Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Westphälischen Freygerichten.
serlichen Comissair zulassen. Jeder Bischof und Fürst
war darauf bedacht die Commission auf sich zu bekom-
men, selbst Oberlehnsherr der Stühle in seinem Lande zu
werden, und damit eine fremde Gerichtsbarkeit auszu-
schließen. Der Erzhischof von Cölln allein, welcher das
Herzogthum in Engern und Westphalen erhalten hatte,
widersetzte sich diesen Unternehmungen, und brachte es
auch würklich dahin, daß er fast überall in Westphalen
und Engern als oberster Stuhlherr erkannt wurde. Von
ihm hieng also eine Zeitlang die Ernennung aller Frey-
grafen in diesen Ländern ab, und vermuthlich auch die
Belehnung derselben mit des Königs Banne.

Jn dieser Lage blieben die Freygrafschaften eine gute
Weile, außer daß sich viele Bischöfe, Fürsten und Städ-
te, welche das ordentliche Richteramt zur Erhaltung,
oder die Gowgrafschaften an sich gebracht hatten, sich
diesem ausserordentlichen Beamten zu entziehen, und ent-
weder dieses ihr Richteramt auch auf die Fälle zu Haut
und Haar zu erstrecken suchten, oder sich auf andre Art
den Freygrafen widersetzten, wozu die allmählige Abnah-
me des Rechts die Verbrechen mit Gelde zu lösen, der
Landfrieden, und andre Arten von Selbsthülfen, haupt-
sächlich aber die von dem Kayser gegen sein eignes Jnte-
resse ertheilten Privilegien nicht wenig beytragen mochten.
Gegen das Ende des vierzehnten und zu Anfang des funf-
zehnten Jahrhunderts erschienen sie aber auf einmal mit
einer solchen Macht, daß ganz Deutschland davor zittern
mußte; und ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich
annehme, daß mehr als hundert tausend Freyschöpfen in
Deutschland waren, die wie die Freymäurer vereint und
unerkannt, jeden der von der heimlichen Acht verdammt
war, unverwarnt hinrichteten, und was die Ausrichtung

be-
N 3

von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten.
ſerlichen Comiſſair zulaſſen. Jeder Biſchof und Fuͤrſt
war darauf bedacht die Commiſſion auf ſich zu bekom-
men, ſelbſt Oberlehnsherr der Stuͤhle in ſeinem Lande zu
werden, und damit eine fremde Gerichtsbarkeit auszu-
ſchließen. Der Erzhiſchof von Coͤlln allein, welcher das
Herzogthum in Engern und Weſtphalen erhalten hatte,
widerſetzte ſich dieſen Unternehmungen, und brachte es
auch wuͤrklich dahin, daß er faſt uͤberall in Weſtphalen
und Engern als oberſter Stuhlherr erkannt wurde. Von
ihm hieng alſo eine Zeitlang die Ernennung aller Frey-
grafen in dieſen Laͤndern ab, und vermuthlich auch die
Belehnung derſelben mit des Koͤnigs Banne.

Jn dieſer Lage blieben die Freygrafſchaften eine gute
Weile, außer daß ſich viele Biſchoͤfe, Fuͤrſten und Staͤd-
te, welche das ordentliche Richteramt zur Erhaltung,
oder die Gowgrafſchaften an ſich gebracht hatten, ſich
dieſem auſſerordentlichen Beamten zu entziehen, und ent-
weder dieſes ihr Richteramt auch auf die Faͤlle zu Haut
und Haar zu erſtrecken ſuchten, oder ſich auf andre Art
den Freygrafen widerſetzten, wozu die allmaͤhlige Abnah-
me des Rechts die Verbrechen mit Gelde zu loͤſen, der
Landfrieden, und andre Arten von Selbſthuͤlfen, haupt-
ſaͤchlich aber die von dem Kayſer gegen ſein eignes Jnte-
reſſe ertheilten Privilegien nicht wenig beytragen mochten.
Gegen das Ende des vierzehnten und zu Anfang des funf-
zehnten Jahrhunderts erſchienen ſie aber auf einmal mit
einer ſolchen Macht, daß ganz Deutſchland davor zittern
mußte; und ich glaube nicht zu viel zu ſagen, wenn ich
annehme, daß mehr als hundert tauſend Freyſchoͤpfen in
Deutſchland waren, die wie die Freymaͤurer vereint und
unerkannt, jeden der von der heimlichen Acht verdammt
war, unverwarnt hinrichteten, und was die Ausrichtung

