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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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an ihren hitzigen Freund.
net ein schwaches Bein, was zu hinken drohet; daher
es dritten Theils höchst schädlich seyn würde, dergleichen
von Natur mangelhafte Seelen ohne Hülfe oder ohne
Schienen, wenn ich es so ausdrücken mag, zu lassen;
und woher wollen Sie Schienen für die Seele suchen,
wenn sie solche nicht aus dem Zorn, dem Unwillen, und
der Verachtung nehmen, womit man dergleichen natür-
liche Fehler der Seelen bestraft? Wie sehr würden diese
immer mehr und mehr ihrem üblen Hange folgen, wenn
man die Narren bedauerte, daß sie von Natur nicht recht
gescheit wären, oder mit den Hitzigen Mitleid hätte. Hier
muß man nicht ablassen mit wohlthätigen Strafen und
Ermahnen, und so wie man der Kinder Seelen mit Flu-
chen und Segnen, mit Strafen und Belohnungen und
mit allen Spann- und Sperrhölzern, die nur möglich
sind, umgiebt, um sie gerade zu ziehen, und vor dem Ue-
berschlagen zu bewahren: so muß man auch des Mannes
Seele, wenn sie eine Unart angenommen hat, so lange
hämmern, bis sie einen reinen Schlacken giebt.

Wenn es jemals einen Naturfehler an der mensch-
lichen Seele gegeben hat: so ist es gewiß die gar zu große
Begierde, welche wir haben, unsern Gegnern eine ab-
surde Folge ihrer Behauptungen zu zeigen. Auch ich fühle
diese Schwäche so stark wie ein andrer, und habe ihr
vielleicht schon zu viel nachgegeben, da ich Jhnen jetzt
auf gewisse Weise das Absurde ihrer Entschuldigung ge-
zeigt habe. Aber was würde daraus werden, wenn man
gegen diesen Fehler gar nicht auf seiner Hut wäre, wenn
man immer so gleich nach einer Jnstanz haschte, womit
man seinen Gegner so recht bey der Nase ins Narren-
spital führte, und dieser einen mit noch größerer Erbit-
terung ins Tollhaus schickte? Würde es nicht eine Mar-
ter seyn in Gesellschaft zu gehen, und würde man nicht

in

an ihren hitzigen Freund.
net ein ſchwaches Bein, was zu hinken drohet; daher
es dritten Theils hoͤchſt ſchaͤdlich ſeyn wuͤrde, dergleichen
von Natur mangelhafte Seelen ohne Huͤlfe oder ohne
Schienen, wenn ich es ſo ausdruͤcken mag, zu laſſen;
und woher wollen Sie Schienen fuͤr die Seele ſuchen,
wenn ſie ſolche nicht aus dem Zorn, dem Unwillen, und
der Verachtung nehmen, womit man dergleichen natuͤr-
liche Fehler der Seelen beſtraft? Wie ſehr wuͤrden dieſe
immer mehr und mehr ihrem uͤblen Hange folgen, wenn
man die Narren bedauerte, daß ſie von Natur nicht recht
geſcheit waͤren, oder mit den Hitzigen Mitleid haͤtte. Hier
muß man nicht ablaſſen mit wohlthaͤtigen Strafen und
Ermahnen, und ſo wie man der Kinder Seelen mit Flu-
chen und Segnen, mit Strafen und Belohnungen und
mit allen Spann- und Sperrhoͤlzern, die nur moͤglich
ſind, umgiebt, um ſie gerade zu ziehen, und vor dem Ue-
berſchlagen zu bewahren: ſo muß man auch des Mannes
Seele, wenn ſie eine Unart angenommen hat, ſo lange
haͤmmern, bis ſie einen reinen Schlacken giebt.

Wenn es jemals einen Naturfehler an der menſch-
lichen Seele gegeben hat: ſo iſt es gewiß die gar zu große
Begierde, welche wir haben, unſern Gegnern eine ab-
ſurde Folge ihrer Behauptungen zu zeigen. Auch ich fuͤhle
dieſe Schwaͤche ſo ſtark wie ein andrer, und habe ihr
vielleicht ſchon zu viel nachgegeben, da ich Jhnen jetzt
auf gewiſſe Weiſe das Abſurde ihrer Entſchuldigung ge-
zeigt habe. Aber was wuͤrde daraus werden, wenn man
gegen dieſen Fehler gar nicht auf ſeiner Hut waͤre, wenn
man immer ſo gleich nach einer Jnſtanz haſchte, womit
man ſeinen Gegner ſo recht bey der Naſe ins Narren-
ſpital fuͤhrte, und dieſer einen mit noch groͤßerer Erbit-
terung ins Tollhaus ſchickte? Wuͤrde es nicht eine Mar-
ter ſeyn in Geſellſchaft zu gehen, und wuͤrde man nicht

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[59/0071] an ihren hitzigen Freund. net ein ſchwaches Bein, was zu hinken drohet; daher es dritten Theils hoͤchſt ſchaͤdlich ſeyn wuͤrde, dergleichen von Natur mangelhafte Seelen ohne Huͤlfe oder ohne Schienen, wenn ich es ſo ausdruͤcken mag, zu laſſen; und woher wollen Sie Schienen fuͤr die Seele ſuchen, wenn ſie ſolche nicht aus dem Zorn, dem Unwillen, und der Verachtung nehmen, womit man dergleichen natuͤr- liche Fehler der Seelen beſtraft? Wie ſehr wuͤrden dieſe immer mehr und mehr ihrem uͤblen Hange folgen, wenn man die Narren bedauerte, daß ſie von Natur nicht recht geſcheit waͤren, oder mit den Hitzigen Mitleid haͤtte. Hier muß man nicht ablaſſen mit wohlthaͤtigen Strafen und Ermahnen, und ſo wie man der Kinder Seelen mit Flu- chen und Segnen, mit Strafen und Belohnungen und mit allen Spann- und Sperrhoͤlzern, die nur moͤglich ſind, umgiebt, um ſie gerade zu ziehen, und vor dem Ue- berſchlagen zu bewahren: ſo muß man auch des Mannes Seele, wenn ſie eine Unart angenommen hat, ſo lange haͤmmern, bis ſie einen reinen Schlacken giebt. Wenn es jemals einen Naturfehler an der menſch- lichen Seele gegeben hat: ſo iſt es gewiß die gar zu große Begierde, welche wir haben, unſern Gegnern eine ab- ſurde Folge ihrer Behauptungen zu zeigen. Auch ich fuͤhle dieſe Schwaͤche ſo ſtark wie ein andrer, und habe ihr vielleicht ſchon zu viel nachgegeben, da ich Jhnen jetzt auf gewiſſe Weiſe das Abſurde ihrer Entſchuldigung ge- zeigt habe. Aber was wuͤrde daraus werden, wenn man gegen dieſen Fehler gar nicht auf ſeiner Hut waͤre, wenn man immer ſo gleich nach einer Jnſtanz haſchte, womit man ſeinen Gegner ſo recht bey der Naſe ins Narren- ſpital fuͤhrte, und dieſer einen mit noch groͤßerer Erbit- terung ins Tollhaus ſchickte? Wuͤrde es nicht eine Mar- ter ſeyn in Geſellſchaft zu gehen, und wuͤrde man nicht in

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/71>, abgerufen am 22.11.2024.