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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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munismus und Sozialismus vernünftigerweise ganz außer Frage
stehen, so bleibt allerdings nur das System der freien Mit-
werbung übrig als Grundlage für ein richtiges Verhalten des
Staates. Aber damit ist nicht gesagt, daß die unläugbaren
und großen Schattenseiten desselben ohne Versuch einer Ver-
besserung gelassen oder nur mit den äußerlichen und unzu-
reichenden Vorkehrungen des Wohlwollens bekämpft werden
dürfen. Vielmehr sind drei Forderungen zu stellen: 1. billige
Berücksichtigung der Arbeiter bei der Vertheilung des Gewinnes;
2. erleichterte Ueberlassung von Kapital an persönlich tüchtige
aber zu keiner sachlichen Sicherheitsleistung befähigte Gewerbende;
3. Sorge der Gesammtheit für arbeitsunfähig Gewordene. Die
richtigen Mittel zu Erreichung dieser Zwecke sind allerdings noch
nicht gefunden; es ist somit besser, die endliche Entdeckung
derselben abzuwarten, als durch halbe oder verkehrte Maß-
regeln Uebel und Gefahren fortzupflanzen, wo nicht gar zu
erhöhen.

II. Nicht blos das System des Vermögens, sondern
auch die Größe desselben ist von politischer Bedeutung; und
zwar sowohl die Größe des Staatsvermögens, als die des
Besitzes der Einzelnen.

Daß der Staat eine seinen Ausgaben entsprechende Ein-
nahme
haben muß, bedarf keines Beweises. Je nachdem also
jene gestellt sind, ist auch für die Beibringung entsprechender
Mittel zu sorgen. Im Uebrigen ist allerdings in dieser Be-
ziehung ein sehr großer Unterschied unter den verschiedenen
Staatsgattungen. Diejenigen derselben, welche niedereren Ge-
sittigungsstufen entsprechen, namentlich also die Patriarchie und
der Patrimonialstaat, haben auch nur Weniges zu leisten, und
es ist daher auch kein bedeutendes Staatsvermögen nöthig 8).
Auch in einer Despotie verlangt das Wesen der Einrichtung
an sich nicht mit Nothwendigkeit bedeutende Mittel; doch mag

munismus und Sozialismus vernünftigerweiſe ganz außer Frage
ſtehen, ſo bleibt allerdings nur das Syſtem der freien Mit-
werbung übrig als Grundlage für ein richtiges Verhalten des
Staates. Aber damit iſt nicht geſagt, daß die unläugbaren
und großen Schattenſeiten deſſelben ohne Verſuch einer Ver-
beſſerung gelaſſen oder nur mit den äußerlichen und unzu-
reichenden Vorkehrungen des Wohlwollens bekämpft werden
dürfen. Vielmehr ſind drei Forderungen zu ſtellen: 1. billige
Berückſichtigung der Arbeiter bei der Vertheilung des Gewinnes;
2. erleichterte Ueberlaſſung von Kapital an perſönlich tüchtige
aber zu keiner ſachlichen Sicherheitsleiſtung befähigte Gewerbende;
3. Sorge der Geſammtheit für arbeitsunfähig Gewordene. Die
richtigen Mittel zu Erreichung dieſer Zwecke ſind allerdings noch
nicht gefunden; es iſt ſomit beſſer, die endliche Entdeckung
derſelben abzuwarten, als durch halbe oder verkehrte Maß-
regeln Uebel und Gefahren fortzupflanzen, wo nicht gar zu
erhöhen.

II. Nicht blos das Syſtem des Vermögens, ſondern
auch die Größe deſſelben iſt von politiſcher Bedeutung; und
zwar ſowohl die Größe des Staatsvermögens, als die des
Beſitzes der Einzelnen.

Daß der Staat eine ſeinen Ausgaben entſprechende Ein-
nahme
haben muß, bedarf keines Beweiſes. Je nachdem alſo
jene geſtellt ſind, iſt auch für die Beibringung entſprechender
Mittel zu ſorgen. Im Uebrigen iſt allerdings in dieſer Be-
ziehung ein ſehr großer Unterſchied unter den verſchiedenen
Staatsgattungen. Diejenigen derſelben, welche niedereren Ge-
ſittigungsſtufen entſprechen, namentlich alſo die Patriarchie und
der Patrimonialſtaat, haben auch nur Weniges zu leiſten, und
es iſt daher auch kein bedeutendes Staatsvermögen nöthig 8).
Auch in einer Deſpotie verlangt das Weſen der Einrichtung
an ſich nicht mit Nothwendigkeit bedeutende Mittel; doch mag

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[591/0605] munismus und Sozialismus vernünftigerweiſe ganz außer Frage ſtehen, ſo bleibt allerdings nur das Syſtem der freien Mit- werbung übrig als Grundlage für ein richtiges Verhalten des Staates. Aber damit iſt nicht geſagt, daß die unläugbaren und großen Schattenſeiten deſſelben ohne Verſuch einer Ver- beſſerung gelaſſen oder nur mit den äußerlichen und unzu- reichenden Vorkehrungen des Wohlwollens bekämpft werden dürfen. Vielmehr ſind drei Forderungen zu ſtellen: 1. billige Berückſichtigung der Arbeiter bei der Vertheilung des Gewinnes; 2. erleichterte Ueberlaſſung von Kapital an perſönlich tüchtige aber zu keiner ſachlichen Sicherheitsleiſtung befähigte Gewerbende; 3. Sorge der Geſammtheit für arbeitsunfähig Gewordene. Die richtigen Mittel zu Erreichung dieſer Zwecke ſind allerdings noch nicht gefunden; es iſt ſomit beſſer, die endliche Entdeckung derſelben abzuwarten, als durch halbe oder verkehrte Maß- regeln Uebel und Gefahren fortzupflanzen, wo nicht gar zu erhöhen. II. Nicht blos das Syſtem des Vermögens, ſondern auch die Größe deſſelben iſt von politiſcher Bedeutung; und zwar ſowohl die Größe des Staatsvermögens, als die des Beſitzes der Einzelnen. Daß der Staat eine ſeinen Ausgaben entſprechende Ein- nahme haben muß, bedarf keines Beweiſes. Je nachdem alſo jene geſtellt ſind, iſt auch für die Beibringung entſprechender Mittel zu ſorgen. Im Uebrigen iſt allerdings in dieſer Be- ziehung ein ſehr großer Unterſchied unter den verſchiedenen Staatsgattungen. Diejenigen derſelben, welche niedereren Ge- ſittigungsſtufen entſprechen, namentlich alſo die Patriarchie und der Patrimonialſtaat, haben auch nur Weniges zu leiſten, und es iſt daher auch kein bedeutendes Staatsvermögen nöthig 8). Auch in einer Deſpotie verlangt das Weſen der Einrichtung an ſich nicht mit Nothwendigkeit bedeutende Mittel; doch mag

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/605>, abgerufen am 24.11.2024.