von der ebenfalls gewählten Obrigkeit angewendet. Daß dagegen nicht nur in einer Despotie, sondern auch in einer absoluten Monarchie keine dieser Anstalten zur Beschränkung des Staats- oberhauptes stattfinden kann, liegt schon im Begriffe solcher Staaten. Ebenso ist einleuchtend, daß Unterthanen-Kritik mit dem göttlichen Gebote in der Theokratie, auch wenn es durch Menschenmund vermittelt wird, nicht wohl verträglich, für den Gläubigen freilich auch nicht nöthig ist. In der reinen Volks- herrschaft endlich hat das Volk zwar wohl seine eigenen Lei- denschaften nicht aber ein formelles Unrecht zu fürchten, und bedarf also auch keines Schutzes dagegen.
3. Wie in allen menschlichen Verhältnissen, so mag auch hinsichtlich der Wahrung der staatsbürgerlichen Rechte ein richtig berechnetes System von Strafen gute Wirkung thun. Daß es jedoch, außer einer entsprechenden Abstufung der Strafübel, vorzugsweise eines einsichtsvollen und unerschrockenen Klägers und eines selbstständigen und mit der gehörigen Macht ausge- rüsteten Richters bedarf, ist nicht erst zu erweisen; leider ist namentlich die letztere Forderung in einer Anwendung auf ungesetzliche Regierungshandlungen sehr schwer zu erfüllen. -- Hinsichtlich des Klägers steht vor Allem fest, daß nicht jedem Einzelnen aus dem Volke eine alsbald gerichtlich weiter zu verfolgende Klage zustehen kann. Eine solche Ausdehnung des Klagerechtes könnte zum schreiendsten Mißbrauche führen und die Bekleidung höherer Staatsämter ganz unmöglich machen, da auch der tüchtigste und rechtlichste Mann aus schlechten Gründen aller Art mit unerträglichem Zeitverluste und Verdrusse überschüttet werden könnte. Die angebliche Beschwerde des Ein- zelnen muß erst von einer dazu bestimmten Behörde geprüft und von derselben aufgenommen sein, wenn sie Wirkung haben soll. Diese Behörde mag denn nun aber eigens dazu bestimmt sein, oder kann die zur Vertheidigung der Volksrechte sonst
v. Mohl, Encyclopädie. 41
von der ebenfalls gewählten Obrigkeit angewendet. Daß dagegen nicht nur in einer Deſpotie, ſondern auch in einer abſoluten Monarchie keine dieſer Anſtalten zur Beſchränkung des Staats- oberhauptes ſtattfinden kann, liegt ſchon im Begriffe ſolcher Staaten. Ebenſo iſt einleuchtend, daß Unterthanen-Kritik mit dem göttlichen Gebote in der Theokratie, auch wenn es durch Menſchenmund vermittelt wird, nicht wohl verträglich, für den Gläubigen freilich auch nicht nöthig iſt. In der reinen Volks- herrſchaft endlich hat das Volk zwar wohl ſeine eigenen Lei- denſchaften nicht aber ein formelles Unrecht zu fürchten, und bedarf alſo auch keines Schutzes dagegen.
3. Wie in allen menſchlichen Verhältniſſen, ſo mag auch hinſichtlich der Wahrung der ſtaatsbürgerlichen Rechte ein richtig berechnetes Syſtem von Strafen gute Wirkung thun. Daß es jedoch, außer einer entſprechenden Abſtufung der Strafübel, vorzugsweiſe eines einſichtsvollen und unerſchrockenen Klägers und eines ſelbſtſtändigen und mit der gehörigen Macht ausge- rüſteten Richters bedarf, iſt nicht erſt zu erweiſen; leider iſt namentlich die letztere Forderung in einer Anwendung auf ungeſetzliche Regierungshandlungen ſehr ſchwer zu erfüllen. — Hinſichtlich des Klägers ſteht vor Allem feſt, daß nicht jedem Einzelnen aus dem Volke eine alsbald gerichtlich weiter zu verfolgende Klage zuſtehen kann. Eine ſolche Ausdehnung des Klagerechtes könnte zum ſchreiendſten Mißbrauche führen und die Bekleidung höherer Staatsämter ganz unmöglich machen, da auch der tüchtigſte und rechtlichſte Mann aus ſchlechten Gründen aller Art mit unerträglichem Zeitverluſte und Verdruſſe überſchüttet werden könnte. Die angebliche Beſchwerde des Ein- zelnen muß erſt von einer dazu beſtimmten Behörde geprüft und von derſelben aufgenommen ſein, wenn ſie Wirkung haben ſoll. Dieſe Behörde mag denn nun aber eigens dazu beſtimmt ſein, oder kann die zur Vertheidigung der Volksrechte ſonſt
v. Mohl, Encyclopädie. 41
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von der ebenfalls gewählten Obrigkeit angewendet. Daß dagegen
nicht nur in einer Deſpotie, ſondern auch in einer abſoluten
Monarchie keine dieſer Anſtalten zur Beſchränkung des Staats-
oberhauptes ſtattfinden kann, liegt ſchon im Begriffe ſolcher
Staaten. Ebenſo iſt einleuchtend, daß Unterthanen-Kritik mit
dem göttlichen Gebote in der Theokratie, auch wenn es durch
Menſchenmund vermittelt wird, nicht wohl verträglich, für den
Gläubigen freilich auch nicht nöthig iſt. In der reinen Volks-
herrſchaft endlich hat das Volk zwar wohl ſeine eigenen Lei-
denſchaften nicht aber ein formelles Unrecht zu fürchten, und
bedarf alſo auch keines Schutzes dagegen.
3. Wie in allen menſchlichen Verhältniſſen, ſo mag auch
hinſichtlich der Wahrung der ſtaatsbürgerlichen Rechte ein richtig
berechnetes Syſtem von Strafen gute Wirkung thun. Daß
es jedoch, außer einer entſprechenden Abſtufung der Strafübel,
vorzugsweiſe eines einſichtsvollen und unerſchrockenen Klägers
und eines ſelbſtſtändigen und mit der gehörigen Macht ausge-
rüſteten Richters bedarf, iſt nicht erſt zu erweiſen; leider iſt
namentlich die letztere Forderung in einer Anwendung auf
ungeſetzliche Regierungshandlungen ſehr ſchwer zu erfüllen. —
Hinſichtlich des Klägers ſteht vor Allem feſt, daß nicht jedem
Einzelnen aus dem Volke eine alsbald gerichtlich weiter zu
verfolgende Klage zuſtehen kann. Eine ſolche Ausdehnung des
Klagerechtes könnte zum ſchreiendſten Mißbrauche führen und
die Bekleidung höherer Staatsämter ganz unmöglich machen,
da auch der tüchtigſte und rechtlichſte Mann aus ſchlechten
Gründen aller Art mit unerträglichem Zeitverluſte und Verdruſſe
überſchüttet werden könnte. Die angebliche Beſchwerde des Ein-
zelnen muß erſt von einer dazu beſtimmten Behörde geprüft
und von derſelben aufgenommen ſein, wenn ſie Wirkung haben
ſoll. Dieſe Behörde mag denn nun aber eigens dazu beſtimmt
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/655>, abgerufen am 24.11.2024.
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