Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
b. Wie nothwendig es ist, die Richter mittelst aller erlaubter
Mittel unabhängig von ungesetzlichem Einflusse, selbst-
ständig im Amte und sicher gegen Versuchungen zu stellen,
bedarf nicht erst eines Beweises. Hierzu dient nun aller-
dings in erster Linie die Sicherstellung im Amte; allein
es bedarf doch noch mehr. Zunächst eines genügenden
Auskommens, damit nicht häusliche Noth zu Bestechlich-
keit oder zu gewissenloser Nachgiebigkeit gegen die Regie-
rung bewege. Sodann ein System der Beförderungen
und Begünstigungen (durch Gehaltszulagen u. s. w.),
welches der Willkür möglichst geringen Spielraum läßt.
Endlich und hauptsächlich aber gibt Oeffentlichkeit des
gerichtlichen Verfahrens eine so große Gewährleistung für
ehrenhafte und geschickte Ausübung des Amtes, daß sie
schon aus diesem Grunde allein eingeführt werden müßte.
Wenn aber in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die volle
Oeffentlichkeit aus Rücksicht auf die Parteien nicht passend
erscheinen sollte, so läßt sich der Nutzen zum großen Theile
auch schon durch eine beschränktere Zulassung zu den Ge-
richtsschranken erreichen.
c. Das gerichtliche Verfahren hat zwei nicht ganz leicht zu
vereinigende Forderungen zu berücksichtigen: die der
Gründlichkeit in Herstellung der Thatsachen und Be-
weise; und die der Schnelligkeit der Erledigung.
Durch strenge Fernhaltung inhaltsloser Formen, durch
ein verständiges Beweissystem, welches an geeigneten
Stellen, namentlich in Strafsachen, eine Entscheidung
nach moralischer Ueberzeugung gestattet, durch Ausschluß
überzahlreicher und mehr zur Verschleppung als zur Wahr-
heitsauffindung geeigneter Rechtsmittel, endlich durch Be-
schränkung der Instanzen auf das nothwendige Maß läßt
sich zur Erreichung beider Anforderungen Bedeutendes leisten.
42*
b. Wie nothwendig es iſt, die Richter mittelſt aller erlaubter
Mittel unabhängig von ungeſetzlichem Einfluſſe, ſelbſt-
ſtändig im Amte und ſicher gegen Verſuchungen zu ſtellen,
bedarf nicht erſt eines Beweiſes. Hierzu dient nun aller-
dings in erſter Linie die Sicherſtellung im Amte; allein
es bedarf doch noch mehr. Zunächſt eines genügenden
Auskommens, damit nicht häusliche Noth zu Beſtechlich-
keit oder zu gewiſſenloſer Nachgiebigkeit gegen die Regie-
rung bewege. Sodann ein Syſtem der Beförderungen
und Begünſtigungen (durch Gehaltszulagen u. ſ. w.),
welches der Willkür möglichſt geringen Spielraum läßt.
Endlich und hauptſächlich aber gibt Oeffentlichkeit des
gerichtlichen Verfahrens eine ſo große Gewährleiſtung für
ehrenhafte und geſchickte Ausübung des Amtes, daß ſie
ſchon aus dieſem Grunde allein eingeführt werden müßte.
Wenn aber in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten die volle
Oeffentlichkeit aus Rückſicht auf die Parteien nicht paſſend
erſcheinen ſollte, ſo läßt ſich der Nutzen zum großen Theile
auch ſchon durch eine beſchränktere Zulaſſung zu den Ge-
richtsſchranken erreichen.
c. Das gerichtliche Verfahren hat zwei nicht ganz leicht zu
vereinigende Forderungen zu berückſichtigen: die der
Gründlichkeit in Herſtellung der Thatſachen und Be-
weiſe; und die der Schnelligkeit der Erledigung.
Durch ſtrenge Fernhaltung inhaltsloſer Formen, durch
ein verſtändiges Beweisſyſtem, welches an geeigneten
Stellen, namentlich in Strafſachen, eine Entſcheidung
nach moraliſcher Ueberzeugung geſtattet, durch Ausſchluß
überzahlreicher und mehr zur Verſchleppung als zur Wahr-
heitsauffindung geeigneter Rechtsmittel, endlich durch Be-
ſchränkung der Inſtanzen auf das nothwendige Maß läßt
ſich zur Erreichung beider Anforderungen Bedeutendes leiſten.
