Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
Verdienten sie die Krone oder nicht?
na Catharine Unruhe, welche ich bey meiner Ab-
reise schwanger hinterlassen, und das Kind von
ihrem Leibe gebohren, wenn es der liebe Gott ...

weiter konnte er vor dem Lärm der Leute nicht lesen; je-
dermann erkannte in der Anna Catharine Unruhe die
Frau, welche ihrer aller Vermuthung nach als die beste
Ehefrau an dem Tage die Krone erhalten würde, und
alle waren ganz ausschweifend froh, daß eine so große
Erbschaft ins Dorf kommen sollte. Die gnädige Frau
vom Schlosse, welche sich so gleich auf die erste Nachricht
von dieser Neuigkeit in der Versammlung eingefunden
hatte, ersuchte die Anna Catharine aufs inständigste,
doch ja die Perlen nicht in Amsterdam loszuschlagen, weil
sie ihr solche so gut als ein andrer bezahlen wollte. Der
gnädige Herr begehrte ein gleiches wegen der großen Dia-
manten; der Gerichtsverwalter erbot sich zur Reise um
die Erbschaft in Empfang zu nehmen; der Pfarrer, wel-
cher des Morgens, wie es an diesem Tage gewöhnlich
war, eine schöne Predigt über die häuslichen Tugenden
gehalten hatte, und der Ceremonie der Krönung des be-
sten Ehepaars mit beywohnte, erinnerte sie an seine
schlechte Pfründe, und den baufälligen Thurm der Kir-
che; und alle Einwohner des Dorfs hatten ihre beson-
dere Anliegen, deren Erzählung aber viel zu weitläuftig
seyn würde.

Endlich und nachdem der erste Lärm zu einer mäßi-
gern Lust hinabgesunken war, fieng der glückliche Mann
dieser reichen Erbin an sie zu fragen: ob sie denn vorher,
ehe sie ihn geheyrathet hätte, ein Kind gehabt, und warum
sie ihm denn niemals davon etwas gesagt hätte? Hier
gieng der Lärm von neuem an, und ich schäme mich fast
es zu sagen, mit welchen Gründen alle mit einander,
Hohe und Niedrige, den Mann zu bereden suchten, daß

er
Verdienten ſie die Krone oder nicht?
na Catharine Unruhe, welche ich bey meiner Ab-
reiſe ſchwanger hinterlaſſen, und das Kind von
ihrem Leibe gebohren, wenn es der liebe Gott …

weiter konnte er vor dem Laͤrm der Leute nicht leſen; je-
dermann erkannte in der Anna Catharine Unruhe die
Frau, welche ihrer aller Vermuthung nach als die beſte
Ehefrau an dem Tage die Krone erhalten wuͤrde, und
alle waren ganz ausſchweifend froh, daß eine ſo große
Erbſchaft ins Dorf kommen ſollte. Die gnaͤdige Frau
vom Schloſſe, welche ſich ſo gleich auf die erſte Nachricht
von dieſer Neuigkeit in der Verſammlung eingefunden
hatte, erſuchte die Anna Catharine aufs inſtaͤndigſte,
doch ja die Perlen nicht in Amſterdam loszuſchlagen, weil
ſie ihr ſolche ſo gut als ein andrer bezahlen wollte. Der
gnaͤdige Herr begehrte ein gleiches wegen der großen Dia-
manten; der Gerichtsverwalter erbot ſich zur Reiſe um
die Erbſchaft in Empfang zu nehmen; der Pfarrer, wel-
cher des Morgens, wie es an dieſem Tage gewoͤhnlich
war, eine ſchoͤne Predigt uͤber die haͤuslichen Tugenden
gehalten hatte, und der Ceremonie der Kroͤnung des be-
ſten Ehepaars mit beywohnte, erinnerte ſie an ſeine
ſchlechte Pfruͤnde, und den baufaͤlligen Thurm der Kir-
che; und alle Einwohner des Dorfs hatten ihre beſon-
dere Anliegen, deren Erzaͤhlung aber viel zu weitlaͤuftig
ſeyn wuͤrde.

Endlich und nachdem der erſte Laͤrm zu einer maͤßi-
gern Luſt hinabgeſunken war, fieng der gluͤckliche Mann
dieſer reichen Erbin an ſie zu fragen: ob ſie denn vorher,
ehe ſie ihn geheyrathet haͤtte, ein Kind gehabt, und warum
ſie ihm denn niemals davon etwas geſagt haͤtte? Hier
gieng der Laͤrm von neuem an, und ich ſchaͤme mich faſt
es zu ſagen, mit welchen Gruͤnden alle mit einander,
Hohe und Niedrige, den Mann zu bereden ſuchten, daß

