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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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der Staatszwecke niederschlagen, und jedes unter den gegebenen
Umständen irgend besiegbare Naturhinderniß beseitigen können.
Sie ist also, nicht bloß thatsächlich sondern auch rechtlich, ver-
schieden in den verschiedenen Staatsgattungen und Arten; und
zwar nicht bloß mit Berücksichtigung der Bevölkerung des Ge-
bietes und der Nachbarn, sondern auch nach der Aufgabe des
einzelnen Staates. Je zahlreicher und bedeutender die Zwecke
eines solchen sind, desto größer muß auch seine Gewalt sein.
Sie wächst also, namentlich auch im Rechtsstaate der Neuzeit,
mit der Vielseitigkeit der Ausbildung von Volk und Staat, und
höchstens mag eine gleichzeitige Steigerung der Sittlichkeit und
des Rechtsgefühles des Volkes einen Abzug gestatten.

Die Staatsgewalt bedarf zu ihrer Anwendung und Wirk-
samkeit eines bestimmten Trägers oder Inhabers; es kann
aber dieser kein anderer sein, als diejenige physische oder
moralische Person, welcher die Ordnung und Leitung des
Staatswesens zusteht. Also das Stammeshaupt, der Landes-
herr, der Fürst, die Vornehmen, die Volksversammlung u. s. w.
Dieser Inhaber mag etwa, wo er selbst nicht anwesend und
nicht thätig sein kann, einen größeren oder kleineren Theil seiner
Gewalt an Untergeordnete übertragen; und in ausgebildeten
Staaten ist eine weite Verzweigung und künstliche Abstufung
solcher übertragenen Gewalttheile unvermeidlich. Aber niemals
kann von einer völligen Unabhängigkeit der theilweisen und
untergeordneten Träger die Rede sein; immer muß über ihnen
der rechtliche Inhaber der gesammten Gewalt und der Urheber
ihres Rechtes stehen, so daß sich in ihm die Machtvollkommen-
heit, Souveränität, vereinigt.

Unrichtig ist der Gedanke, daß der rechtliche Besitz der
Staatsgewalt immer bei dem gesammten Volke sei. Es ist
dies weder wahr hinsichtlich des Ursprungs, (wie denn z. B.
in dem Patrimonialstaate oder in der Theokratie die Staats-

der Staatszwecke niederſchlagen, und jedes unter den gegebenen
Umſtänden irgend beſiegbare Naturhinderniß beſeitigen können.
Sie iſt alſo, nicht bloß thatſächlich ſondern auch rechtlich, ver-
ſchieden in den verſchiedenen Staatsgattungen und Arten; und
zwar nicht bloß mit Berückſichtigung der Bevölkerung des Ge-
bietes und der Nachbarn, ſondern auch nach der Aufgabe des
einzelnen Staates. Je zahlreicher und bedeutender die Zwecke
eines ſolchen ſind, deſto größer muß auch ſeine Gewalt ſein.
Sie wächst alſo, namentlich auch im Rechtsſtaate der Neuzeit,
mit der Vielſeitigkeit der Ausbildung von Volk und Staat, und
höchſtens mag eine gleichzeitige Steigerung der Sittlichkeit und
des Rechtsgefühles des Volkes einen Abzug geſtatten.

Die Staatsgewalt bedarf zu ihrer Anwendung und Wirk-
ſamkeit eines beſtimmten Trägers oder Inhabers; es kann
aber dieſer kein anderer ſein, als diejenige phyſiſche oder
moraliſche Perſon, welcher die Ordnung und Leitung des
Staatsweſens zuſteht. Alſo das Stammeshaupt, der Landes-
herr, der Fürſt, die Vornehmen, die Volksverſammlung u. ſ. w.
Dieſer Inhaber mag etwa, wo er ſelbſt nicht anweſend und
nicht thätig ſein kann, einen größeren oder kleineren Theil ſeiner
Gewalt an Untergeordnete übertragen; und in ausgebildeten
Staaten iſt eine weite Verzweigung und künſtliche Abſtufung
ſolcher übertragenen Gewalttheile unvermeidlich. Aber niemals
kann von einer völligen Unabhängigkeit der theilweiſen und
untergeordneten Träger die Rede ſein; immer muß über ihnen
der rechtliche Inhaber der geſammten Gewalt und der Urheber
ihres Rechtes ſtehen, ſo daß ſich in ihm die Machtvollkommen-
heit, Souveränität, vereinigt.

Unrichtig iſt der Gedanke, daß der rechtliche Beſitz der
Staatsgewalt immer bei dem geſammten Volke ſei. Es iſt
dies weder wahr hinſichtlich des Urſprungs, (wie denn z. B.
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[108/0122] der Staatszwecke niederſchlagen, und jedes unter den gegebenen Umſtänden irgend beſiegbare Naturhinderniß beſeitigen können. Sie iſt alſo, nicht bloß thatſächlich ſondern auch rechtlich, ver- ſchieden in den verſchiedenen Staatsgattungen und Arten; und zwar nicht bloß mit Berückſichtigung der Bevölkerung des Ge- bietes und der Nachbarn, ſondern auch nach der Aufgabe des einzelnen Staates. Je zahlreicher und bedeutender die Zwecke eines ſolchen ſind, deſto größer muß auch ſeine Gewalt ſein. Sie wächst alſo, namentlich auch im Rechtsſtaate der Neuzeit, mit der Vielſeitigkeit der Ausbildung von Volk und Staat, und höchſtens mag eine gleichzeitige Steigerung der Sittlichkeit und des Rechtsgefühles des Volkes einen Abzug geſtatten. Die Staatsgewalt bedarf zu ihrer Anwendung und Wirk- ſamkeit eines beſtimmten Trägers oder Inhabers; es kann aber dieſer kein anderer ſein, als diejenige phyſiſche oder moraliſche Perſon, welcher die Ordnung und Leitung des Staatsweſens zuſteht. Alſo das Stammeshaupt, der Landes- herr, der Fürſt, die Vornehmen, die Volksverſammlung u. ſ. w. Dieſer Inhaber mag etwa, wo er ſelbſt nicht anweſend und nicht thätig ſein kann, einen größeren oder kleineren Theil ſeiner Gewalt an Untergeordnete übertragen; und in ausgebildeten Staaten iſt eine weite Verzweigung und künſtliche Abſtufung ſolcher übertragenen Gewalttheile unvermeidlich. Aber niemals kann von einer völligen Unabhängigkeit der theilweiſen und untergeordneten Träger die Rede ſein; immer muß über ihnen der rechtliche Inhaber der geſammten Gewalt und der Urheber ihres Rechtes ſtehen, ſo daß ſich in ihm die Machtvollkommen- heit, Souveränität, vereinigt. Unrichtig iſt der Gedanke, daß der rechtliche Beſitz der Staatsgewalt immer bei dem geſammten Volke ſei. Es iſt dies weder wahr hinſichtlich des Urſprungs, (wie denn z. B. in dem Patrimonialſtaate oder in der Theokratie die Staats-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/122>, abgerufen am 22.11.2024.