be-
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0209" n="197"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Freygerichten.</hi></fw><lb/>
&#x017F;erlichen Comi&#x017F;&#x017F;air zula&#x017F;&#x017F;en. Jeder Bi&#x017F;chof und Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
war darauf bedacht die Commi&#x017F;&#x017F;ion auf &#x017F;ich zu bekom-<lb/>
men, &#x017F;elb&#x017F;t Oberlehnsherr der Stu&#x0364;hle in &#x017F;einem Lande zu<lb/>
werden, und damit eine fremde Gerichtsbarkeit auszu-<lb/>
&#x017F;chließen. Der Erzhi&#x017F;chof von Co&#x0364;lln allein, welcher das<lb/>
Herzogthum in Engern und We&#x017F;tphalen erhalten hatte,<lb/>
wider&#x017F;etzte &#x017F;ich die&#x017F;en Unternehmungen, und brachte es<lb/>
auch wu&#x0364;rklich dahin, daß er fa&#x017F;t u&#x0364;berall in We&#x017F;tphalen<lb/>
und Engern als ober&#x017F;ter Stuhlherr erkannt wurde. Von<lb/>
ihm hieng al&#x017F;o eine Zeitlang die Ernennung aller Frey-<lb/>
grafen in die&#x017F;en La&#x0364;ndern ab, und vermuthlich auch die<lb/>
Belehnung der&#x017F;elben mit des Ko&#x0364;nigs Banne.</p><lb/>
          <p>Jn die&#x017F;er Lage blieben die Freygraf&#x017F;chaften eine gute<lb/>
Weile, außer daß &#x017F;ich viele Bi&#x017F;cho&#x0364;fe, Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Sta&#x0364;d-<lb/>
te, welche das ordentliche Richteramt zur Erhaltung,<lb/>
oder die Gowgraf&#x017F;chaften an &#x017F;ich gebracht hatten, &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;em au&#x017F;&#x017F;erordentlichen Beamten zu entziehen, und ent-<lb/>
weder die&#x017F;es ihr Richteramt auch auf die Fa&#x0364;lle zu Haut<lb/>
und Haar zu er&#x017F;trecken &#x017F;uchten, oder &#x017F;ich auf andre Art<lb/>
den Freygrafen wider&#x017F;etzten, wozu die allma&#x0364;hlige Abnah-<lb/>
me des Rechts die Verbrechen mit Gelde zu lo&#x0364;&#x017F;en, der<lb/>
Landfrieden, und andre Arten von Selb&#x017F;thu&#x0364;lfen, haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich aber die von dem Kay&#x017F;er gegen &#x017F;ein eignes Jnte-<lb/>
re&#x017F;&#x017F;e ertheilten Privilegien nicht wenig beytragen mochten.<lb/>
Gegen das Ende des vierzehnten und zu Anfang des funf-<lb/>
zehnten Jahrhunderts er&#x017F;chienen &#x017F;ie aber auf einmal mit<lb/>
einer &#x017F;olchen Macht, daß ganz Deut&#x017F;chland davor zittern<lb/>
mußte; und ich <hi rendition="#g">glaube</hi> nicht zu viel zu &#x017F;agen, wenn ich<lb/>
annehme, daß mehr als hundert tau&#x017F;end Frey&#x017F;cho&#x0364;pfen in<lb/>
Deut&#x017F;chland waren, die wie die Freyma&#x0364;urer <hi rendition="#g">ve</hi>reint und<lb/>
unerkannt, jeden der von der <hi rendition="#fr">heimlichen Acht</hi> verdammt<lb/>
war, unverwarnt hinrichteten, und was die Ausrichtung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0209] von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten. ſerlichen Comiſſair zulaſſen. Jeder Biſchof und Fuͤrſt war darauf bedacht die Commiſſion auf ſich zu bekom- men, ſelbſt Oberlehnsherr der Stuͤhle in ſeinem Lande zu werden, und damit eine fremde Gerichtsbarkeit auszu- ſchließen. Der Erzhiſchof von Coͤlln allein, welcher das Herzogthum in Engern und Weſtphalen erhalten hatte, widerſetzte ſich dieſen Unternehmungen, und brachte es auch wuͤrklich dahin, daß er faſt uͤberall in Weſtphalen und Engern als oberſter Stuhlherr erkannt wurde. Von ihm hieng alſo eine Zeitlang die Ernennung aller Frey- grafen in dieſen Laͤndern ab, und vermuthlich auch die Belehnung derſelben mit des Koͤnigs Banne. Jn dieſer Lage blieben die Freygrafſchaften eine gute Weile, außer daß ſich viele Biſchoͤfe, Fuͤrſten und Staͤd- te, welche das ordentliche Richteramt zur Erhaltung, oder die Gowgrafſchaften an ſich gebracht hatten, ſich dieſem auſſerordentlichen Beamten zu entziehen, und ent- weder dieſes ihr Richteramt auch auf die Faͤlle zu Haut und Haar zu erſtrecken ſuchten, oder ſich auf andre Art den Freygrafen widerſetzten, wozu die allmaͤhlige Abnah- me des Rechts die Verbrechen mit Gelde zu loͤſen, der Landfrieden, und andre Arten von Selbſthuͤlfen, haupt- ſaͤchlich aber die von dem Kayſer gegen ſein eignes Jnte- reſſe ertheilten Privilegien nicht wenig beytragen mochten. Gegen das Ende des vierzehnten und zu Anfang des funf- zehnten Jahrhunderts erſchienen ſie aber auf einmal mit einer ſolchen Macht, daß ganz Deutſchland davor zittern mußte; und ich glaube nicht zu viel zu ſagen, wenn ich annehme, daß mehr als hundert tauſend Freyſchoͤpfen in Deutſchland waren, die wie die Freymaͤurer vereint und unerkannt, jeden der von der heimlichen Acht verdammt war, unverwarnt hinrichteten, und was die Ausrichtung be- N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/209
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/209>, abgerufen am 25.11.2024.