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0091" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verdienten &#x017F;ie die Krone oder nicht?</hi></fw><lb/>
na Catharine Unruhe, welche ich bey meiner Ab-<lb/>
rei&#x017F;e &#x017F;chwanger hinterla&#x017F;&#x017F;en, und das Kind von<lb/>
ihrem Leibe gebohren, wenn es der liebe Gott &#x2026;</hi> </quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>weiter konnte er vor dem La&#x0364;rm der Leute nicht le&#x017F;en; je-<lb/>
dermann erkannte in der Anna Catharine Unruhe die<lb/>
Frau, welche ihrer aller Vermuthung nach als die be&#x017F;te<lb/>
Ehefrau an dem Tage die Krone erhalten wu&#x0364;rde, und<lb/>
alle waren ganz aus&#x017F;chweifend froh, daß eine &#x017F;o große<lb/>
Erb&#x017F;chaft ins Dorf kommen &#x017F;ollte. Die gna&#x0364;dige Frau<lb/>
vom Schlo&#x017F;&#x017F;e, welche &#x017F;ich &#x017F;o gleich auf die er&#x017F;te Nachricht<lb/>
von die&#x017F;er Neuigkeit in der Ver&#x017F;ammlung eingefunden<lb/>
hatte, er&#x017F;uchte die Anna Catharine aufs in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te,<lb/>
doch ja die Perlen nicht in Am&#x017F;terdam loszu&#x017F;chlagen, weil<lb/>
&#x017F;ie ihr &#x017F;olche &#x017F;o gut als ein andrer bezahlen wollte. Der<lb/>
gna&#x0364;dige Herr begehrte ein gleiches wegen der großen Dia-<lb/>
manten; der Gerichtsverwalter erbot &#x017F;ich zur Rei&#x017F;e um<lb/>
die Erb&#x017F;chaft in Empfang zu nehmen; der Pfarrer, wel-<lb/>
cher des Morgens, wie es an die&#x017F;em Tage gewo&#x0364;hnlich<lb/>
war, eine &#x017F;cho&#x0364;ne Predigt u&#x0364;ber die ha&#x0364;uslichen Tugenden<lb/>
gehalten hatte, und der Ceremonie der Kro&#x0364;nung des be-<lb/>
&#x017F;ten Ehepaars mit beywohnte, erinnerte &#x017F;ie an &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;chlechte Pfru&#x0364;nde, und den baufa&#x0364;lligen Thurm der Kir-<lb/>
che; und alle Einwohner des Dorfs hatten ihre be&#x017F;on-<lb/>
dere Anliegen, deren Erza&#x0364;hlung aber viel zu weitla&#x0364;uftig<lb/>
&#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
            <p>Endlich und nachdem der er&#x017F;te La&#x0364;rm zu einer ma&#x0364;ßi-<lb/>
gern Lu&#x017F;t hinabge&#x017F;unken war, fieng der glu&#x0364;ckliche Mann<lb/>
die&#x017F;er reichen Erbin an &#x017F;ie zu fragen: ob &#x017F;ie denn vorher,<lb/>
ehe &#x017F;ie ihn geheyrathet ha&#x0364;tte, ein Kind gehabt, und warum<lb/>
&#x017F;ie ihm denn niemals davon etwas ge&#x017F;agt ha&#x0364;tte? Hier<lb/>
gieng der La&#x0364;rm von neuem an, und ich &#x017F;cha&#x0364;me mich fa&#x017F;t<lb/>
es zu &#x017F;agen, mit welchen Gru&#x0364;nden alle mit einander,<lb/>
Hohe und Niedrige, den Mann zu bereden &#x017F;uchten, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] Verdienten ſie die Krone oder nicht? na Catharine Unruhe, welche ich bey meiner Ab- reiſe ſchwanger hinterlaſſen, und das Kind von ihrem Leibe gebohren, wenn es der liebe Gott … weiter konnte er vor dem Laͤrm der Leute nicht leſen; je- dermann erkannte in der Anna Catharine Unruhe die Frau, welche ihrer aller Vermuthung nach als die beſte Ehefrau an dem Tage die Krone erhalten wuͤrde, und alle waren ganz ausſchweifend froh, daß eine ſo große Erbſchaft ins Dorf kommen ſollte. Die gnaͤdige Frau vom Schloſſe, welche ſich ſo gleich auf die erſte Nachricht von dieſer Neuigkeit in der Verſammlung eingefunden hatte, erſuchte die Anna Catharine aufs inſtaͤndigſte, doch ja die Perlen nicht in Amſterdam loszuſchlagen, weil ſie ihr ſolche ſo gut als ein andrer bezahlen wollte. Der gnaͤdige Herr begehrte ein gleiches wegen der großen Dia- manten; der Gerichtsverwalter erbot ſich zur Reiſe um die Erbſchaft in Empfang zu nehmen; der Pfarrer, wel- cher des Morgens, wie es an dieſem Tage gewoͤhnlich war, eine ſchoͤne Predigt uͤber die haͤuslichen Tugenden gehalten hatte, und der Ceremonie der Kroͤnung des be- ſten Ehepaars mit beywohnte, erinnerte ſie an ſeine ſchlechte Pfruͤnde, und den baufaͤlligen Thurm der Kir- che; und alle Einwohner des Dorfs hatten ihre beſon- dere Anliegen, deren Erzaͤhlung aber viel zu weitlaͤuftig ſeyn wuͤrde. Endlich und nachdem der erſte Laͤrm zu einer maͤßi- gern Luſt hinabgeſunken war, fieng der gluͤckliche Mann dieſer reichen Erbin an ſie zu fragen: ob ſie denn vorher, ehe ſie ihn geheyrathet haͤtte, ein Kind gehabt, und warum ſie ihm denn niemals davon etwas geſagt haͤtte? Hier gieng der Laͤrm von neuem an, und ich ſchaͤme mich faſt es zu ſagen, mit welchen Gruͤnden alle mit einander, Hohe und Niedrige, den Mann zu bereden ſuchten, daß er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/91
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/91>, abgerufen am 05.05.2024.