Aus dem Leben eines Frauenzimmers von ihr selbst beschrieben.
..... O mein armer Mann! rief ich, aber es war vorbey, und in dem Augenblick hielt der Wagen vor meiner Thür: es war schon nach Mitternacht, der Herr Graf empfohl sich kurz, und ich flog in mein Schlafzimmer, wo ich ein Glas frisches kühles Wasser herunterschluckte, und aus allen Kräften laut seufzete. Meine Cammerjungfer merkte gleich daß mir etwas be- gegnet sey, womit ich nicht völlig zufrieden wäre, und fieng an die Vergnügungen des Tages durchzugehen, ver- muthlich um zu sehen, zu welcher ich die verdrießlichste Mine machen würde. Dejeune' und Soupe', rief sie, Comedie und Assamblee, Morgen- und Abendball, Me- dianotte, und andre Jntermezzos, wenn das nicht ver- gnügte Leute macht, so weiß ich nicht woher sie kommen sollen. Das Wort Jntermezzo fiel mir auf, ich weiß wohl warum, und wie ich mürrisch fragte, was denn noch für Jntermezzos? fieng die Hexe laut an zu lachen. So gleich sagte mir mein Gewissen, daß ich mich verra- then hätte, und weg war der Stolz, womit ich vorhin allen Versuchungen und Gefahren zu trotzen geglaubet hatte. Dummes lachen! und mache sie fort, es ist spät! war meine ganze Antwort, und hiemit ward alles stille. Meine Einbildung glüete die ganze Nacht, und ich schwärmte von einer Vorstellung zur andern, und wenn ich auf das letzte Jntermezzo kam, wie es mein Mädgen
zu
Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.
Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.
Aus dem Leben eines Frauenzimmers von ihr ſelbſt beſchrieben.
..... O mein armer Mann! rief ich, aber es war vorbey, und in dem Augenblick hielt der Wagen vor meiner Thuͤr: es war ſchon nach Mitternacht, der Herr Graf empfohl ſich kurz, und ich flog in mein Schlafzimmer, wo ich ein Glas friſches kuͤhles Waſſer herunterſchluckte, und aus allen Kraͤften laut ſeufzete. Meine Cammerjungfer merkte gleich daß mir etwas be- gegnet ſey, womit ich nicht voͤllig zufrieden waͤre, und fieng an die Vergnuͤgungen des Tages durchzugehen, ver- muthlich um zu ſehen, zu welcher ich die verdrießlichſte Mine machen wuͤrde. Dejeune’ und Soupe’, rief ſie, Comedie und Aſſamblee, Morgen- und Abendball, Me- dianotte, und andre Jntermezzos, wenn das nicht ver- gnuͤgte Leute macht, ſo weiß ich nicht woher ſie kommen ſollen. Das Wort Jntermezzo fiel mir auf, ich weiß wohl warum, und wie ich muͤrriſch fragte, was denn noch fuͤr Jntermezzos? fieng die Hexe laut an zu lachen. So gleich ſagte mir mein Gewiſſen, daß ich mich verra- then haͤtte, und weg war der Stolz, womit ich vorhin allen Verſuchungen und Gefahren zu trotzen geglaubet hatte. Dummes lachen! und mache ſie fort, es iſt ſpaͤt! war meine ganze Antwort, und hiemit ward alles ſtille. Meine Einbildung gluͤete die ganze Nacht, und ich ſchwaͤrmte von einer Vorſtellung zur andern, und wenn ich auf das letzte Jntermezzo kam, wie es mein Maͤdgen
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0080"n="68"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Aus dem Leben eines Frauenzimmers von ihr<lb/>ſelbſt beſchrieben.</hi></head><lb/><p>..... <hirendition="#in">O</hi> mein armer Mann! rief ich, aber es war<lb/>
