Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.theilung von demselben angenommen werden werde, oder daß 1) Erörterungen über das Kriegsrecht bilden einen großen Theil der Literatur des Völkerrechtes, wie denn die wissenschaftliche Bearbeitung des letzteren gerade mit diesem Gegenstande begonnen hat, und sie selbst bis in die neueste Zeit, freilich in fascher Auffassung, oft genug in die zwei Hälften des Friedens und Kriegs-Rechtes zerfällt. Außer den betreffenden Abtheilungen in allen Systemen und fast unzähligen Erörterungen einzelner Fragen, (vgl. Ompteda, Bd. II, S. 614 fg. und Kamptz, S. 317 fg.) sind namentlich folgende ausführliche Besonderwerke vorhanden: Albericus Gentilis, De juri belli, zuerst Oxon, 1588, 4. -- Koch, J. G. F., Europäisches Land- und Seekriegsrecht. Erl. 1778. 2) Die Literatur über die Unrechtlichkeit und Widersinnigkeit des Krieges ist durch die Bemühungen der Friedensgesellschaften sehr vermehrt worden. Man kann einem großen Theile der Schilderungen von dem durch den Krieg erzeugten Elende und von den ungeheuren Kosten nicht nur der Kriege selbst, sondern schon der regelmäßigen Bereithaltung für einen solchen, nämlich der stehenden Heere, vollständig zustimmen; allein es ist damit nicht das Mindeste gewonnen zur Beseitigung der Kriege, solange nicht eine voll- ständige Unmöglichkeit der Rechtsverletzung eines Staates durch einen anderen, oder eine höhere richtende Gewalt über alle Staaten gegeben ist. An Beides aber ist zunächst nicht zu denken, und so muß noch für unbestimmte Zeit das Kriegsrecht einen leidigen aber unentbehrlichen Theil selbst des philosophischen Völkerrechtes bilden. 3) Die Ankündigung eines Krieges wird häufig als Ehrensache be- trachtet, damit sich der Feind nicht über einen unvorhergesehenen Ueberfall beschweren könne. Es mag dahingestellt bleiben, inwieferne eine solche Be- nachrichtigung ritterliche Pflicht ist; eine rechtliche Verbindlichkeit, den Feind erst zu warnen, damit er sich in der Festhaltung des begangenen Unrechtes gehörig verstärken möge, besteht sicher nicht. Eine solche kann nur aus der Möglichkeit eines Nutzens der letzten Drohung abgeleitet werden. Im Uebrigen ist die Sache von geringer praktischer Bedeutung, da Kriege jetzt nicht mehr aus dem Stegreife geführt werden können. theilung von demſelben angenommen werden werde, oder daß 1) Erörterungen über das Kriegsrecht bilden einen großen Theil der Literatur des Völkerrechtes, wie denn die wiſſenſchaftliche Bearbeitung des letzteren gerade mit dieſem Gegenſtande begonnen hat, und ſie ſelbſt bis in die neueſte Zeit, freilich in faſcher Auffaſſung, oft genug in die zwei Hälften des Friedens und Kriegs-Rechtes zerfällt. Außer den betreffenden Abtheilungen in allen Syſtemen und faſt unzähligen Erörterungen einzelner Fragen, (vgl. Ompteda, Bd. II, S. 614 fg. und Kamptz, S. 317 fg.) ſind namentlich folgende ausführliche Beſonderwerke vorhanden: Albericus Gentilis, De juri belli, zuerſt Oxon, 1588, 4. — Koch, J. G. F., Europäiſches Land- und Seekriegsrecht. Erl. 1778. 2) Die Literatur über die Unrechtlichkeit und Widerſinnigkeit des Krieges iſt durch die Bemühungen der Friedensgeſellſchaften ſehr vermehrt worden. Man kann einem großen Theile der Schilderungen von dem durch den Krieg erzeugten Elende und von den ungeheuren Koſten nicht nur der Kriege ſelbſt, ſondern ſchon der regelmäßigen Bereithaltung für einen ſolchen, nämlich der ſtehenden Heere, vollſtändig zuſtimmen; allein es iſt damit nicht das Mindeſte gewonnen zur Beſeitigung der Kriege, ſolange nicht eine voll- ſtändige Unmöglichkeit der Rechtsverletzung eines Staates durch einen anderen, oder eine höhere richtende Gewalt über alle Staaten gegeben iſt. An Beides aber iſt zunächſt nicht zu denken, und ſo muß noch für unbeſtimmte Zeit das Kriegsrecht einen leidigen aber unentbehrlichen Theil ſelbſt des philoſophiſchen Völkerrechtes bilden. 3) Die Ankündigung eines Krieges wird häufig als Ehrenſache be- trachtet, damit ſich der Feind nicht über einen unvorhergeſehenen Ueberfall beſchweren könne. Es mag dahingeſtellt bleiben, inwieferne eine ſolche Be- nachrichtigung ritterliche Pflicht iſt; eine rechtliche Verbindlichkeit, den Feind erſt zu warnen, damit er ſich in der Feſthaltung des begangenen Unrechtes gehörig verſtärken möge, beſteht ſicher nicht. Eine ſolche kann nur aus der Möglichkeit eines Nutzens der letzten Drohung abgeleitet werden. 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theilung von demſelben angenommen werden werde, oder daß
der Krieg, ohne alle Rückſicht auf etwaige Beilegungsvorſchläge,
bis zu völliger Vernichtung des Gegners werde geführt werden.
