Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

maßgebend sind, der Mensch vielmehr durch Beharrlichkeit und
Kenntnisse große Ungunst desselben überwinden kann, und
umgekehrt die günstigste Himmelsbeschaffenheit nicht sicher stellt
gegen Verfall von Volk und Staat, wenn es ihm an den
sittlichen oder intellectuellen Bedingungen gebricht 3).

b) Von höchster Wichtigkeit für den friedlichen Verkehr
mit andern Völkern ist eine Lage des Landes an den großen
Wasserwegen. -- Vor Allem ist günstig der Besitz einer mit
gutem Hafen versehener Küste am offenen Weltmeere; (schon
weniger natürlich die Lage an einer geschlossenen See.) Tief
ins Land einschneidende Meeresarme sind Vermittler von Reich-
thum und Bildung; und ein Land, welches keinen Ausweg an
die See hat, wird sich nie zu einer Weltstellung erheben. --
Sowohl Bedingung einer vollständigen Benützung der Lage am
Meere, als eine große Erleichterung des inneren Verkehres ist
sodann, zweitens, der Besitz eines großen Stromgebietes
mit allen seinen Zuflüssen. Ein solches bildet für Gewerbe,
Handel und Gesittigung ein natürliches Ganzes, und der
schiffbare Strom ist die bequemste und wohlfeilste Vermittelung
von Einfuhr und Ausfuhr, also von Bedürfniß und Ueber-
fluß, bis in das Herz des Landes 4). -- Allerdings gewähren
Erfindungen der Neuzeit die Möglichkeit, fehlende Wasserver-
bindungen durch ebenfalls leicht benützbare und wohlfeile Land-
wege wenigstens theilweise zu ersetzen; doch kann von einer
völligen Gleichstellung des Nutzens beider Verbindungsarten
nicht die Rede sein.

4. Ferner ist die geometrische Figur eines Staats-
gebietes nichts weniger als gleichgültig, und zwar sowohl für
die inneren Einrichtungen und die Leichtigkeit aller Verbindungen
unter den Theilen desselben Ganzen, als in internationalen
Beziehungen. In der Regel ist möglichste Gedrängtheit und
Abrundung der wünschenswertheste Zustand.

maßgebend ſind, der Menſch vielmehr durch Beharrlichkeit und
Kenntniſſe große Ungunſt deſſelben überwinden kann, und
umgekehrt die günſtigſte Himmelsbeſchaffenheit nicht ſicher ſtellt
gegen Verfall von Volk und Staat, wenn es ihm an den
ſittlichen oder intellectuellen Bedingungen gebricht 3).

b) Von höchſter Wichtigkeit für den friedlichen Verkehr
mit andern Völkern iſt eine Lage des Landes an den großen
Waſſerwegen. — Vor Allem iſt günſtig der Beſitz einer mit
gutem Hafen verſehener Küſte am offenen Weltmeere; (ſchon
weniger natürlich die Lage an einer geſchloſſenen See.) Tief
ins Land einſchneidende Meeresarme ſind Vermittler von Reich-
thum und Bildung; und ein Land, welches keinen Ausweg an
die See hat, wird ſich nie zu einer Weltſtellung erheben. —
Sowohl Bedingung einer vollſtändigen Benützung der Lage am
Meere, als eine große Erleichterung des inneren Verkehres iſt
ſodann, zweitens, der Beſitz eines großen Stromgebietes
mit allen ſeinen Zuflüſſen. Ein ſolches bildet für Gewerbe,
Handel und Geſittigung ein natürliches Ganzes, und der
ſchiffbare Strom iſt die bequemſte und wohlfeilſte Vermittelung
von Einfuhr und Ausfuhr, alſo von Bedürfniß und Ueber-
fluß, bis in das Herz des Landes 4). — Allerdings gewähren
Erfindungen der Neuzeit die Möglichkeit, fehlende Waſſerver-
bindungen durch ebenfalls leicht benützbare und wohlfeile Land-
wege wenigſtens theilweiſe zu erſetzen; doch kann von einer
völligen Gleichſtellung des Nutzens beider Verbindungsarten
nicht die Rede ſein.

