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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Vertheidigung der jeweiligen öffentlichen Meinung, sondern zu
der des Rechtes und des öffentlichen Wohles bestimmt.

2. Verschmähung selbstischer Zwecke, falls diese
mit dem öffentlichen Wohle im Widerspruche stehen. Allerdings
rechtlich nicht strafbar, wohl aber sittlich verwerflich, sind daher
u. a.: Ränke zum Sturze eines tüchtigen Ministeriums, um
an dessen Stelle zu kommen; Befriedigung der Eitelkeit durch
ein Aufsehen machendes, aber störendes oder gar schädliches
Auftreten; ungerechtfertigter Widerspruch gegen Regierungs-
maßregeln aus falscher Popularitätssucht; Unterstützung der
Regierung gegen bessere eigene Ueberzeugung, um Vortheile für
sich oder die Seinigen zu erwerben.

3. Treue gegen die Partei, solange deren Richtung
im Wesentlichen der eigenen Ueberzeugung entspricht. Nur
durch eine wohlgeordnete Parteiorganisation ist in Staaten mit
Volksvertretung etwas Wirksames zu erreichen; daher hat sich
der Einzelne unterzuordnen, solange nicht seine Ueberzeugung
sondern nur seine Selbstschätzung und Eitelkeit in Frage
steht 2).

III. Der Geschworenen.

1. Unparteilichkeit und Gerechtigkeit gegen
jeden Angeklagten. Weder die politische Partei, noch das gegen-
seitige Bekenntniß, die gesellschaftliche Stellung des Ange-
klagten, oder endlich die Art des angeschuldigten Verbrechens
dürfen zu Gunsten oder Ungunsten einen Ausschlag geben.

2. Muth; und zwar nicht etwa blos gegenüber von
einer ungerechtfertigten Zumuthung der Regierung, sondern
auch gegenüber von einer aufgeregten und voreingenommenen
öffentlichen Meinung, so wie gegenüber von den Drohungen einer
Partei oder der Verbrechensgenossen.

3. Angestrengte Aufmerksamkeit auf die Verhand-
lungen so wie eigene selbstständige Prüfung der Sachlage und der

Vertheidigung der jeweiligen öffentlichen Meinung, ſondern zu
der des Rechtes und des öffentlichen Wohles beſtimmt.

2. Verſchmähung ſelbſtiſcher Zwecke, falls dieſe
mit dem öffentlichen Wohle im Widerſpruche ſtehen. Allerdings
rechtlich nicht ſtrafbar, wohl aber ſittlich verwerflich, ſind daher
u. a.: Ränke zum Sturze eines tüchtigen Miniſteriums, um
an deſſen Stelle zu kommen; Befriedigung der Eitelkeit durch
ein Aufſehen machendes, aber ſtörendes oder gar ſchädliches
Auftreten; ungerechtfertigter Widerſpruch gegen Regierungs-
maßregeln aus falſcher Popularitätsſucht; Unterſtützung der
Regierung gegen beſſere eigene Ueberzeugung, um Vortheile für
ſich oder die Seinigen zu erwerben.

3. Treue gegen die Partei, ſolange deren Richtung
im Weſentlichen der eigenen Ueberzeugung entſpricht. Nur
durch eine wohlgeordnete Parteiorganiſation iſt in Staaten mit
Volksvertretung etwas Wirkſames zu erreichen; daher hat ſich
der Einzelne unterzuordnen, ſolange nicht ſeine Ueberzeugung
ſondern nur ſeine Selbſtſchätzung und Eitelkeit in Frage
ſteht 2).

III. Der Geſchworenen.

1. Unparteilichkeit und Gerechtigkeit gegen
jeden Angeklagten. Weder die politiſche Partei, noch das gegen-
ſeitige Bekenntniß, die geſellſchaftliche Stellung des Ange-
klagten, oder endlich die Art des angeſchuldigten Verbrechens
dürfen zu Gunſten oder Ungunſten einen Ausſchlag geben.

2. Muth; und zwar nicht etwa blos gegenüber von
einer ungerechtfertigten Zumuthung der Regierung, ſondern
auch gegenüber von einer aufgeregten und voreingenommenen
öffentlichen Meinung, ſo wie gegenüber von den Drohungen einer
Partei oder der Verbrechensgenoſſen.

3. Angeſtrengte Aufmerkſamkeit auf die Verhand-
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[533/0547] Vertheidigung der jeweiligen öffentlichen Meinung, ſondern zu der des Rechtes und des öffentlichen Wohles beſtimmt. 2. Verſchmähung ſelbſtiſcher Zwecke, falls dieſe mit dem öffentlichen Wohle im Widerſpruche ſtehen. Allerdings rechtlich nicht ſtrafbar, wohl aber ſittlich verwerflich, ſind daher u. a.: Ränke zum Sturze eines tüchtigen Miniſteriums, um an deſſen Stelle zu kommen; Befriedigung der Eitelkeit durch ein Aufſehen machendes, aber ſtörendes oder gar ſchädliches Auftreten; ungerechtfertigter Widerſpruch gegen Regierungs- maßregeln aus falſcher Popularitätsſucht; Unterſtützung der Regierung gegen beſſere eigene Ueberzeugung, um Vortheile für ſich oder die Seinigen zu erwerben. 3. Treue gegen die Partei, ſolange deren Richtung im Weſentlichen der eigenen Ueberzeugung entſpricht. Nur durch eine wohlgeordnete Parteiorganiſation iſt in Staaten mit Volksvertretung etwas Wirkſames zu erreichen; daher hat ſich der Einzelne unterzuordnen, ſolange nicht ſeine Ueberzeugung ſondern nur ſeine Selbſtſchätzung und Eitelkeit in Frage ſteht 2). III. Der Geſchworenen. 1. Unparteilichkeit und Gerechtigkeit gegen jeden Angeklagten. Weder die politiſche Partei, noch das gegen- ſeitige Bekenntniß, die geſellſchaftliche Stellung des Ange- klagten, oder endlich die Art des angeſchuldigten Verbrechens dürfen zu Gunſten oder Ungunſten einen Ausſchlag geben. 2. Muth; und zwar nicht etwa blos gegenüber von einer ungerechtfertigten Zumuthung der Regierung, ſondern auch gegenüber von einer aufgeregten und voreingenommenen öffentlichen Meinung, ſo wie gegenüber von den Drohungen einer Partei oder der Verbrechensgenoſſen. 3. Angeſtrengte Aufmerkſamkeit auf die Verhand- lungen ſo wie eigene ſelbſtſtändige Prüfung der Sachlage und der

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/547>, abgerufen am 20.05.2024.