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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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größere oder kleinere Anzahl von Einzelnen oder von Gemein-
schaften mittelst einzelner Verträge einer bestehenden
Gewalt freiwillig anschließt und unterordnet, auf diese Weise
aber durch Ansammlung einzelner Bestandtheile ein Ganzes
allmälig bildet. Hier können die Verhältnisse der einzelnen
Zutretenden zu dem gemeinschaftlichen Mittelpunkte wesentlich
verschieden sein; und es entsteht doch rechtsgültig ein Staat,
wenn nur alle Vertragenden frei zustimmen und also ihre
Befriedigung finden, und wenn ein einheitlicher Gedanke die
Einzelheiten zu einem Organismus bildet 4).

Zweitens die Begründung durch eine berechtigte
Auctorität
. Diese kann aber ebenfalls wieder von zweierlei
Art sein.

Vor Allem eine religiöse Auctorität. Wenn ein Volk
nicht blos an eine göttliche Weltregierung überhaupt, sondern
an eine besondere und namentlich nationelle Vorsehung lebendig
glaubt, so ist eine unmittelbare Stiftung des Staates durch
einen göttlichen Befehl eine logische Möglichkeit und ein religiöses
Bedürfniß für dasselbe 5). Falls nun also eine solche besondere
göttliche Anordnung und Fürsorge als thatsächlich erfolgt gelehrt
und geglaubt wird, ist auch der daraus entstehende Staat
rechtlich gültig gegründet. Sämmtliche Theilnehmer erkennen
die anordnende Auctorität als unbedingt maßgebend an. Ob
diese Religion im Allgemeinen und ihre Lehre von einer un-
mittelbaren göttlichen Staatsgründung insbesondere von anderen
Völkern ebenfalls für wahr erachtet und getheilt wird oder
nicht, ändert nichts an der subjectiven Verbindlichkeit der Be-
theiligten, folglich auch nichts am ojectiven Rechtsstande.

Sodann kann möglicher Weise die staatsgründende Auc-
torität eine väterliche sein. Wenn sich nämlich ein Stamm
unter Beibehaltung patriarchalischer Sitte und Lebensanschauung
bis zur Nothwendigkeit eines festeren und kräftigeren Organismus

größere oder kleinere Anzahl von Einzelnen oder von Gemein-
ſchaften mittelſt einzelner Verträge einer beſtehenden
Gewalt freiwillig anſchließt und unterordnet, auf dieſe Weiſe
aber durch Anſammlung einzelner Beſtandtheile ein Ganzes
allmälig bildet. Hier können die Verhältniſſe der einzelnen
Zutretenden zu dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte weſentlich
verſchieden ſein; und es entſteht doch rechtsgültig ein Staat,
wenn nur alle Vertragenden frei zuſtimmen und alſo ihre
Befriedigung finden, und wenn ein einheitlicher Gedanke die
Einzelheiten zu einem Organismus bildet 4).

Zweitens die Begründung durch eine berechtigte
Auctorität
. Dieſe kann aber ebenfalls wieder von zweierlei
Art ſein.

Vor Allem eine religiöſe Auctorität. Wenn ein Volk
nicht blos an eine göttliche Weltregierung überhaupt, ſondern
an eine beſondere und namentlich nationelle Vorſehung lebendig
glaubt, ſo iſt eine unmittelbare Stiftung des Staates durch
einen göttlichen Befehl eine logiſche Möglichkeit und ein religiöſes
Bedürfniß für dasſelbe 5). Falls nun alſo eine ſolche beſondere
göttliche Anordnung und Fürſorge als thatſächlich erfolgt gelehrt
und geglaubt wird, iſt auch der daraus entſtehende Staat
rechtlich gültig gegründet. Sämmtliche Theilnehmer erkennen
die anordnende Auctorität als unbedingt maßgebend an. Ob
dieſe Religion im Allgemeinen und ihre Lehre von einer un-
mittelbaren göttlichen Staatsgründung insbeſondere von anderen
Völkern ebenfalls für wahr erachtet und getheilt wird oder
nicht, ändert nichts an der ſubjectiven Verbindlichkeit der Be-
theiligten, folglich auch nichts am ojectiven Rechtsſtande.

Sodann kann möglicher Weiſe die ſtaatsgründende Auc-
torität eine väterliche ſein. Wenn ſich nämlich ein Stamm
unter Beibehaltung patriarchaliſcher Sitte und Lebensanſchauung
bis zur Nothwendigkeit eines feſteren und kräftigeren Organismus

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[90/0104] größere oder kleinere Anzahl von Einzelnen oder von Gemein- ſchaften mittelſt einzelner Verträge einer beſtehenden Gewalt freiwillig anſchließt und unterordnet, auf dieſe Weiſe aber durch Anſammlung einzelner Beſtandtheile ein Ganzes allmälig bildet. Hier können die Verhältniſſe der einzelnen Zutretenden zu dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte weſentlich verſchieden ſein; und es entſteht doch rechtsgültig ein Staat, wenn nur alle Vertragenden frei zuſtimmen und alſo ihre Befriedigung finden, und wenn ein einheitlicher Gedanke die Einzelheiten zu einem Organismus bildet 4). Zweitens die Begründung durch eine berechtigte Auctorität. Dieſe kann aber ebenfalls wieder von zweierlei Art ſein. Vor Allem eine religiöſe Auctorität. Wenn ein Volk nicht blos an eine göttliche Weltregierung überhaupt, ſondern an eine beſondere und namentlich nationelle Vorſehung lebendig glaubt, ſo iſt eine unmittelbare Stiftung des Staates durch einen göttlichen Befehl eine logiſche Möglichkeit und ein religiöſes Bedürfniß für dasſelbe 5). Falls nun alſo eine ſolche beſondere göttliche Anordnung und Fürſorge als thatſächlich erfolgt gelehrt und geglaubt wird, iſt auch der daraus entſtehende Staat rechtlich gültig gegründet. Sämmtliche Theilnehmer erkennen die anordnende Auctorität als unbedingt maßgebend an. Ob dieſe Religion im Allgemeinen und ihre Lehre von einer un- mittelbaren göttlichen Staatsgründung insbeſondere von anderen Völkern ebenfalls für wahr erachtet und getheilt wird oder nicht, ändert nichts an der ſubjectiven Verbindlichkeit der Be- theiligten, folglich auch nichts am ojectiven Rechtsſtande. Sodann kann möglicher Weiſe die ſtaatsgründende Auc- torität eine väterliche ſein. Wenn ſich nämlich ein Stamm unter Beibehaltung patriarchaliſcher Sitte und Lebensanſchauung bis zur Nothwendigkeit eines feſteren und kräftigeren Organismus

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/104>, abgerufen am 23.11.2024.