Vielmehr iſt es eine völkerrechtliche Verbindlichkeit, die Mittel
zu einer Ausſöhnung offen zu laſſen und Mittheilungen von
dem Feinde anzunehmen; natürlich unter Vorbehalt aller noth-
wendigen Vorſichtsmaßregeln gegen etwaigen Mißbrauch oder
gegen Ueberliſtung.
¹⁾ Erörterungen über das Kriegsrecht bilden einen großen Theil der
Literatur des Völkerrechtes, wie denn die wiſſenſchaftliche Bearbeitung des
letzteren gerade mit dieſem Gegenſtande begonnen hat, und ſie ſelbſt bis in die
neueſte Zeit, freilich in faſcher Auffaſſung, oft genug in die zwei Hälften des
Friedens und Kriegs-Rechtes zerfällt. Außer den betreffenden Abtheilungen
in allen Syſtemen und faſt unzähligen Erörterungen einzelner Fragen,
(vgl. Ompteda, Bd. II, S. 614 fg. und Kamptz, S. 317 fg.) ſind
namentlich folgende ausführliche Beſonderwerke vorhanden: Albericus
Gentilis, De juri belli, zuerſt Oxon, 1588, 4. — Koch, J. G. F.,
Europäiſches Land- und Seekriegsrecht. Erl. 1778.
²⁾ Die Literatur über die Unrechtlichkeit und Widerſinnigkeit des Krieges
iſt durch die Bemühungen der Friedensgeſellſchaften ſehr vermehrt worden.
Man kann einem großen Theile der Schilderungen von dem durch den
Krieg erzeugten Elende und von den ungeheuren Koſten nicht nur der Kriege
ſelbſt, ſondern ſchon der regelmäßigen Bereithaltung für einen ſolchen, nämlich
der ſtehenden Heere, vollſtändig zuſtimmen; allein es iſt damit nicht das
Mindeſte gewonnen zur Beſeitigung der Kriege, ſolange nicht eine voll-
ſtändige Unmöglichkeit der Rechtsverletzung eines Staates durch einen anderen,
oder eine höhere richtende Gewalt über alle Staaten gegeben iſt. An Beides
aber iſt zunächſt nicht zu denken, und ſo muß noch für unbeſtimmte
Zeit das Kriegsrecht einen leidigen aber unentbehrlichen Theil ſelbſt des
philoſophiſchen Völkerrechtes bilden.
³⁾ Die Ankündigung eines Krieges wird häufig als Ehrenſache be-
trachtet, damit ſich der Feind nicht über einen unvorhergeſehenen Ueberfall
beſchweren könne. Es mag dahingeſtellt bleiben, inwieferne eine ſolche Be-
nachrichtigung ritterliche Pflicht iſt; eine rechtliche Verbindlichkeit, den Feind
erſt zu warnen, damit er ſich in der Feſthaltung des begangenen Unrechtes
gehörig verſtärken möge, beſteht ſicher nicht. Eine ſolche kann nur aus der
Möglichkeit eines Nutzens der letzten Drohung abgeleitet werden. Im Uebrigen
iſt die Sache von geringer praktiſcher Bedeutung, da Kriege jetzt nicht mehr
aus dem Stegreife geführt werden können.
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