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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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noch folgende besondere Werke zu merken: Garve, Ch., Verbindung der
Moral und Politik. Breslau, 1788. -- Berg, G. H. von, Versuch
über das Verhältniß der Moral zur Politik I. II., Heilbronn, 1790. --
Droz, G., Applications de la morale a la politique. Paris, 1815. --
Lieber, F., Political ethics. I. II. Boston,
1839.
2) Beispiele von zweckmäßigem Unrecht in Nothfällen sind: Dictatur,
auch wo sie der Verfassung unbekannt ist; caveant Consules, ne res-
publica detrimentum capiat;
Suspension von Verfassungsgesetzen in
Bürgerkriegen; Erklärung einer unruhigen Provinz in Belagerungsstand,
u. s. w. -- Vgl. Grundsätze der Realpolitik. Stuttg., 1853.
3) Es ist (z. B. von Luden) der Versuch gemacht worden, eine Verschie-
denheit des Sittengesetzes für das Privatleben und für die staatliche Stellung
dadurch zu rechtfertigen, daß man die Herstellung der zweckmäßigen öffent-
lichen Zustände als die höchste sittliche Pflicht eines Regenten aufstellt, nun
aber behauptet, folgerichtig sei die Erzielung jedes zu diesem Zwecke füh-
renden Mittels ebenfalls Aufgabe, etwas Gebotenes aber könne nicht uner-
laubt sein, wie immer unter anderen Umständen darüber geurtheilt werden
müsse. Offenbar liegt hier aber eine plumpe petitio principii vor. Daß
das Staatsoberhaupt die Aufgabe hat, den Staat möglichst gut einzurichten
und zu verwalten, unterliegt allerdings keinem Zweifel; allein damit ist noch
keineswegs gesagt, daß nun auch jedes beliebige, an und für sich noch so
tadelnswerthe Mittel verwendet werden dürfe. Darum handelt es sich ja
eben, ob der Zweck das Mittel heilige? Diese Frage ist nach allgemeinem
Zugeständnisse zu verneinen für alle Verhältnisse des Privatlebens, das heißt
wo nur die Lebenszwecke Einzelner in Frage stehen; warum sie nun aber
in staatlichen Verhältnissen, also dann, wenn Viele betheiligt sind, sollte
bejaht werden müssen, ist durchaus nicht einzusehen. Nicht die Ausdehnung
der Wirkungen einer Handlung, sondern ihre innere Vernunftmäßigkeit ent-
scheidet über ihre Sittlichkeit, und eine unsittliche Handlung bleibt unter
allen Umständen eine unerlaubte. Mit derselben Logik würde man zwar
einen kleinen Diebstahl bestrafen, einen großen aber billigen.
4) Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß sich so Viele und nicht
etwa blos grundsatzlose Weltleute, sondern auch ehrliche Theoretiker zu der
Anerkennung des Grundsatzes, daß das Sittengesetz wegen politischer Vor-
theile nicht verletzt werden dürfe, nicht entschließen können; so z. B. Garve
und Berg. Ihre Ausnahmen und Beschränkungen sind auf verschiedene
Weise begründet. So will Berg wenigstens einer unsittlichen Bedrohung un-
sittliche Mittel entgegensetzen lassen; Garve aber findet eine für die Gesammtheit
überwiegend nützliche Maßregel gar nicht unsittlich, weil die Vorschriften der
Moral überhaupt nur wegen des glücklichen Zusammenlebens der Menschen
vorhanden seien. Die Irrthümer liegen jedoch zu Tage; und am wenigsten
noch folgende beſondere Werke zu merken: Garve, Ch., Verbindung der
Moral und Politik. Breslau, 1788. — Berg, G. H. von, Verſuch
über das Verhältniß der Moral zur Politik I. II., Heilbronn, 1790. —
Droz, G., Applications de la morale à la politique. Paris, 1815. —
Lieber, F., Political ethics. I. II. Boston,
1839.
2) Beiſpiele von zweckmäßigem Unrecht in Nothfällen ſind: Dictatur,
auch wo ſie der Verfaſſung unbekannt iſt; caveant Consules, ne res-
publica detrimentum capiat;
Suspenſion von Verfaſſungsgeſetzen in
Bürgerkriegen; Erklärung einer unruhigen Provinz in Belagerungsſtand,
u. ſ. w. — Vgl. Grundſätze der Realpolitik. Stuttg., 1853.
3) Es iſt (z. B. von Luden) der Verſuch gemacht worden, eine Verſchie-
denheit des Sittengeſetzes für das Privatleben und für die ſtaatliche Stellung
dadurch zu rechtfertigen, daß man die Herſtellung der zweckmäßigen öffent-
lichen Zuſtände als die höchſte ſittliche Pflicht eines Regenten aufſtellt, nun
aber behauptet, folgerichtig ſei die Erzielung jedes zu dieſem Zwecke füh-
renden Mittels ebenfalls Aufgabe, etwas Gebotenes aber könne nicht uner-
laubt ſein, wie immer unter anderen Umſtänden darüber geurtheilt werden
müſſe. Offenbar liegt hier aber eine plumpe petitio principii vor. Daß
das Staatsoberhaupt die Aufgabe hat, den Staat möglichſt gut einzurichten
und zu verwalten, unterliegt allerdings keinem Zweifel; allein damit iſt noch
keineswegs geſagt, daß nun auch jedes beliebige, an und für ſich noch ſo
tadelnswerthe Mittel verwendet werden dürfe. Darum handelt es ſich ja
eben, ob der Zweck das Mittel heilige? Dieſe Frage iſt nach allgemeinem
Zugeſtändniſſe zu verneinen für alle Verhältniſſe des Privatlebens, das heißt
wo nur die Lebenszwecke Einzelner in Frage ſtehen; warum ſie nun aber
in ſtaatlichen Verhältniſſen, alſo dann, wenn Viele betheiligt ſind, ſollte
bejaht werden müſſen, iſt durchaus nicht einzuſehen. Nicht die Ausdehnung
der Wirkungen einer Handlung, ſondern ihre innere Vernunftmäßigkeit ent-
ſcheidet über ihre Sittlichkeit, und eine unſittliche Handlung bleibt unter
allen Umſtänden eine unerlaubte. Mit derſelben Logik würde man zwar
einen kleinen Diebſtahl beſtrafen, einen großen aber billigen.
