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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Der Autor am Hofe.
Cabinet bringen. Er küßte mir die Hand und lief fort,
aber auch aus dem Ausdrucke seines Kusses konnte ich
schließen, daß er ein Buch geschrieben hatte, so sehr ver-
tiefte er sich darinn.

Nun muß ich schließen; doch noch eins, ich habe
vor einigen Tagen mit dem Canzler gesprochen, und ihn
gefragt, wie ihm Carl gefiele. Recht gut, antwortete
er mir, aber es geht ihm wie dem Schreibmeister, der
insgemein kein guter Copist ist. Die jungen Genies wis-
sen die gemeinsten Sachen nicht anzugreifen, sie sind all-
umfassend
und allzugewaltig, besitzen Horn und Stoß-
kraft,
wollen die Natur gebähren helfen, und können
kein Protocoll fassen. -- Aber stören Sie sich daran
nicht, der alte Canzler ist bisweilen grämlich, und Carl
noch jung genug, um seine Horn und Stoßkraft brauch-
bar zu machen; seine gute Mine wird ihm so lange Cre-
dit verschaffen, bis er bezahlen kann, und wer weiß ob
er dann nicht auch noch einmal Canzler wird? Es ist doch
immer gut, wenn man das Tanzen gelernt hat, aber
traurig Zeit Lebens Tanzmeister zu bleiben. An meinen
Ermahnungen soll es nicht fehlen, und wenn er mir noch
einmal die Hand so zärtlich küßt, werde ich ihn auf den
Backen klopfen. Leben Sie wohl und umarmen meinen
kleinen Pagen, der vielleicht ein besserer Hofmann wer-
den wird als sein Bruder. etc.



XXIV.

Der Autor am Hofe.
Cabinet bringen. Er kuͤßte mir die Hand und lief fort,
aber auch aus dem Ausdrucke ſeines Kuſſes konnte ich
ſchließen, daß er ein Buch geſchrieben hatte, ſo ſehr ver-
tiefte er ſich darinn.

Nun muß ich ſchließen; doch noch eins, ich habe
vor einigen Tagen mit dem Canzler geſprochen, und ihn
gefragt, wie ihm Carl gefiele. Recht gut, antwortete
er mir, aber es geht ihm wie dem Schreibmeiſter, der
insgemein kein guter Copiſt iſt. Die jungen Genies wiſ-
ſen die gemeinſten Sachen nicht anzugreifen, ſie ſind all-
umfaſſend
und allzugewaltig, beſitzen Horn und Stoß-
kraft,
wollen die Natur gebaͤhren helfen, und koͤnnen
kein Protocoll faſſen. — Aber ſtoͤren Sie ſich daran
nicht, der alte Canzler iſt bisweilen graͤmlich, und Carl
noch jung genug, um ſeine Horn und Stoßkraft brauch-
bar zu machen; ſeine gute Mine wird ihm ſo lange Cre-
dit verſchaffen, bis er bezahlen kann, und wer weiß ob
er dann nicht auch noch einmal Canzler wird? Es iſt doch
immer gut, wenn man das Tanzen gelernt hat, aber
traurig Zeit Lebens Tanzmeiſter zu bleiben. An meinen
Ermahnungen ſoll es nicht fehlen, und wenn er mir noch
einmal die Hand ſo zaͤrtlich kuͤßt, werde ich ihn auf den
Backen klopfen. Leben Sie wohl und umarmen meinen
kleinen Pagen, der vielleicht ein beſſerer Hofmann wer-
den wird als ſein Bruder. ꝛc.



XXIV.
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[96/0108] Der Autor am Hofe. Cabinet bringen. Er kuͤßte mir die Hand und lief fort, aber auch aus dem Ausdrucke ſeines Kuſſes konnte ich ſchließen, daß er ein Buch geſchrieben hatte, ſo ſehr ver- tiefte er ſich darinn. Nun muß ich ſchließen; doch noch eins, ich habe vor einigen Tagen mit dem Canzler geſprochen, und ihn gefragt, wie ihm Carl gefiele. Recht gut, antwortete er mir, aber es geht ihm wie dem Schreibmeiſter, der insgemein kein guter Copiſt iſt. Die jungen Genies wiſ- ſen die gemeinſten Sachen nicht anzugreifen, ſie ſind all- umfaſſend und allzugewaltig, beſitzen Horn und Stoß- kraft, wollen die Natur gebaͤhren helfen, und koͤnnen kein Protocoll faſſen. — Aber ſtoͤren Sie ſich daran nicht, der alte Canzler iſt bisweilen graͤmlich, und Carl noch jung genug, um ſeine Horn und Stoßkraft brauch- bar zu machen; ſeine gute Mine wird ihm ſo lange Cre- dit verſchaffen, bis er bezahlen kann, und wer weiß ob er dann nicht auch noch einmal Canzler wird? Es iſt doch immer gut, wenn man das Tanzen gelernt hat, aber traurig Zeit Lebens Tanzmeiſter zu bleiben. An meinen Ermahnungen ſoll es nicht fehlen, und wenn er mir noch einmal die Hand ſo zaͤrtlich kuͤßt, werde ich ihn auf den Backen klopfen. Leben Sie wohl und umarmen meinen kleinen Pagen, der vielleicht ein beſſerer Hofmann wer- den wird als ſein Bruder. ꝛc. XXIV.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/108>, abgerufen am 25.11.2024.