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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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3) lomei (Corso elementale di diritto naturale. I--III. Padov., 1849);
und Soria di Crispan (Philosophie du droit public. Ed. 3. I--IX.
Brux.,
1853. 1854). S. Ausführlicheres in meiner Geschichte und Lite-
ratur der Staatswissenschaften, Bd. I, S. 227 ff. -- Gegner der Vertrags-
theorie sind aber unter Anderen: Haller, Restauration der St.W. Bd. I,
S. 295 ff.; Schleiermacher, System der Sittenlehre, S. 275 ff.;
Thilo, L., Der Staat. Breslau, 1827; Zachariä, K. S., Vierzig
Bücher vom Staate, Bd. I, S. 73 ff.; Stahl, Philosophie des Rechts,
Bd. II, Abth. 2. S. 141 ff.; Zöpfl, Staatsrecht. 4. Aufl. Bd. I,
S. 70 ff. -- Hätte die Widerlegung sich darauf beschränkt, die aus-
schließende
Gültigkeit der Vertragstheorie zu bekämpfen, oder handgreif-
liche Fehler einzelner ihrer Anhänger zu widerlegen, so z. B. die Annahme
eines atomistischen Naturzustandes unverbundener Einzelner oder die lächer-
liche Reihenfolge verschiedener förmlicher Grundverträge: so wäre sie voll-
ständig berechtigt und nützlich gewesen. Allein sie hat das Ziel weit über-
schossen durch die Bemühung, die Unmöglichkeit eines Vertrags überhaupt
nachzuweisen, und schadet ihrer Wirksamkeit durch ganz unstichhaltige Gründe.
Leicht nämlich ist die Unrichtigkeit nachstehender Argumente einzusehen:
1. Eine Staatsgründung durch Vertrag sei eine thatsächliche Unmöglichkeit,
und in der That auch nie wirklich dagewesen. Hier ist einfach zu fragen:
warum denn auf gleicher Gesittigungsstufe, gleichartigen äußeren Bedürfnissen
und gesellschaftlichen Zuständen, endlich namentlich bei einfachen Verhältnissen
eine allgemeine Uebereinstimmung ganz unmöglich sein soll? Und mit Recht
darf die Keckheit oder Unwissenheit scharf getadelt werden, welche das sogar
häufige thatsächliche Vorkommen von Staatsbegründungen mittelst Vertrages
abläugnen will. Man denke nur z. B. an die Gründung so vieler nord-
amerikanischer Staaten bis in die neueste Zeit herunter; an die Gründung
dieses Bundesstaates selbst; an die vielen in Europa durch Vertrag zu Stande
gekommenen Verfassungen u. s. w. -- 2. Ein Vertrag setze bereits den
Staat voraus, dieser könne also nicht durch Vertrag entstehen. (Schleier-
macher.) Hier ist eine schwer zu begreifende Verwechslung zwischen bestimmter
Form eines Vertrages, (welche allerdings möglicherweise nur durch Gesetz,
also Staat, bestehen kann,) oder aber zwischen den Bedingungen der
Ausführbarkeit eines Vertrages, und dem rechtlichen Wesen einer bindenden
Willensvereinigung. Warum diese letztere nicht soll zu Stande kommen
und eine verpflichtende Kraft haben können ohne Zuthun einer Obrigkeit,
ist in der That nicht einzusehen. Auch ist kein Grund hierfür angegeben
worden. -- 3. Durch einen Vertrag könne nur die Form der Entstehung,
nicht aber das Wesen der Staatsgewalt erklärt werden. Antwort: Dieß ist
auch gar die Absicht nicht; sondern im Gegentheile will gerade nur die Ent-
stehung begründet werden. Das Wesen des Staates an sich und das seiner
3) lomei (Corso elementale di diritto naturale. I—III. Padov., 1849);
und Soria di Crispan (Philosophie du droit public. Éd. 3. I—IX.