42*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0673" n="659"/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Wie nothwendig es i&#x017F;t, die Richter mittel&#x017F;t aller erlaubter<lb/>
Mittel <hi rendition="#g">unabhängig</hi> von unge&#x017F;etzlichem Einflu&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tändig im Amte und &#x017F;icher gegen Ver&#x017F;uchungen zu &#x017F;tellen,<lb/>
bedarf nicht er&#x017F;t eines Bewei&#x017F;es. Hierzu dient nun aller-<lb/>
dings in er&#x017F;ter Linie die Sicher&#x017F;tellung im Amte; allein<lb/>
es bedarf doch noch mehr. Zunäch&#x017F;t eines genügenden<lb/>
Auskommens, damit nicht häusliche Noth zu Be&#x017F;techlich-<lb/>
keit oder zu gewi&#x017F;&#x017F;enlo&#x017F;er Nachgiebigkeit gegen die Regie-<lb/>
rung bewege. Sodann ein Sy&#x017F;tem der Beförderungen<lb/>
und Begün&#x017F;tigungen (durch Gehaltszulagen u. &#x017F;. w.),<lb/>
welches der Willkür möglich&#x017F;t geringen Spielraum läßt.<lb/>
Endlich und haupt&#x017F;ächlich aber gibt Oeffentlichkeit des<lb/>
gerichtlichen Verfahrens eine &#x017F;o große Gewährlei&#x017F;tung für<lb/>
ehrenhafte und ge&#x017F;chickte Ausübung des Amtes, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon aus die&#x017F;em Grunde allein eingeführt werden müßte.<lb/>
Wenn aber in bürgerlichen Rechts&#x017F;treitigkeiten die volle<lb/>
Oeffentlichkeit aus Rück&#x017F;icht auf die Parteien nicht pa&#x017F;&#x017F;end<lb/>
er&#x017F;cheinen &#x017F;ollte, &#x017F;o läßt &#x017F;ich der Nutzen zum großen Theile<lb/>
auch &#x017F;chon durch eine be&#x017F;chränktere Zula&#x017F;&#x017F;ung zu den Ge-<lb/>
richts&#x017F;chranken erreichen.</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Das gerichtliche Verfahren hat zwei nicht ganz leicht zu<lb/>
vereinigende Forderungen zu berück&#x017F;ichtigen: die der<lb/><hi rendition="#g">Gründlichkeit</hi> in Her&#x017F;tellung der That&#x017F;achen und Be-<lb/>
wei&#x017F;e; und die der <hi rendition="#g">Schnelligkeit</hi> der Erledigung.<lb/>
Durch &#x017F;trenge Fernhaltung inhaltslo&#x017F;er Formen, durch<lb/>
ein ver&#x017F;tändiges Beweis&#x017F;y&#x017F;tem, welches an geeigneten<lb/>
Stellen, namentlich in Straf&#x017F;achen, eine Ent&#x017F;cheidung<lb/>
nach morali&#x017F;cher Ueberzeugung ge&#x017F;tattet, durch Aus&#x017F;chluß<lb/>
überzahlreicher und mehr zur Ver&#x017F;chleppung als zur Wahr-<lb/>
heitsauffindung geeigneter Rechtsmittel, endlich durch Be-<lb/>
&#x017F;chränkung der In&#x017F;tanzen auf das nothwendige Maß läßt<lb/>
&#x017F;ich zur Erreichung beider Anforderungen Bedeutendes lei&#x017F;ten.</item>
                </list><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">42*</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[659/0673] b. Wie nothwendig es iſt, die Richter mittelſt aller erlaubter Mittel unabhängig von ungeſetzlichem Einfluſſe, ſelbſt- ſtändig im Amte und ſicher gegen Verſuchungen zu ſtellen, bedarf nicht erſt eines Beweiſes. Hierzu dient nun aller- dings in erſter Linie die Sicherſtellung im Amte; allein es bedarf doch noch mehr. Zunächſt eines genügenden Auskommens, damit nicht häusliche Noth zu Beſtechlich- keit oder zu gewiſſenloſer Nachgiebigkeit gegen die Regie- rung bewege. Sodann ein Syſtem der Beförderungen und Begünſtigungen (durch Gehaltszulagen u. ſ. w.), welches der Willkür möglichſt geringen Spielraum läßt. Endlich und hauptſächlich aber gibt Oeffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens eine ſo große Gewährleiſtung für ehrenhafte und geſchickte Ausübung des Amtes, daß ſie ſchon aus dieſem Grunde allein eingeführt werden müßte. Wenn aber in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten die volle Oeffentlichkeit aus Rückſicht auf die Parteien nicht paſſend erſcheinen ſollte, ſo läßt ſich der Nutzen zum großen Theile auch ſchon durch eine beſchränktere Zulaſſung zu den Ge- richtsſchranken erreichen. c. Das gerichtliche Verfahren hat zwei nicht ganz leicht zu vereinigende Forderungen zu berückſichtigen: die der Gründlichkeit in Herſtellung der Thatſachen und Be- weiſe; und die der Schnelligkeit der Erledigung. Durch ſtrenge Fernhaltung inhaltsloſer Formen, durch ein verſtändiges Beweisſyſtem, welches an geeigneten Stellen, namentlich in Strafſachen, eine Entſcheidung nach moraliſcher Ueberzeugung geſtattet, durch Ausſchluß überzahlreicher und mehr zur Verſchleppung als zur Wahr- heitsauffindung geeigneter Rechtsmittel, endlich durch Be- ſchränkung der Inſtanzen auf das nothwendige Maß läßt ſich zur Erreichung beider Anforderungen Bedeutendes leiſten. 42*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/673
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/673>, abgerufen am 18.05.2024.