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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Wenn nämlich die Güte einer Maßregel vor Allem davon ab-
hängt, daß sie mit dem Zwecke der zu fördernden Anstalt
übereinstimmt und diesen begünstigt; und wenn ferner nur in
seltenen Fällen eine und dieselbe Handlungsweise gleich passend
für verschiedene Zwecke ist: so ist einleuchtend, daß die Ver-
schiedenheit des Staatsgedankens und des Staatsrechtes auch
eine ebenso große Verschiedenheit der zu ihrer Befestigung und
Förderung dienenden Mittel erfordert. Mag man auch zugeben,
daß einzelne Erörterungen und Regeln überall passen, weil sie
entweder überhaupt eine richtige Behandlung der Menschen lehren,
deren Natur stets dieselbe ist; oder weil sie Zustände betreffen,
in welchen die Verschiedenheit des Staatszweckes weniger her-
vortritt, wie z. B. bei den Verhältnissen zu fremden Staaten;
oder endlich, aber am seltensten, weil eine und dieselbe Ein-
richtung für alle Staatsformen paßt: so bleibt dies Alles doch
immer nur Ausnahme. Je genauer in die Einzelheiten des
Staatslebens eingegangen und für jede derselben die zweckmäßige
Handlungsweise aufgesucht wird, desto schärfer und unabweis-
barer treten die Folgerungen der ursprünglichen Verschiedenheit
hervor und desto weniger kann man sich dem Wahne überlassen,
durch ein einziges System die Forderungen der Wirklichkeit an
eine richtige Staatskunst zu erledigen. Weit eher in der That
ließe sich noch Ein Recht für verschiedene Staatsarten, als eine
gleich gute Politik für dieselben denken.

Es ist daher durchaus nothwendig, daß eine umfassende
wissenschaftliche Bearbeitung der Staatskunst in so viele Lehren
zerfalle, als sich Arten von Staaten unterscheiden lassen; wobei
denn allerdings nicht nur die Unterarten einer und derselben
Gattung in vielen und gerade in den wichtigsten Beziehungen
übereinstimmen werden, sondern auch einige allgemeine Grund-
lehren für sämmtliche Gestaltungen des Staatsgedankens sich
ergeben. Die Art und Weise der Behandlung mag übrigens

Wenn nämlich die Güte einer Maßregel vor Allem davon ab-
hängt, daß ſie mit dem Zwecke der zu fördernden Anſtalt
übereinſtimmt und dieſen begünſtigt; und wenn ferner nur in
ſeltenen Fällen eine und dieſelbe Handlungsweiſe gleich paſſend
für verſchiedene Zwecke iſt: ſo iſt einleuchtend, daß die Ver-
ſchiedenheit des Staatsgedankens und des Staatsrechtes auch
eine ebenſo große Verſchiedenheit der zu ihrer Befeſtigung und
Förderung dienenden Mittel erfordert. Mag man auch zugeben,
daß einzelne Erörterungen und Regeln überall paſſen, weil ſie
entweder überhaupt eine richtige Behandlung der Menſchen lehren,
deren Natur ſtets dieſelbe iſt; oder weil ſie Zuſtände betreffen,
in welchen die Verſchiedenheit des Staatszweckes weniger her-
vortritt, wie z. B. bei den Verhältniſſen zu fremden Staaten;
oder endlich, aber am ſeltenſten, weil eine und dieſelbe Ein-
richtung für alle Staatsformen paßt: ſo bleibt dies Alles doch
immer nur Ausnahme. Je genauer in die Einzelheiten des
Staatslebens eingegangen und für jede derſelben die zweckmäßige
Handlungsweiſe aufgeſucht wird, deſto ſchärfer und unabweis-
barer treten die Folgerungen der urſprünglichen Verſchiedenheit
hervor und deſto weniger kann man ſich dem Wahne überlaſſen,
durch ein einziges Syſtem die Forderungen der Wirklichkeit an
eine richtige Staatskunſt zu erledigen. Weit eher in der That
ließe ſich noch Ein Recht für verſchiedene Staatsarten, als eine
gleich gute Politik für dieſelben denken.

Es iſt daher durchaus nothwendig, daß eine umfaſſende
wiſſenſchaftliche Bearbeitung der Staatskunſt in ſo viele Lehren
zerfalle, als ſich Arten von Staaten unterſcheiden laſſen; wobei
denn allerdings nicht nur die Unterarten einer und derſelben
Gattung in vielen und gerade in den wichtigſten Beziehungen
übereinſtimmen werden, ſondern auch einige allgemeine Grund-
lehren für ſämmtliche Geſtaltungen des Staatsgedankens ſich
ergeben. Die Art und Weiſe der Behandlung mag übrigens

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[553/0567] Wenn nämlich die Güte einer Maßregel vor Allem davon ab- hängt, daß ſie mit dem Zwecke der zu fördernden Anſtalt übereinſtimmt und dieſen begünſtigt; und wenn ferner nur in ſeltenen Fällen eine und dieſelbe Handlungsweiſe gleich paſſend für verſchiedene Zwecke iſt: ſo iſt einleuchtend, daß die Ver- ſchiedenheit des Staatsgedankens und des Staatsrechtes auch eine ebenſo große Verſchiedenheit der zu ihrer Befeſtigung und Förderung dienenden Mittel erfordert. Mag man auch zugeben, daß einzelne Erörterungen und Regeln überall paſſen, weil ſie entweder überhaupt eine richtige Behandlung der Menſchen lehren, deren Natur ſtets dieſelbe iſt; oder weil ſie Zuſtände betreffen, in welchen die Verſchiedenheit des Staatszweckes weniger her- vortritt, wie z. B. bei den Verhältniſſen zu fremden Staaten; oder endlich, aber am ſeltenſten, weil eine und dieſelbe Ein- richtung für alle Staatsformen paßt: ſo bleibt dies Alles doch immer nur Ausnahme. Je genauer in die Einzelheiten des Staatslebens eingegangen und für jede derſelben die zweckmäßige Handlungsweiſe aufgeſucht wird, deſto ſchärfer und unabweis- barer treten die Folgerungen der urſprünglichen Verſchiedenheit hervor und deſto weniger kann man ſich dem Wahne überlaſſen, durch ein einziges Syſtem die Forderungen der Wirklichkeit an eine richtige Staatskunſt zu erledigen. Weit eher in der That ließe ſich noch Ein Recht für verſchiedene Staatsarten, als eine gleich gute Politik für dieſelben denken. Es iſt daher durchaus nothwendig, daß eine umfaſſende wiſſenſchaftliche Bearbeitung der Staatskunſt in ſo viele Lehren zerfalle, als ſich Arten von Staaten unterſcheiden laſſen; wobei denn allerdings nicht nur die Unterarten einer und derſelben Gattung in vielen und gerade in den wichtigſten Beziehungen übereinſtimmen werden, ſondern auch einige allgemeine Grund- lehren für ſämmtliche Geſtaltungen des Staatsgedankens ſich ergeben. Die Art und Weiſe der Behandlung mag übrigens

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/567>, abgerufen am 24.11.2024.