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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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sein, diese aber führt nothwendig zu Verwirrung. Die reprä-
sentative Monarchie aber als eine Mischung der genannten
drei Staatsformen zu erklären, heißt das Wesen derselben ver-
kennen und mit Worten spielen. Nur in Einem Falle mag
etwa eine wirkliche Mischung von verschiedenartigen Gewalten
sich empfehlen, zwar nicht grundsätzlich und für die Dauer,
aber doch als nächstes Auskunftsmittel; nämlich als ein
Vergleich nach hartem und unentschiedenem Kampfe der Par-
teien 6).

1) Wie zweckmäßig die Feststellung einer Civilliste erscheinen mag:
nimmermehr wird sie in einem hausherrlichen Staate eingeführt werden
können, da sie geradezu den Grundgedanken stört. Auf den Nutzen einer
allgemeinen Lehr- und Lernfreiheit, auf Gewissensfreiheit muß in einer
Theokratie verzichtet werden. In einem Rechtsstaate sind dagegen Kasten
(falls man diese etwa für zuträglich erachten sollte) ganz unmöglich.
2) Unbeschränkte Monarchie und durch Stände beschränkte Monarchie
sind Unterarten derselben Staatsform; dennoch ist es nicht räthlich, Pro-
vinzialvertretungen aus der letzteren in die erstere zu übertragen, weil sie
in jener mannchfachen Nutzen gewähren. Sie gehen gegen den Grundge-
danken des Unterschiedes, nämlich gegen die Unbeschränktheit der fürstlichen
Gewalt. -- Dem gewählten Präsidenten einer repräsentativen Demokratie
kann das unbedingte Veto eines constitutionellen Fürsten nicht zugetheilt
werden, da er kein Recht gegen den erklärten, mittelbaren oder unmittel-
baren, Willen des Volkes hat. -- Eine Modification wenigstens wird das
einem Fürsten zustehende Begnadigungsrecht in den Händen eines solchen
Präsidenten erleiden müssen, damit es nicht zu Parteizwecken mißbraucht
oder gar seine Anwendung bei schwächerer Gewalt abgetrotzt werde.
3) In einer absoluten Monarchie kann der Nutzen einer vielseitigen
Erwägung der Gesetzesentwürfe nicht etwa durch Schaffung blos berathender
Stände erreicht werden. Einerseits würden diese den Zweck nicht ganz er-
reichen, und andererseits doch ein gefährlicher Anfang zur Beschränkung sein.
Hier muß also die durch die Mitwirkung von Ständen erreichbare allseitige
Durchdenkung der Gesetzesentwürfe so viel möglich durch einen zahlreich und
verschiedenartig besetzten Staatsrath angestrebt werden, oder durch Auffor-
derung der Sachverständigen zur Kritik. Die in einer Monarchie mögliche
Zulassung aller Befähigten zu den Staatsämtern kann in einer Aristokratie
nicht stattfinden, damit nicht von Verräthern die Herrschaft entwunden
werde. Hier muß also die nothwendige Auswahl für die Aemter durch eine

ſein, dieſe aber führt nothwendig zu Verwirrung. Die reprä-
ſentative Monarchie aber als eine Miſchung der genannten
drei Staatsformen zu erklären, heißt das Weſen derſelben ver-
kennen und mit Worten ſpielen. Nur in Einem Falle mag
etwa eine wirkliche Miſchung von verſchiedenartigen Gewalten
ſich empfehlen, zwar nicht grundſätzlich und für die Dauer,
aber doch als nächſtes Auskunftsmittel; nämlich als ein
Vergleich nach hartem und unentſchiedenem Kampfe der Par-
teien 6).

