liche dem würklichen vorziehe, wenn beydes sich nicht zu- sammen findet; und diejenigen versündigen sich an der Menschheit, welche entweder diese Form ganz ausschlies- sen, oder unnatürlich verkürzen und erschweren wollen.
Uebrigens ist es, was die Mittel zur Erhaltung förm- lichen Rechtens, oder die Processe betrift, eine edle Lei- denschaft des Menschen, daß er für dasjenige, was ihm seiner Meynung nach zukömmt, Gut und Blut aufsetzet, und sich gegen alles, was ihn seiner Einsicht nach, un- terdrücken will, aus allen Kräften wehret. Diese Leiden- schaft muß nicht unterdrücket sondern aufgemuntert wer- den, besonders bey geringern, deren Menge den Staat unterhält, und die gar bald zu Grunde gehen würden, wenn sie sich heute ein Stück und Morgen ein anders, ohne darüber zu klagen, nehmen ließen. Der Fürst selbst ist von dieser Leidenschaft beseelt; er läßt sich nichts neh- men, und fordert was ihm zukommt. Das ist er dem Staate, und jeder Bauer dem ihm anvertraueten ge- meinen Gute schuldig. Sein Hof ist sein Gewehr, und er muß auch nicht einen Flintenstein davon verlohren ge- hen lassen, ohne zu klagen.
Zu diesem Ende muß ihm der Weg des förmlichen Rechtens gerade, leicht und kurz gemacht; aber nicht versperret oder verengert werden.
XXIV.
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des wuͤrklichen und foͤrmlichen Rechts.
liche dem wuͤrklichen vorziehe, wenn beydes ſich nicht zu- ſammen findet; und diejenigen verſuͤndigen ſich an der Menſchheit, welche entweder dieſe Form ganz ausſchlieſ- ſen, oder unnatuͤrlich verkuͤrzen und erſchweren wollen.
Uebrigens iſt es, was die Mittel zur Erhaltung foͤrm- lichen Rechtens, oder die Proceſſe betrift, eine edle Lei- denſchaft des Menſchen, daß er fuͤr dasjenige, was ihm ſeiner Meynung nach zukoͤmmt, Gut und Blut aufſetzet, und ſich gegen alles, was ihn ſeiner Einſicht nach, un- terdruͤcken will, aus allen Kraͤften wehret. Dieſe Leiden- ſchaft muß nicht unterdruͤcket ſondern aufgemuntert wer- den, beſonders bey geringern, deren Menge den Staat unterhaͤlt, und die gar bald zu Grunde gehen wuͤrden, wenn ſie ſich heute ein Stuͤck und Morgen ein anders, ohne daruͤber zu klagen, nehmen ließen. Der Fuͤrſt ſelbſt iſt von dieſer Leidenſchaft beſeelt; er laͤßt ſich nichts neh- men, und fordert was ihm zukommt. Das iſt er dem Staate, und jeder Bauer dem ihm anvertraueten ge- meinen Gute ſchuldig. Sein Hof iſt ſein Gewehr, und er muß auch nicht einen Flintenſtein davon verlohren ge- hen laſſen, ohne zu klagen.
Zu dieſem Ende muß ihm der Weg des foͤrmlichen Rechtens gerade, leicht und kurz gemacht; aber nicht verſperret oder verengert werden.
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des wuͤrklichen und foͤrmlichen Rechts.
liche dem wuͤrklichen vorziehe, wenn beydes ſich nicht zu-
ſammen findet; und diejenigen verſuͤndigen ſich an der
Menſchheit, welche entweder dieſe Form ganz ausſchlieſ-
ſen, oder unnatuͤrlich verkuͤrzen und erſchweren wollen.
Uebrigens iſt es, was die Mittel zur Erhaltung foͤrm-
lichen Rechtens, oder die Proceſſe betrift, eine edle Lei-
denſchaft des Menſchen, daß er fuͤr dasjenige, was ihm
ſeiner Meynung nach zukoͤmmt, Gut und Blut aufſetzet,
und ſich gegen alles, was ihn ſeiner Einſicht nach, un-
terdruͤcken will, aus allen Kraͤften wehret. Dieſe Leiden-
ſchaft muß nicht unterdruͤcket ſondern aufgemuntert wer-
den, beſonders bey geringern, deren Menge den Staat
unterhaͤlt, und die gar bald zu Grunde gehen wuͤrden,
wenn ſie ſich heute ein Stuͤck und Morgen ein anders,
ohne daruͤber zu klagen, nehmen ließen. Der Fuͤrſt ſelbſt
iſt von dieſer Leidenſchaft beſeelt; er laͤßt ſich nichts neh-
men, und fordert was ihm zukommt. Das iſt er dem
Staate, und jeder Bauer dem ihm anvertraueten ge-
meinen Gute ſchuldig. Sein Hof iſt ſein Gewehr, und
er muß auch nicht einen Flintenſtein davon verlohren ge-
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Zu dieſem Ende muß ihm der Weg des foͤrmlichen
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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