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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Der Capitularsoldat.
immer mehr und mehr gewinnen muß; oder die Capitu-
laren, besonders die Domcapitularen, wenn sie von allen
Kriegsdiensten ausgeschlossen bleiben, werden zuletzt an
den großen weltlichen Höfen zu niedlichen Abbe's herab-
sinken, und ihre bisher gehabte Würde nicht behaupten
können. Ob die Kirche hiebey gewinnen, und ob nicht
mit der Zeit ein so wesentlicher Fehler in ihrer Verfas-
sung, das ganze System untergraben, mithin in der
Folge den Weltgeistlichen eben den Haß zuziehen werde,
welchen sich die Mönche durch ihre politische Unthätig-
keit zugezogen haben: überlasse ich andern zu beurthei-
len. Aber offenbar erfodert es das allgemeine Wohl des
Staats, und das eigene Jnteresse der Kirche, daß hierinn
eine Reformation vorgenommen werde: und ich sehe nicht
ab, was unsern Kayser abhalten solle, solche von dem
Oberhaupte der Kirche zu verlangen, oder was den Papst
bewegen könnte, diese zu verweigern, da die Nothdurft
der Kirche und die Bedürfnis der Zeit, sie gleich laut
fodern. Die Kirche darf nicht nach Blut dürsten: das
weiß ich, und das verehre ich als eine wesentliche Chri-
stenpflicht. Aber daß sie nicht Blut vergießen dürfe, wenn
eigene Rettung, die Rettung des Staats und der Heerde,
solches von ihr erfodert: das ist die Lehre des Miethlings,
der anstatt den Wolf zu tödten, ihm die Heerde preis
giebt. Daher auch schon Clemens V. jeden Geistlichen
von aller Jrregularität frey sprach, wenn er Blut zu
seiner Rettung vergossen hatte.

Wenn ich alle die Bruchstücke, welche in den Conci-
lien und Decretalen darüber vorhanden sind, daß die
Geistlichen sich nicht in Kriegsdienste einlassen sollen, zu-
sammen und in Ordnung stelle: so kömmt am Ende nichts
weiter als dieser Sinn heraus, daß diejenigen, so der

Kirche

Der Capitularſoldat.
immer mehr und mehr gewinnen muß; oder die Capitu-
laren, beſonders die Domcapitularen, wenn ſie von allen
Kriegsdienſten ausgeſchloſſen bleiben, werden zuletzt an
den großen weltlichen Hoͤfen zu niedlichen Abbe’s herab-
ſinken, und ihre bisher gehabte Wuͤrde nicht behaupten
koͤnnen. Ob die Kirche hiebey gewinnen, und ob nicht
mit der Zeit ein ſo weſentlicher Fehler in ihrer Verfaſ-
ſung, das ganze Syſtem untergraben, mithin in der
Folge den Weltgeiſtlichen eben den Haß zuziehen werde,
welchen ſich die Moͤnche durch ihre politiſche Unthaͤtig-
keit zugezogen haben: uͤberlaſſe ich andern zu beurthei-
len. Aber offenbar erfodert es das allgemeine Wohl des
Staats, und das eigene Jntereſſe der Kirche, daß hierinn
eine Reformation vorgenommen werde: und ich ſehe nicht
ab, was unſern Kayſer abhalten ſolle, ſolche von dem
Oberhaupte der Kirche zu verlangen, oder was den Papſt
bewegen koͤnnte, dieſe zu verweigern, da die Nothdurft
der Kirche und die Beduͤrfnis der Zeit, ſie gleich laut
fodern. Die Kirche darf nicht nach Blut duͤrſten: das
weiß ich, und das verehre ich als eine weſentliche Chri-
ſtenpflicht. Aber daß ſie nicht Blut vergießen duͤrfe, wenn
eigene Rettung, die Rettung des Staats und der Heerde,
ſolches von ihr erfodert: das iſt die Lehre des Miethlings,
der anſtatt den Wolf zu toͤdten, ihm die Heerde preis
giebt. Daher auch ſchon Clemens V. jeden Geiſtlichen
von aller Jrregularitaͤt frey ſprach, wenn er Blut zu
ſeiner Rettung vergoſſen hatte.

Wenn ich alle die Bruchſtuͤcke, welche in den Conci-
lien und Decretalen daruͤber vorhanden ſind, daß die
Geiſtlichen ſich nicht in Kriegsdienſte einlaſſen ſollen, zu-
ſammen und in Ordnung ſtelle: ſo koͤmmt am Ende nichts
weiter als dieſer Sinn heraus, daß diejenigen, ſo der

Kirche
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[296/0308] Der Capitularſoldat. immer mehr und mehr gewinnen muß; oder die Capitu- laren, beſonders die Domcapitularen, wenn ſie von allen Kriegsdienſten ausgeſchloſſen bleiben, werden zuletzt an den großen weltlichen Hoͤfen zu niedlichen Abbe’s herab- ſinken, und ihre bisher gehabte Wuͤrde nicht behaupten koͤnnen. Ob die Kirche hiebey gewinnen, und ob nicht mit der Zeit ein ſo weſentlicher Fehler in ihrer Verfaſ- ſung, das ganze Syſtem untergraben, mithin in der Folge den Weltgeiſtlichen eben den Haß zuziehen werde, welchen ſich die Moͤnche durch ihre politiſche Unthaͤtig- keit zugezogen haben: uͤberlaſſe ich andern zu beurthei- len. Aber offenbar erfodert es das allgemeine Wohl des Staats, und das eigene Jntereſſe der Kirche, daß hierinn eine Reformation vorgenommen werde: und ich ſehe nicht ab, was unſern Kayſer abhalten ſolle, ſolche von dem Oberhaupte der Kirche zu verlangen, oder was den Papſt bewegen koͤnnte, dieſe zu verweigern, da die Nothdurft der Kirche und die Beduͤrfnis der Zeit, ſie gleich laut fodern. Die Kirche darf nicht nach Blut duͤrſten: das weiß ich, und das verehre ich als eine weſentliche Chri- ſtenpflicht. Aber daß ſie nicht Blut vergießen duͤrfe, wenn eigene Rettung, die Rettung des Staats und der Heerde, ſolches von ihr erfodert: das iſt die Lehre des Miethlings, der anſtatt den Wolf zu toͤdten, ihm die Heerde preis giebt. Daher auch ſchon Clemens V. jeden Geiſtlichen von aller Jrregularitaͤt frey ſprach, wenn er Blut zu ſeiner Rettung vergoſſen hatte. Wenn ich alle die Bruchſtuͤcke, welche in den Conci- lien und Decretalen daruͤber vorhanden ſind, daß die Geiſtlichen ſich nicht in Kriegsdienſte einlaſſen ſollen, zu- ſammen und in Ordnung ſtelle: ſo koͤmmt am Ende nichts weiter als dieſer Sinn heraus, daß diejenigen, ſo der Kirche

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/308>, abgerufen am 21.11.2024.