Brux.,
1853. 1854). S. Ausführlicheres in meiner Geſchichte und Lite-
ratur der Staatswiſſenſchaften, Bd. I, S. 227 ff. — Gegner der Vertrags-
theorie ſind aber unter Anderen: Haller, Reſtauration der St.W. Bd. I,
S. 295 ff.; Schleiermacher, Syſtem der Sittenlehre, S. 275 ff.;
Thilo, L., Der Staat. Breslau, 1827; Zachariä, K. S., Vierzig
Bücher vom Staate, Bd. I, S. 73 ff.; Stahl, Philoſophie des Rechts,
Bd. II, Abth. 2. S. 141 ff.; Zöpfl, Staatsrecht. 4. Aufl. Bd. I,
S. 70 ff. — Hätte die Widerlegung ſich darauf beſchränkt, die aus-
ſchließende
Gültigkeit der Vertragstheorie zu bekämpfen, oder handgreif-
liche Fehler einzelner ihrer Anhänger zu widerlegen, ſo z. B. die Annahme
eines atomiſtiſchen Naturzuſtandes unverbundener Einzelner oder die lächer-
liche Reihenfolge verſchiedener förmlicher Grundverträge: ſo wäre ſie voll-
ſtändig berechtigt und nützlich geweſen. Allein ſie hat das Ziel weit über-
ſchoſſen durch die Bemühung, die Unmöglichkeit eines Vertrags überhaupt
nachzuweiſen, und ſchadet ihrer Wirkſamkeit durch ganz unſtichhaltige Gründe.
Leicht nämlich iſt die Unrichtigkeit nachſtehender Argumente einzuſehen:
1. Eine Staatsgründung durch Vertrag ſei eine thatſächliche Unmöglichkeit,
und in der That auch nie wirklich dageweſen. Hier iſt einfach zu fragen:
warum denn auf gleicher Geſittigungsſtufe, gleichartigen äußeren Bedürfniſſen
und geſellſchaftlichen Zuſtänden, endlich namentlich bei einfachen Verhältniſſen
eine allgemeine Uebereinſtimmung ganz unmöglich ſein ſoll? Und mit Recht
darf die Keckheit oder Unwiſſenheit ſcharf getadelt werden, welche das ſogar
häufige thatſächliche Vorkommen von Staatsbegründungen mittelſt Vertrages
abläugnen will. Man denke nur z. B. an die Gründung ſo vieler nord-
amerikaniſcher Staaten bis in die neueſte Zeit herunter; an die Gründung
dieſes Bundesſtaates ſelbſt; an die vielen in Europa durch Vertrag zu Stande
gekommenen Verfaſſungen u. ſ. w. — 2. Ein Vertrag ſetze bereits den
Staat voraus, dieſer könne alſo nicht durch Vertrag entſtehen. (Schleier-
macher.) Hier iſt eine ſchwer zu begreifende Verwechslung zwiſchen beſtimmter
Form eines Vertrages, (welche allerdings möglicherweiſe nur durch Geſetz,
alſo Staat, beſtehen kann,) oder aber zwiſchen den Bedingungen der
Ausführbarkeit eines Vertrages, und dem rechtlichen Weſen einer bindenden
Willensvereinigung. Warum dieſe letztere nicht ſoll zu Stande kommen
und eine verpflichtende Kraft haben können ohne Zuthun einer Obrigkeit,
iſt in der That nicht einzuſehen. Auch iſt kein Grund hierfür angegeben
worden. — 3. Durch einen Vertrag könne nur die Form der Entſtehung,
nicht aber das Weſen der Staatsgewalt erklärt werden. Antwort: Dieß iſt
auch gar die Abſicht nicht; ſondern im Gegentheile will gerade nur die Ent-
ſtehung begründet werden. Das Weſen des Staates an ſich und das ſeiner