4) Es iſt eine merkwürdige Erſcheinung, daß ſich ſo Viele und nicht
etwa blos grundſatzloſe Weltleute, ſondern auch ehrliche Theoretiker zu der
Anerkennung des Grundſatzes, daß das Sittengeſetz wegen politiſcher Vor-
theile nicht verletzt werden dürfe, nicht entſchließen können; ſo z. B. Garve
und Berg. Ihre Ausnahmen und Beſchränkungen ſind auf verſchiedene
Weiſe begründet. So will Berg wenigſtens einer unſittlichen Bedrohung un-
ſittliche Mittel entgegenſetzen laſſen; Garve aber findet eine für die Geſammtheit
überwiegend nützliche Maßregel gar nicht unſittlich, weil die Vorſchriften der
Moral überhaupt nur wegen des glücklichen Zuſammenlebens der Menſchen
vorhanden ſeien. Die Irrthümer liegen jedoch zu Tage; und am wenigſten
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[550/0564] ¹⁾ noch folgende beſondere Werke zu merken: Garve, Ch., Verbindung der Moral und Politik. Breslau, 1788. — Berg, G. H. von, Verſuch über das Verhältniß der Moral zur Politik I. II., Heilbronn, 1790. — Droz, G., Applications de la morale à la politique. Paris, 1815. — Lieber, F., Political ethics. I. II. Boston, 1839. ²⁾ Beiſpiele von zweckmäßigem Unrecht in Nothfällen ſind: Dictatur, auch wo ſie der Verfaſſung unbekannt iſt; caveant Consules, ne res- publica detrimentum capiat; Suspenſion von Verfaſſungsgeſetzen in Bürgerkriegen; Erklärung einer unruhigen Provinz in Belagerungsſtand, u. ſ. w. — Vgl. Grundſätze der Realpolitik. Stuttg., 1853. ³⁾ Es iſt (z. B. von Luden) der Verſuch gemacht worden, eine Verſchie- denheit des Sittengeſetzes für das Privatleben und für die ſtaatliche Stellung dadurch zu rechtfertigen, daß man die Herſtellung der zweckmäßigen öffent- lichen Zuſtände als die höchſte ſittliche Pflicht eines Regenten aufſtellt, nun aber behauptet, folgerichtig ſei die Erzielung jedes zu dieſem Zwecke füh- renden Mittels ebenfalls Aufgabe, etwas Gebotenes aber könne nicht uner- laubt ſein, wie immer unter anderen Umſtänden darüber geurtheilt werden müſſe. Offenbar liegt hier aber eine plumpe petitio principii vor. Daß das Staatsoberhaupt die Aufgabe hat, den Staat möglichſt gut einzurichten und zu verwalten, unterliegt allerdings keinem Zweifel; allein damit iſt noch keineswegs geſagt, daß nun auch jedes beliebige, an und für ſich noch ſo tadelnswerthe Mittel verwendet werden dürfe. Darum handelt es ſich ja eben, ob der Zweck das Mittel heilige? Dieſe Frage iſt nach allgemeinem Zugeſtändniſſe zu verneinen für alle Verhältniſſe des Privatlebens, das heißt wo nur die Lebenszwecke Einzelner in Frage ſtehen; warum ſie nun aber in ſtaatlichen Verhältniſſen, alſo dann, wenn Viele betheiligt ſind, ſollte bejaht werden müſſen, iſt durchaus nicht einzuſehen. Nicht die Ausdehnung der Wirkungen einer Handlung, ſondern ihre innere Vernunftmäßigkeit ent- ſcheidet über ihre Sittlichkeit, und eine unſittliche Handlung bleibt unter allen Umſtänden eine unerlaubte. Mit derſelben Logik würde man zwar einen kleinen Diebſtahl beſtrafen, einen großen aber billigen. ⁴⁾ Es iſt eine merkwürdige Erſcheinung, daß ſich ſo Viele und nicht etwa blos grundſatzloſe Weltleute, ſondern auch ehrliche Theoretiker zu der Anerkennung des Grundſatzes, daß das Sittengeſetz wegen politiſcher Vor- theile nicht verletzt werden dürfe, nicht entſchließen können; ſo z. B. Garve und Berg. Ihre Ausnahmen und Beſchränkungen ſind auf verſchiedene Weiſe begründet. So will Berg wenigſtens einer unſittlichen Bedrohung un- ſittliche Mittel entgegenſetzen laſſen; Garve aber findet eine für die Geſammtheit überwiegend nützliche Maßregel gar nicht unſittlich, weil die Vorſchriften der Moral überhaupt nur wegen des glücklichen Zuſammenlebens der Menſchen vorhanden ſeien. Die Irrthümer liegen jedoch zu Tage; und am wenigſten

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/564>, abgerufen am 24.11.2024.