte Lehre ſei: ſo diene Nachſtehendes zur Rechtfertigung. Aller- dings muß, wenn eine beſtimmte Einrichtung oder Handlung des Staates gefordert wird, dieſelbe aus dem Geſichtspunkte des Rechts, der Sittlichkeit oder der Zweckmäßigkeit begründet werden, und es bilden ſich vollſtändige Lehrgebäude der auf dieſe drei Grundlagen zu ſtellenden Grundſätze; allein

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/70>, abgerufen am 23.11.2024.