Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.An einen jungen Dichter. zen den die Dichtkunst bringt, und der Vortheil, wel-chen die menschliche Glückseligkeit davon zieht, ist also zu jederzeit das Maaß gewesen, wonach man ihren Werth bestimmet hat, und das Kriegeslied hat bey einer krie- gerischen Nation so viel gegolten als ein Liebeslied, wie das letztere noch dazu diente, Helden zu erwecken. Jch erinnere mich hier eines jungen Neubauers, der er
An einen jungen Dichter. zen den die Dichtkunſt bringt, und der Vortheil, wel-chen die menſchliche Gluͤckſeligkeit davon zieht, iſt alſo zu jederzeit das Maaß geweſen, wonach man ihren Werth beſtimmet hat, und das Kriegeslied hat bey einer krie- geriſchen Nation ſo viel gegolten als ein Liebeslied, wie das letztere noch dazu diente, Helden zu erwecken. Jch erinnere mich hier eines jungen Neubauers, der er
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An einen jungen Dichter.
zen den die Dichtkunſt bringt, und der Vortheil, wel-
chen die menſchliche Gluͤckſeligkeit davon zieht, iſt alſo zu
jederzeit das Maaß geweſen, wonach man ihren Werth
beſtimmet hat, und das Kriegeslied hat bey einer krie-
geriſchen Nation ſo viel gegolten als ein Liebeslied, wie
das letztere noch dazu diente, Helden zu erwecken.
Jch erinnere mich hier eines jungen Neubauers, der
ein Mohr abtrocknete, und eine Menge von alten Wur-
zeln im Schweiße ſeines Angeſichts ausrodete. Schon
oft war er in der Verſuchung geweſen, dem Heer ſeines
Koͤnigs zu folgen, und dieſe ſeine Unternehmung zu ver-
laſſen. Ermuͤdet von der Arbeit ſaß er manchen Abend
auf der ausgerodeten Wurzel eines alten Eichenſtammes,
auf ſeinen Spaden gelehnt, und dachte uͤber ſein Schick-
ſal. Aber wenn er nun zu Hauſe kam: ſo fand er ſein
gutes Weib, welche ihn mit offenen Armen, und an ei-
nem wohlbereiteten Tiſche erwartete. Sie brachte ihm
friſches Waſſer zum waſchen, ſetzte ihm den Stuhl,
reichte ihm ſeinen Becher, und legte ihm den beſten Biſ-
ſen vor. Dann laͤchelte ihm ſein Erſtgebohrner Wonne
in die Seele, und er ſegnete ihn und ſein Weib, die ihn
ſo gluͤcklich machten. Jede Muͤhſeligkeit des Tages ver-
lohr ſich bey dieſem ſuͤßen Genuß, und er eilte des an-
dern Morgens mit neuem Muthe zur Arbeit, um ſich
wiederum einen ſolchen Abend zu verſchaffen. Mit Ent-
zuͤcken uͤberſahe er dann, ſo oft er ausruhete den Platz,
welchen er bereits gewonnen und urbar gemacht hatte,
uͤberſchlug die Frucht, die er darauf ziehen wuͤrde, waͤhlte
den Platz wo ſeines Weibes Leibzucht ſtehen ſollte, maß
mit ſeinen Augen den Garten den er dazu nach der Mit-
tagsſeite beſtimmete, grub den Graben um ihre Wieſe
tiefer aus, und hofte er wuͤrde auch Fiſche halten koͤn-
nen. Und das immer mit Erinnerung der Freude, die
er
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