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[94/0108] ³⁾ lomei (Corso elementale di diritto naturale. I—III. Padov., 1849); und Soria di Crispan (Philosophie du droit public. Éd. 3. I—IX. Brux., 1853. 1854). S. Ausführlicheres in meiner Geſchichte und Lite- ratur der Staatswiſſenſchaften, Bd. I, S. 227 ff. — Gegner der Vertrags- theorie ſind aber unter Anderen: Haller, Reſtauration der St.W. Bd. I, S. 295 ff.; Schleiermacher, Syſtem der Sittenlehre, S. 275 ff.; Thilo, L., Der Staat. Breslau, 1827; Zachariä, K. S., Vierzig Bücher vom Staate, Bd. I, S. 73 ff.; Stahl, Philoſophie des Rechts, Bd. II, Abth. 2. S. 141 ff.; Zöpfl, Staatsrecht. 4. Aufl. Bd. I, S. 70 ff. — Hätte die Widerlegung ſich darauf beſchränkt, die aus- ſchließende Gültigkeit der Vertragstheorie zu bekämpfen, oder handgreif- liche Fehler einzelner ihrer Anhänger zu widerlegen, ſo z. B. die Annahme eines atomiſtiſchen Naturzuſtandes unverbundener Einzelner oder die lächer- liche Reihenfolge verſchiedener förmlicher Grundverträge: ſo wäre ſie voll- ſtändig berechtigt und nützlich geweſen. Allein ſie hat das Ziel weit über- ſchoſſen durch die Bemühung, die Unmöglichkeit eines Vertrags überhaupt nachzuweiſen, und ſchadet ihrer Wirkſamkeit durch ganz unſtichhaltige Gründe. Leicht nämlich iſt die Unrichtigkeit nachſtehender Argumente einzuſehen: 1. Eine Staatsgründung durch Vertrag ſei eine thatſächliche Unmöglichkeit, und in der That auch nie wirklich dageweſen. Hier iſt einfach zu fragen: warum denn auf gleicher Geſittigungsſtufe, gleichartigen äußeren Bedürfniſſen und geſellſchaftlichen Zuſtänden, endlich namentlich bei einfachen Verhältniſſen eine allgemeine Uebereinſtimmung ganz unmöglich ſein ſoll? Und mit Recht darf die Keckheit oder Unwiſſenheit ſcharf getadelt werden, welche das ſogar häufige thatſächliche Vorkommen von Staatsbegründungen mittelſt Vertrages abläugnen will. Man denke nur z. B. an die Gründung ſo vieler nord- amerikaniſcher Staaten bis in die neueſte Zeit herunter; an die Gründung dieſes Bundesſtaates ſelbſt; an die vielen in Europa durch Vertrag zu Stande gekommenen Verfaſſungen u. ſ. w. — 2. Ein Vertrag ſetze bereits den Staat voraus, dieſer könne alſo nicht durch Vertrag entſtehen. (Schleier- macher.) Hier iſt eine ſchwer zu begreifende Verwechslung zwiſchen beſtimmter Form eines Vertrages, (welche allerdings möglicherweiſe nur durch Geſetz, alſo Staat, beſtehen kann,) oder aber zwiſchen den Bedingungen der Ausführbarkeit eines Vertrages, und dem rechtlichen Weſen einer bindenden Willensvereinigung. Warum dieſe letztere nicht ſoll zu Stande kommen und eine verpflichtende Kraft haben können ohne Zuthun einer Obrigkeit, iſt in der That nicht einzuſehen. Auch iſt kein Grund hierfür angegeben worden. — 3. Durch einen Vertrag könne nur die Form der Entſtehung, nicht aber das Weſen der Staatsgewalt erklärt werden. Antwort: Dieß iſt auch gar die Abſicht nicht; ſondern im Gegentheile will gerade nur die Ent- ſtehung begründet werden. Das Weſen des Staates an ſich und das ſeiner

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/108>, abgerufen am 22.11.2024.