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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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d) Der Anspruch auf gerechtes und schonendes Verfahren
der Staatsbehörden in Beziehung auf Verhaftung, Haus-
suchung
und Beschlagnahme von Briefen. Solche
Beschränkungen der persönlichen Freiheit sind allerdings nicht
ganz zu vermeiden, namentlich als Mittel zur Entdeckung und
Bestrafung von Verbrechen; allein der Bürger kann mit Recht
verlangen, daß sie nur in den durch eine Staatsnothwendig-
keit gebotenen Fällen und in dem mit der Erreichung des
Zweckes vereinbarlichen mildesten Grade vorgenommen werden.
Deßhalb ist denn auch eine eigene gesetzliche Feststellung der zu
einer Verhaftung u. s. w. berechtigenden Veranlassungen und
die Einräumung schützender Formen gegen einen Mißbrauch
der obrigkeitlichen Gewalt (Habeas-Corpus-Acte) wo nicht unbe-
dingt nothwendig, so doch höchst nützlich.

e) Das Recht auf Schutz des Eigenthumes gegen
willkürliche und ungerechte Beeinträchtigungen von Seiten des
Staates und seiner Behörden. Es ist kaum ein Staat denkbar,
in jedem Falle kein irgend entwickelter, welcher nicht Beiträge
aus dem Vermögen der Bürger verlangen müßte, als Mittel
zu Erreichung seiner Aufgabe; allein dieß muß nach Gesetz
und Recht geschehen, also nur nach allgemeinen Normen, mit
strenger Einhaltung der Verhältnißmäßigkeit, unter Entschädigung
für außerordentliche, aus öffentlichen Gründen nicht zu ver-
meidende Eingriffe in das Eigenthum nur Einzelner (Zwangs-
enteignung).

f) Recht der Beschwerde wegen Nichterfüllung gerechter
Ansprüche oder bei Erduldung positiven Unrechtes. Das ganze
Recht des Staates ist schließlich auf seine Förderung der mensch-
lichen Lebenszwecke gegründet; und nur um diese zu erreichen
lebt der Mensch im Staate. Nun ist allerdings Irrthum und
lückenhafte Erfüllung der Aufgabe möglich, in Folge der Un-
vollkommenheit der menschlichen Natur; aber eben wegen dieser

d) Der Anſpruch auf gerechtes und ſchonendes Verfahren
der Staatsbehörden in Beziehung auf Verhaftung, Haus-
ſuchung
und Beſchlagnahme von Briefen. Solche
Beſchränkungen der perſönlichen Freiheit ſind allerdings nicht
ganz zu vermeiden, namentlich als Mittel zur Entdeckung und
Beſtrafung von Verbrechen; allein der Bürger kann mit Recht
verlangen, daß ſie nur in den durch eine Staatsnothwendig-
keit gebotenen Fällen und in dem mit der Erreichung des
Zweckes vereinbarlichen mildeſten Grade vorgenommen werden.
Deßhalb iſt denn auch eine eigene geſetzliche Feſtſtellung der zu
einer Verhaftung u. ſ. w. berechtigenden Veranlaſſungen und
die Einräumung ſchützender Formen gegen einen Mißbrauch
der obrigkeitlichen Gewalt (Habeas-Corpus-Acte) wo nicht unbe-
dingt nothwendig, ſo doch höchſt nützlich.

e) Das Recht auf Schutz des Eigenthumes gegen
willkürliche und ungerechte Beeinträchtigungen von Seiten des
Staates und ſeiner Behörden. Es iſt kaum ein Staat denkbar,
in jedem Falle kein irgend entwickelter, welcher nicht Beiträge
aus dem Vermögen der Bürger verlangen müßte, als Mittel
zu Erreichung ſeiner Aufgabe; allein dieß muß nach Geſetz
und Recht geſchehen, alſo nur nach allgemeinen Normen, mit
ſtrenger Einhaltung der Verhältnißmäßigkeit, unter Entſchädigung
für außerordentliche, aus öffentlichen Gründen nicht zu ver-
meidende Eingriffe in das Eigenthum nur Einzelner (Zwangs-
enteignung).

f) Recht der Beſchwerde wegen Nichterfüllung gerechter
Anſprüche oder bei Erduldung poſitiven Unrechtes. Das ganze
Recht des Staates iſt ſchließlich auf ſeine Förderung der menſch-
lichen Lebenszwecke gegründet; und nur um dieſe zu erreichen
lebt der Menſch im Staate. Nun iſt allerdings Irrthum und
lückenhafte Erfüllung der Aufgabe möglich, in Folge der Un-
vollkommenheit der menſchlichen Natur; aber eben wegen dieſer

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[228/0242] d) Der Anſpruch auf gerechtes und ſchonendes Verfahren der Staatsbehörden in Beziehung auf Verhaftung, Haus- ſuchung und Beſchlagnahme von Briefen. Solche Beſchränkungen der perſönlichen Freiheit ſind allerdings nicht ganz zu vermeiden, namentlich als Mittel zur Entdeckung und Beſtrafung von Verbrechen; allein der Bürger kann mit Recht verlangen, daß ſie nur in den durch eine Staatsnothwendig- keit gebotenen Fällen und in dem mit der Erreichung des Zweckes vereinbarlichen mildeſten Grade vorgenommen werden. Deßhalb iſt denn auch eine eigene geſetzliche Feſtſtellung der zu einer Verhaftung u. ſ. w. berechtigenden Veranlaſſungen und die Einräumung ſchützender Formen gegen einen Mißbrauch der obrigkeitlichen Gewalt (Habeas-Corpus-Acte) wo nicht unbe- dingt nothwendig, ſo doch höchſt nützlich. e) Das Recht auf Schutz des Eigenthumes gegen willkürliche und ungerechte Beeinträchtigungen von Seiten des Staates und ſeiner Behörden. Es iſt kaum ein Staat denkbar, in jedem Falle kein irgend entwickelter, welcher nicht Beiträge aus dem Vermögen der Bürger verlangen müßte, als Mittel zu Erreichung ſeiner Aufgabe; allein dieß muß nach Geſetz und Recht geſchehen, alſo nur nach allgemeinen Normen, mit ſtrenger Einhaltung der Verhältnißmäßigkeit, unter Entſchädigung für außerordentliche, aus öffentlichen Gründen nicht zu ver- meidende Eingriffe in das Eigenthum nur Einzelner (Zwangs- enteignung). f) Recht der Beſchwerde wegen Nichterfüllung gerechter Anſprüche oder bei Erduldung poſitiven Unrechtes. Das ganze Recht des Staates iſt ſchließlich auf ſeine Förderung der menſch- lichen Lebenszwecke gegründet; und nur um dieſe zu erreichen lebt der Menſch im Staate. Nun iſt allerdings Irrthum und lückenhafte Erfüllung der Aufgabe möglich, in Folge der Un- vollkommenheit der menſchlichen Natur; aber eben wegen dieſer

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/242>, abgerufen am 03.05.2024.