Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Concursprocesse

Hier blieben diesen nur zwey mögliche Wege offen.
Entweder hatten sie ein älters und bessers Recht, als die-
jenigen, welche geeilet waren, um in den Besitz der Ren-
ten zu kommen; oder sie hatten ein jüngers. Jm erstern
Fall hatten die alten den Weg einer gemeinen Klage ge-
gen die jüngern, um solche mit Hülfe eines ordentlichen
richterlichen Erkenntniß aus dem Besitze zu treiben, worin
sie blos mit dem gewöhnlichen Vorbehalt eines jeden Rech-
tens, auf gerathewohl gesetzet waren. Jn dem letztern
hingegen, mußten sie sich mit den Gedanken schmeicheln,
daß das Gut, wenn es verkauft würde, mehr gelten
könnte, als die Gläubiger, die es nutzten, zu fordern
hatten.

Aber dieser schmeichelhafte Gedanke, konnte eine
Chimere seyn, und auf Chimeren konnte der Richter nicht
zur Subhastation des Gutes schreiten. Dieser gab ihnen
also den rechtlichen Bescheid, daß, wenn sie für die Reali-
sirung dieser Chimere, und für die mit der Subhastation
verknüpften Kosten hinlängliche Sicherheit bestellen wür-
den, alsdenn nach ihrem Wunsche verfahren werden
sollte. Anders konnte er nicht erkennen: denn die jün-
gern Gläubiger hatten nicht das mindeste Recht, die äl-
tern Rentekäufer in Unsicherheit zu setzen; auch selbst die
Einwilligung des Schuldners, oder eine sogenannte cessio
bonorum
reichte dahin nicht: denn wie konnte der Schuld-
ner seine vorigen Verkaufcontracte aufheben, oder die
Rentekäufer einseitig in Gefahr setzen, dasjenige was sie
von ihm gekauft hatten wieder zu verlieren?

Es versteht sich aber von selbst, daß das letztere,
nämlich die Sicherheit für ein solches Gebot, wodurch alle
ältere Gläubiger mit zweyjähriger Zinse und das Gericht
wegen der Kosten gedecket werden, nur alsdenn Statt
fand, wenn der Gläubiger das Recht zu lösen hatte; und

wie
Von dem Concursproceſſe

Hier blieben dieſen nur zwey moͤgliche Wege offen.
Entweder hatten ſie ein aͤlters und beſſers Recht, als die-
jenigen, welche geeilet waren, um in den Beſitz der Ren-
ten zu kommen; oder ſie hatten ein juͤngers. Jm erſtern
Fall hatten die alten den Weg einer gemeinen Klage ge-
gen die juͤngern, um ſolche mit Huͤlfe eines ordentlichen
richterlichen Erkenntniß aus dem Beſitze zu treiben, worin
ſie blos mit dem gewoͤhnlichen Vorbehalt eines jeden Rech-
tens, auf gerathewohl geſetzet waren. Jn dem letztern
hingegen, mußten ſie ſich mit den Gedanken ſchmeicheln,
daß das Gut, wenn es verkauft wuͤrde, mehr gelten
koͤnnte, als die Glaͤubiger, die es nutzten, zu fordern
hatten.

Aber dieſer ſchmeichelhafte Gedanke, konnte eine
Chimere ſeyn, und auf Chimeren konnte der Richter nicht
zur Subhaſtation des Gutes ſchreiten. Dieſer gab ihnen
alſo den rechtlichen Beſcheid, daß, wenn ſie fuͤr die Reali-
ſirung dieſer Chimere, und fuͤr die mit der Subhaſtation
verknuͤpften Koſten hinlaͤngliche Sicherheit beſtellen wuͤr-
den, alsdenn nach ihrem Wunſche verfahren werden
ſollte. Anders konnte er nicht erkennen: denn die juͤn-
gern Glaͤubiger hatten nicht das mindeſte Recht, die aͤl-
tern Rentekaͤufer in Unſicherheit zu ſetzen; auch ſelbſt die
Einwilligung des Schuldners, oder eine ſogenannte ceſſio
bonorum
reichte dahin nicht: denn wie konnte der Schuld-
ner ſeine vorigen Verkaufcontracte aufheben, oder die
Rentekaͤufer einſeitig in Gefahr ſetzen, dasjenige was ſie
von ihm gekauft hatten wieder zu verlieren?

Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß das letztere,
naͤmlich die Sicherheit fuͤr ein ſolches Gebot, wodurch alle
aͤltere Glaͤubiger mit zweyjaͤhriger Zinſe und das Gericht
wegen der Koſten gedecket werden, nur alsdenn Statt
fand, wenn der Glaͤubiger das Recht zu loͤſen hatte; und

