Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.An einen jungen Dichter. oder wenn die Männer sich in die Einsamkeit begäben,Wein und Liebe flöhen, oder wenn gar der Staat Ge- fahr liefe auszusterben, dann wäre es freylich Zeit jenen Gegenständen alle nur mögliche Reitzungen zu leihen und in jeden Busen eine neue Flamme zu singen. Aber so geht nur alles darauf hinaus, einem dasjenige was man ohnehin nur gar zu sehr sucht, noch süßer zu machen, und den Menschen immer mehr und mehr von andern Beschäf- tigungen abzuziehen. Man stört die Oekonomie der Na- tur, welche die Arbeit sauer, und das Vergnügen süß gemacht hat, um die ersten durch das andere zu beför- dern, nicht aber um sich dem letztern zu sehr zu überlassen. Was würde man sagen, wenn jemand die Ehre auf Keiner schildert mehr das Vergnügen viele Reich- schwen-
An einen jungen Dichter. oder wenn die Maͤnner ſich in die Einſamkeit begaͤben,Wein und Liebe floͤhen, oder wenn gar der Staat Ge- fahr liefe auszuſterben, dann waͤre es freylich Zeit jenen Gegenſtaͤnden alle nur moͤgliche Reitzungen zu leihen und in jeden Buſen eine neue Flamme zu ſingen. Aber ſo geht nur alles darauf hinaus, einem dasjenige was man ohnehin nur gar zu ſehr ſucht, noch ſuͤßer zu machen, und den Menſchen immer mehr und mehr von andern Beſchaͤf- tigungen abzuziehen. Man ſtoͤrt die Oekonomie der Na- tur, welche die Arbeit ſauer, und das Vergnuͤgen ſuͤß gemacht hat, um die erſten durch das andere zu befoͤr- dern, nicht aber um ſich dem letztern zu ſehr zu uͤberlaſſen. Was wuͤrde man ſagen, wenn jemand die Ehre auf Keiner ſchildert mehr das Vergnuͤgen viele Reich- ſchwen-
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An einen jungen Dichter.
oder wenn die Maͤnner ſich in die Einſamkeit begaͤben,
Wein und Liebe floͤhen, oder wenn gar der Staat Ge-
fahr liefe auszuſterben, dann waͤre es freylich Zeit jenen
Gegenſtaͤnden alle nur moͤgliche Reitzungen zu leihen und
in jeden Buſen eine neue Flamme zu ſingen. Aber ſo
geht nur alles darauf hinaus, einem dasjenige was man
ohnehin nur gar zu ſehr ſucht, noch ſuͤßer zu machen, und
den Menſchen immer mehr und mehr von andern Beſchaͤf-
tigungen abzuziehen. Man ſtoͤrt die Oekonomie der Na-
tur, welche die Arbeit ſauer, und das Vergnuͤgen ſuͤß
gemacht hat, um die erſten durch das andere zu befoͤr-
dern, nicht aber um ſich dem letztern zu ſehr zu uͤberlaſſen.
Was wuͤrde man ſagen, wenn jemand die Ehre auf
dieſe Art behandelte? wenn man von nichts als von dem
hohen Vergnuͤgen zu gebieten und der Beherrſcher vieler
Tauſenden zu ſeyn, ſaͤnge, und damit den Stolzen nur
noch ſtolzer machte? Und doch iſt die Ehre in unſern
heutigen Verfaſſungen noch faſt das kraͤftigſte Mittel den
Menſchen zu edlen Thaten und kuͤhnen Aufopferungen zu
bringen. Die Ehre hat dabey uͤber die Liebe noch den
Vorzug, daß ſie blos durch edle Handlungen erworben
und erhalten werden kann; man hat einmal die Anlage
ſo gemacht, daß keiner ſich ſolche erwerben kann, ohne
ſich ihrer wuͤrdig zu machen; und der Adel ſelbſt fuͤhlt
die Pflicht, ſeine angebohrnen Rechte durch neue Ver-
dienſte aufrecht zu erhalten. Gleichwohl wird von den
Suͤſſigkeiten derſelben nur wenig geſungen, und unſre
mehrſten Dichter ſcheinen ſich eine Freude daraus zu
machen, den Genuß der Ehre ſo viel ſie koͤnnen herab
zu ſetzen.
Keiner ſchildert mehr das Vergnuͤgen viele Reich-
thuͤmer zu beſitzen und ſeine Schaͤtze zu uͤberrechnen. Und
doch ſollte dieſes zu unſern Zeiten, worin man die Ver-
ſchwen-
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