1) Wie zweckmäßig die Feſtſtellung einer Civilliſte erſcheinen mag:
nimmermehr wird ſie in einem hausherrlichen Staate eingeführt werden
können, da ſie geradezu den Grundgedanken ſtört. Auf den Nutzen einer
allgemeinen Lehr- und Lernfreiheit, auf Gewiſſensfreiheit muß in einer
Theokratie verzichtet werden. In einem Rechtsſtaate ſind dagegen Kaſten
(falls man dieſe etwa für zuträglich erachten ſollte) ganz unmöglich.
2) Unbeſchränkte Monarchie und durch Stände beſchränkte Monarchie
ſind Unterarten derſelben Staatsform; dennoch iſt es nicht räthlich, Pro-
vinzialvertretungen aus der letzteren in die erſtere zu übertragen, weil ſie
in jener mannchfachen Nutzen gewähren. Sie gehen gegen den Grundge-
danken des Unterſchiedes, nämlich gegen die Unbeſchränktheit der fürſtlichen
Gewalt. — Dem gewählten Präſidenten einer repräſentativen Demokratie
kann das unbedingte Veto eines conſtitutionellen Fürſten nicht zugetheilt
werden, da er kein Recht gegen den erklärten, mittelbaren oder unmittel-
baren, Willen des Volkes hat. — Eine Modification wenigſtens wird das
einem Fürſten zuſtehende Begnadigungsrecht in den Händen eines ſolchen
Präſidenten erleiden müſſen, damit es nicht zu Parteizwecken mißbraucht
oder gar ſeine Anwendung bei ſchwächerer Gewalt abgetrotzt werde.
3) In einer abſoluten Monarchie kann der Nutzen einer vielſeitigen
Erwägung der Geſetzesentwürfe nicht etwa durch Schaffung blos berathender
Stände erreicht werden. Einerſeits würden dieſe den Zweck nicht ganz er-
reichen, und andererſeits doch ein gefährlicher Anfang zur Beſchränkung ſein.
Hier muß alſo die durch die Mitwirkung von Ständen erreichbare allſeitige
Durchdenkung der Geſetzesentwürfe ſo viel möglich durch einen zahlreich und
verſchiedenartig beſetzten Staatsrath angeſtrebt werden, oder durch Auffor-
derung der Sachverſtändigen zur Kritik. Die in einer Monarchie mögliche
Zulaſſung aller Befähigten zu den Staatsämtern kann in einer Ariſtokratie
nicht ſtattfinden, damit nicht von Verräthern die Herrſchaft entwunden
werde. Hier muß alſo die nothwendige Auswahl für die Aemter durch eine
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[603/0617] ſein, dieſe aber führt nothwendig zu Verwirrung. Die reprä- ſentative Monarchie aber als eine Miſchung der genannten drei Staatsformen zu erklären, heißt das Weſen derſelben ver- kennen und mit Worten ſpielen. Nur in Einem Falle mag etwa eine wirkliche Miſchung von verſchiedenartigen Gewalten ſich empfehlen, zwar nicht grundſätzlich und für die Dauer, aber doch als nächſtes Auskunftsmittel; nämlich als ein Vergleich nach hartem und unentſchiedenem Kampfe der Par- teien 6). ¹⁾ Wie zweckmäßig die Feſtſtellung einer Civilliſte erſcheinen mag: nimmermehr wird ſie in einem hausherrlichen Staate eingeführt werden können, da ſie geradezu den Grundgedanken ſtört. Auf den Nutzen einer allgemeinen Lehr- und Lernfreiheit, auf Gewiſſensfreiheit muß in einer Theokratie verzichtet werden. In einem Rechtsſtaate ſind dagegen Kaſten (falls man dieſe etwa für zuträglich erachten ſollte) ganz unmöglich. ²⁾ Unbeſchränkte Monarchie und durch Stände beſchränkte Monarchie ſind Unterarten derſelben Staatsform; dennoch iſt es nicht räthlich, Pro- vinzialvertretungen aus der letzteren in die erſtere zu übertragen, weil ſie in jener mannchfachen Nutzen gewähren. Sie gehen gegen den Grundge- danken des Unterſchiedes, nämlich gegen die Unbeſchränktheit der fürſtlichen Gewalt. — Dem gewählten Präſidenten einer repräſentativen Demokratie kann das unbedingte Veto eines conſtitutionellen Fürſten nicht zugetheilt werden, da er kein Recht gegen den erklärten, mittelbaren oder unmittel- baren, Willen des Volkes hat. — Eine Modification wenigſtens wird das einem Fürſten zuſtehende Begnadigungsrecht in den Händen eines ſolchen Präſidenten erleiden müſſen, damit es nicht zu Parteizwecken mißbraucht oder gar ſeine Anwendung bei ſchwächerer Gewalt abgetrotzt werde. ³⁾ In einer abſoluten Monarchie kann der Nutzen einer vielſeitigen Erwägung der Geſetzesentwürfe nicht etwa durch Schaffung blos berathender Stände erreicht werden. Einerſeits würden dieſe den Zweck nicht ganz er- reichen, und andererſeits doch ein gefährlicher Anfang zur Beſchränkung ſein. Hier muß alſo die durch die Mitwirkung von Ständen erreichbare allſeitige Durchdenkung der Geſetzesentwürfe ſo viel möglich durch einen zahlreich und verſchiedenartig beſetzten Staatsrath angeſtrebt werden, oder durch Auffor- derung der Sachverſtändigen zur Kritik. Die in einer Monarchie mögliche Zulaſſung aller Befähigten zu den Staatsämtern kann in einer Ariſtokratie nicht ſtattfinden, damit nicht von Verräthern die Herrſchaft entwunden werde. Hier muß alſo die nothwendige Auswahl für die Aemter durch eine

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/617>, abgerufen am 24.11.2024.