vorbey, und in dem Augenblick hielt der<lb/>
Wagen vor meiner Thuͤr: es war ſchon nach Mitternacht,<lb/>
der Herr Graf empfohl ſich kurz, und ich flog in mein<lb/>
Schlafzimmer, wo ich ein Glas friſches kuͤhles Waſſer<lb/>
herunterſchluckte, und aus allen Kraͤften laut ſeufzete.<lb/>
Meine Cammerjungfer merkte gleich daß mir etwas be-<lb/>
gegnet ſey, womit ich nicht voͤllig zufrieden waͤre, und<lb/>
fieng an die Vergnuͤgungen des Tages durchzugehen, ver-<lb/>
muthlich um zu ſehen, zu welcher ich die verdrießlichſte<lb/>
Mine machen wuͤrde. Dejeune’ und Soupe’, rief ſie,<lb/>
Comedie und Aſſamblee, Morgen- und Abendball, Me-<lb/>
dianotte, und andre Jntermezzos, wenn das nicht ver-<lb/>
gnuͤgte Leute macht, ſo weiß ich nicht woher ſie kommen<lb/>ſollen. Das Wort <hirendition="#fr">Jntermezzo</hi> fiel mir auf, ich weiß<lb/>
wohl warum, und wie ich muͤrriſch fragte, was denn<lb/>
noch fuͤr Jntermezzos? fieng die Hexe laut an zu lachen.<lb/>
So gleich ſagte mir mein Gewiſſen, daß ich mich verra-<lb/>
then haͤtte, und weg war der Stolz, womit ich vorhin<lb/>
allen Verſuchungen und Gefahren zu trotzen geglaubet<lb/>
hatte. Dummes lachen! und mache ſie fort, es iſt ſpaͤt!<lb/>
war meine ganze Antwort, und hiemit ward alles ſtille.<lb/>
Meine Einbildung gluͤete die ganze Nacht, und ich<lb/>ſchwaͤrmte von einer Vorſtellung zur andern, und wenn<lb/>
ich auf das letzte Jntermezzo kam, wie es mein Maͤdgen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[68/0080]
Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.
Ein kleiner Umſtand thut oft vieles.
Aus dem Leben eines Frauenzimmers von ihr
ſelbſt beſchrieben.
..... O mein armer Mann! rief ich, aber es war
vorbey, und in dem Augenblick hielt der
Wagen vor meiner Thuͤr: es war ſchon nach Mitternacht,
der Herr Graf empfohl ſich kurz, und ich flog in mein
Schlafzimmer, wo ich ein Glas friſches kuͤhles Waſſer
herunterſchluckte, und aus allen Kraͤften laut ſeufzete.
Meine Cammerjungfer merkte gleich daß mir etwas be-
gegnet ſey, womit ich nicht voͤllig zufrieden waͤre, und
fieng an die Vergnuͤgungen des Tages durchzugehen, ver-
muthlich um zu ſehen, zu welcher ich die verdrießlichſte
Mine machen wuͤrde. Dejeune’ und Soupe’, rief ſie,
Comedie und Aſſamblee, Morgen- und Abendball, Me-
dianotte, und andre Jntermezzos, wenn das nicht ver-
gnuͤgte Leute macht, ſo weiß ich nicht woher ſie kommen
ſollen. Das Wort Jntermezzo fiel mir auf, ich weiß
wohl warum, und wie ich muͤrriſch fragte, was denn
noch fuͤr Jntermezzos? fieng die Hexe laut an zu lachen.
So gleich ſagte mir mein Gewiſſen, daß ich mich verra-
then haͤtte, und weg war der Stolz, womit ich vorhin
allen Verſuchungen und Gefahren zu trotzen geglaubet
hatte. Dummes lachen! und mache ſie fort, es iſt ſpaͤt!
war meine ganze Antwort, und hiemit ward alles ſtille.
Meine Einbildung gluͤete die ganze Nacht, und ich
ſchwaͤrmte von einer Vorſtellung zur andern, und wenn
ich auf das letzte Jntermezzo kam, wie es mein Maͤdgen
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/80>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.