4. Ferner iſt die geometriſche Figur eines Staats-
gebietes nichts weniger als gleichgültig, und zwar ſowohl für
die inneren Einrichtungen und die Leichtigkeit aller Verbindungen
unter den Theilen deſſelben Ganzen, als in internationalen
Beziehungen. In der Regel iſt möglichſte Gedrängtheit und
Abrundung der wünſchenswertheſte Zuſtand.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0141" n="127"/>
maßgebend &#x017F;ind, der Men&#x017F;ch vielmehr durch Beharrlichkeit und<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;e große Ungun&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;elben überwinden kann, und<lb/>
umgekehrt die gün&#x017F;tig&#x017F;te Himmelsbe&#x017F;chaffenheit nicht &#x017F;icher &#x017F;tellt<lb/>
gegen Verfall von Volk und Staat, wenn es ihm an den<lb/>
&#x017F;ittlichen oder intellectuellen Bedingungen gebricht <hi rendition="#sup">3</hi>).</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">b)</hi> Von höch&#x017F;ter Wichtigkeit für den friedlichen Verkehr<lb/>
mit andern Völkern i&#x017F;t eine Lage des Landes an den großen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erwegen. &#x2014; Vor Allem i&#x017F;t gün&#x017F;tig der Be&#x017F;itz einer mit<lb/>
gutem Hafen ver&#x017F;ehener Kü&#x017F;te am offenen <hi rendition="#g">Weltmeere</hi>; (&#x017F;chon<lb/>
weniger natürlich die Lage an einer ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen See.) Tief<lb/>
ins Land ein&#x017F;chneidende Meeresarme &#x017F;ind Vermittler von Reich-<lb/>
thum und Bildung; und ein Land, welches keinen Ausweg an<lb/>
die See hat, wird &#x017F;ich nie zu einer Welt&#x017F;tellung erheben. &#x2014;<lb/>
Sowohl Bedingung einer voll&#x017F;tändigen Benützung der Lage am<lb/>
Meere, als eine große Erleichterung des inneren Verkehres i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;odann, zweitens, der Be&#x017F;itz eines großen <hi rendition="#g">Stromgebietes</hi><lb/>
mit allen &#x017F;einen Zuflü&#x017F;&#x017F;en. Ein &#x017F;olches bildet für Gewerbe,<lb/>
Handel und Ge&#x017F;ittigung ein natürliches Ganzes, und der<lb/>
&#x017F;chiffbare Strom i&#x017F;t die bequem&#x017F;te und wohlfeil&#x017F;te Vermittelung<lb/>
von Einfuhr und Ausfuhr, al&#x017F;o von Bedürfniß und Ueber-<lb/>
fluß, bis in das Herz des Landes <hi rendition="#sup">4</hi>). &#x2014; Allerdings gewähren<lb/>
Erfindungen der Neuzeit die Möglichkeit, fehlende Wa&#x017F;&#x017F;erver-<lb/>
bindungen durch ebenfalls leicht benützbare und wohlfeile Land-<lb/>
wege wenig&#x017F;tens theilwei&#x017F;e zu er&#x017F;etzen; doch kann von einer<lb/>
völligen Gleich&#x017F;tellung des Nutzens beider Verbindungsarten<lb/>
nicht die Rede &#x017F;ein.</p><lb/>
            <p>4. Ferner i&#x017F;t die <hi rendition="#g">geometri&#x017F;che Figur</hi> eines Staats-<lb/>
gebietes nichts weniger als gleichgültig, und zwar &#x017F;owohl für<lb/>
die inneren Einrichtungen und die Leichtigkeit aller Verbindungen<lb/>
unter den Theilen de&#x017F;&#x017F;elben Ganzen, als in internationalen<lb/>
Beziehungen. In der Regel i&#x017F;t möglich&#x017F;te Gedrängtheit und<lb/>
Abrundung der wün&#x017F;chenswerthe&#x017F;te Zu&#x017F;tand.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0141] maßgebend ſind, der Menſch vielmehr durch Beharrlichkeit und Kenntniſſe große Ungunſt deſſelben überwinden kann, und umgekehrt die günſtigſte Himmelsbeſchaffenheit nicht ſicher ſtellt gegen Verfall von Volk und Staat, wenn es ihm an den ſittlichen oder intellectuellen Bedingungen gebricht 3). b) Von höchſter Wichtigkeit für den friedlichen Verkehr mit andern Völkern iſt eine Lage des Landes an den großen Waſſerwegen. — Vor Allem iſt günſtig der Beſitz einer mit gutem Hafen verſehener Küſte am offenen Weltmeere; (ſchon weniger natürlich die Lage an einer geſchloſſenen See.) Tief ins Land einſchneidende Meeresarme ſind Vermittler von Reich- thum und Bildung; und ein Land, welches keinen Ausweg an die See hat, wird ſich nie zu einer Weltſtellung erheben. — Sowohl Bedingung einer vollſtändigen Benützung der Lage am Meere, als eine große Erleichterung des inneren Verkehres iſt ſodann, zweitens, der Beſitz eines großen Stromgebietes mit allen ſeinen Zuflüſſen. Ein ſolches bildet für Gewerbe, Handel und Geſittigung ein natürliches Ganzes, und der ſchiffbare Strom iſt die bequemſte und wohlfeilſte Vermittelung von Einfuhr und Ausfuhr, alſo von Bedürfniß und Ueber- fluß, bis in das Herz des Landes 4). — Allerdings gewähren Erfindungen der Neuzeit die Möglichkeit, fehlende Waſſerver- bindungen durch ebenfalls leicht benützbare und wohlfeile Land- wege wenigſtens theilweiſe zu erſetzen; doch kann von einer völligen Gleichſtellung des Nutzens beider Verbindungsarten nicht die Rede ſein. 4. Ferner iſt die geometriſche Figur eines Staats- gebietes nichts weniger als gleichgültig, und zwar ſowohl für die inneren Einrichtungen und die Leichtigkeit aller Verbindungen unter den Theilen deſſelben Ganzen, als in internationalen Beziehungen. In der Regel iſt möglichſte Gedrängtheit und Abrundung der wünſchenswertheſte Zuſtand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/141
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/141>, abgerufen am 01.05.2024.