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0274" n="262"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Concursproce&#x017F;&#x017F;e</hi> </fw><lb/>
          <p>Hier blieben die&#x017F;en nur zwey mo&#x0364;gliche Wege offen.<lb/>
Entweder hatten &#x017F;ie ein a&#x0364;lters und be&#x017F;&#x017F;ers Recht, als die-<lb/>
jenigen, welche geeilet waren, um in den Be&#x017F;itz der Ren-<lb/>
ten zu kommen; oder &#x017F;ie hatten ein ju&#x0364;ngers. Jm er&#x017F;tern<lb/>
Fall hatten die alten den Weg einer gemeinen Klage ge-<lb/>
gen die ju&#x0364;ngern, um &#x017F;olche mit Hu&#x0364;lfe eines ordentlichen<lb/>
richterlichen Erkenntniß aus dem Be&#x017F;itze zu treiben, worin<lb/>
&#x017F;ie blos mit dem gewo&#x0364;hnlichen Vorbehalt eines jeden Rech-<lb/>
tens, auf gerathewohl ge&#x017F;etzet waren. Jn dem letztern<lb/>
hingegen, mußten &#x017F;ie &#x017F;ich mit den Gedanken &#x017F;chmeicheln,<lb/>
daß das Gut, wenn es verkauft wu&#x0364;rde, mehr gelten<lb/>
ko&#x0364;nnte, als die Gla&#x0364;ubiger, die es nutzten, zu fordern<lb/>
hatten.</p><lb/>
          <p>Aber die&#x017F;er &#x017F;chmeichelhafte Gedanke, konnte eine<lb/>
Chimere &#x017F;eyn, und auf Chimeren konnte der Richter nicht<lb/>
zur Subha&#x017F;tation des Gutes &#x017F;chreiten. Die&#x017F;er gab ihnen<lb/>
al&#x017F;o den rechtlichen Be&#x017F;cheid, daß, wenn &#x017F;ie fu&#x0364;r die Reali-<lb/>
&#x017F;irung die&#x017F;er Chimere, und fu&#x0364;r die mit der Subha&#x017F;tation<lb/>
verknu&#x0364;pften Ko&#x017F;ten hinla&#x0364;ngliche Sicherheit be&#x017F;tellen wu&#x0364;r-<lb/>
den, alsdenn nach ihrem Wun&#x017F;che verfahren werden<lb/>
&#x017F;ollte. Anders konnte er nicht erkennen: denn die ju&#x0364;n-<lb/>
gern Gla&#x0364;ubiger hatten nicht das minde&#x017F;te Recht, die a&#x0364;l-<lb/>
tern Renteka&#x0364;ufer in Un&#x017F;icherheit zu &#x017F;etzen; auch &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
Einwilligung des Schuldners, oder eine &#x017F;ogenannte <hi rendition="#aq">ce&#x017F;&#x017F;io<lb/>
bonorum</hi> reichte dahin nicht: denn wie konnte der Schuld-<lb/>
ner &#x017F;eine vorigen Verkaufcontracte aufheben, oder die<lb/>
Renteka&#x0364;ufer ein&#x017F;eitig in Gefahr &#x017F;etzen, dasjenige was &#x017F;ie<lb/>
von ihm gekauft hatten wieder zu verlieren?</p><lb/>
          <p>Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich aber von &#x017F;elb&#x017F;t, daß das letztere,<lb/>
na&#x0364;mlich die Sicherheit fu&#x0364;r ein &#x017F;olches Gebot, wodurch alle<lb/>
a&#x0364;ltere Gla&#x0364;ubiger mit zweyja&#x0364;hriger Zin&#x017F;e und das Gericht<lb/>
wegen der Ko&#x017F;ten gedecket werden, nur alsdenn Statt<lb/>
fand, wenn der Gla&#x0364;ubiger das Recht zu lo&#x0364;&#x017F;en hatte; und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0274] Von dem Concursproceſſe Hier blieben dieſen nur zwey moͤgliche Wege offen. Entweder hatten ſie ein aͤlters und beſſers Recht, als die- jenigen, welche geeilet waren, um in den Beſitz der Ren- ten zu kommen; oder ſie hatten ein juͤngers. Jm erſtern Fall hatten die alten den Weg einer gemeinen Klage ge- gen die juͤngern, um ſolche mit Huͤlfe eines ordentlichen richterlichen Erkenntniß aus dem Beſitze zu treiben, worin ſie blos mit dem gewoͤhnlichen Vorbehalt eines jeden Rech- tens, auf gerathewohl geſetzet waren. Jn dem letztern hingegen, mußten ſie ſich mit den Gedanken ſchmeicheln, daß das Gut, wenn es verkauft wuͤrde, mehr gelten koͤnnte, als die Glaͤubiger, die es nutzten, zu fordern hatten. Aber dieſer ſchmeichelhafte Gedanke, konnte eine Chimere ſeyn, und auf Chimeren konnte der Richter nicht zur Subhaſtation des Gutes ſchreiten. Dieſer gab ihnen alſo den rechtlichen Beſcheid, daß, wenn ſie fuͤr die Reali- ſirung dieſer Chimere, und fuͤr die mit der Subhaſtation verknuͤpften Koſten hinlaͤngliche Sicherheit beſtellen wuͤr- den, alsdenn nach ihrem Wunſche verfahren werden ſollte. Anders konnte er nicht erkennen: denn die juͤn- gern Glaͤubiger hatten nicht das mindeſte Recht, die aͤl- tern Rentekaͤufer in Unſicherheit zu ſetzen; auch ſelbſt die Einwilligung des Schuldners, oder eine ſogenannte ceſſio bonorum reichte dahin nicht: denn wie konnte der Schuld- ner ſeine vorigen Verkaufcontracte aufheben, oder die Rentekaͤufer einſeitig in Gefahr ſetzen, dasjenige was ſie von ihm gekauft hatten wieder zu verlieren? Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß das letztere, naͤmlich die Sicherheit fuͤr ein ſolches Gebot, wodurch alle aͤltere Glaͤubiger mit zweyjaͤhriger Zinſe und das Gericht wegen der Koſten gedecket werden, nur alsdenn Statt fand, wenn der Glaͤubiger das Recht zu loͤſen hatte; und wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/274
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/274>, abgerufen am 22.11.2024.