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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die weiblichen Rechtswohlthaten
hen könnte, um so viel dauerhafter und stärker werden wür-
de, je mehr jeder Ehegatte Frömmigkeit und Eifer hätte.

Eben dieser Rechtsgelehrte erzählte mir, daß man zu
Rom, so lange Mann und Frau in häuslicher Einigkeit
gelebt, ihr Bestes mit gemeinschaftlichen Fleisse betrieben,
und sich einander ihr Gut wie ihre Herzen anvertrauet, aber
gar nicht daran gedacht hätten, einer redlichen Frauen das
Verbürgen für ihren Mann, zu verbieten; daß aber, wie
der Luxus mit seinem weitläuftigen Gefolge angelangt wä-
re, und Noth und Versuchung manchen ehrlichen Mann
zum Schelm gemacht hätten, der Kayser Augustus zuerst
den vernünftigen Einfall gehabt hatte, die Bürgschaften der
Ehefrauen für ihre Männer kraftlos zu machen; da denn
manche tugendhafte Matrone, die wie billig die Schelme-
rey ihres Mannes zuletzt geglaubt hätte, vor dem Bettel-
stabe bewahret seyn mögte. Nachher und wie der Luxus
die Weiber auch weitläuftiger gemacht, und sie in mehrere
Händel eingeflochten, hätte der Senat unter dem Nero alle
ihre Bürgschaften für ungültig erklärt, und solche nur in
dem Falle gelten lassen, wo sie dem ungeachtet, und nach-
dem sie dieses ihres Rechts wohl belehret worden, sich des-
sen ausdrücklich begeben hätten; der Kayser Justinian aber
noch ganz weißlich hinzugesetzt, es solle auch dieser Verzicht
nicht gelten, wenn er nicht in Gegenwart dreyer Zeugen,
welche die vorhergegangene Belehrung und Warnung mit
angehöret hätten, geschehen wären. Und diese Feyerlichkei-
ten, welche den Verzicht begleiten, mögten manchen Freund
und manche Freundin vom Bürgen abhalten.

Ich ließe es gelten, erwiederte ich ihm, wenn dieses
Gesetze blos für verheyrathetes Frauenzimmer, dem der
Mann die Bürgschaften ohnedem nicht leicht gut geheissen
haben würde, gemacht wäre. Aber daß Wittwen, Vor-
münderinnen und andre bejahrte verständige Personen, die

mit

Die weiblichen Rechtswohlthaten
hen koͤnnte, um ſo viel dauerhafter und ſtaͤrker werden wuͤr-
de, je mehr jeder Ehegatte Froͤmmigkeit und Eifer haͤtte.

Eben dieſer Rechtsgelehrte erzaͤhlte mir, daß man zu
Rom, ſo lange Mann und Frau in haͤuslicher Einigkeit
gelebt, ihr Beſtes mit gemeinſchaftlichen Fleiſſe betrieben,
und ſich einander ihr Gut wie ihre Herzen anvertrauet, aber
gar nicht daran gedacht haͤtten, einer redlichen Frauen das
Verbuͤrgen fuͤr ihren Mann, zu verbieten; daß aber, wie
der Luxus mit ſeinem weitlaͤuftigen Gefolge angelangt waͤ-
re, und Noth und Verſuchung manchen ehrlichen Mann
zum Schelm gemacht haͤtten, der Kayſer Auguſtus zuerſt
den vernuͤnftigen Einfall gehabt hatte, die Buͤrgſchaften der
Ehefrauen fuͤr ihre Maͤnner kraftlos zu machen; da denn
manche tugendhafte Matrone, die wie billig die Schelme-
rey ihres Mannes zuletzt geglaubt haͤtte, vor dem Bettel-
ſtabe bewahret ſeyn moͤgte. Nachher und wie der Luxus
die Weiber auch weitlaͤuftiger gemacht, und ſie in mehrere
Haͤndel eingeflochten, haͤtte der Senat unter dem Nero alle
ihre Buͤrgſchaften fuͤr unguͤltig erklaͤrt, und ſolche nur in
dem Falle gelten laſſen, wo ſie dem ungeachtet, und nach-
dem ſie dieſes ihres Rechts wohl belehret worden, ſich deſ-
ſen ausdruͤcklich begeben haͤtten; der Kayſer Juſtinian aber
noch ganz weißlich hinzugeſetzt, es ſolle auch dieſer Verzicht
nicht gelten, wenn er nicht in Gegenwart dreyer Zeugen,
welche die vorhergegangene Belehrung und Warnung mit
angehoͤret haͤtten, geſchehen waͤren. Und dieſe Feyerlichkei-
ten, welche den Verzicht begleiten, moͤgten manchen Freund
und manche Freundin vom Buͤrgen abhalten.

Ich ließe es gelten, erwiederte ich ihm, wenn dieſes
Geſetze blos fuͤr verheyrathetes Frauenzimmer, dem der
Mann die Buͤrgſchaften ohnedem nicht leicht gut geheiſſen
haben wuͤrde, gemacht waͤre. Aber daß Wittwen, Vor-
muͤnderinnen und andre bejahrte verſtaͤndige Perſonen, die

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[78/0092] Die weiblichen Rechtswohlthaten hen koͤnnte, um ſo viel dauerhafter und ſtaͤrker werden wuͤr- de, je mehr jeder Ehegatte Froͤmmigkeit und Eifer haͤtte. Eben dieſer Rechtsgelehrte erzaͤhlte mir, daß man zu Rom, ſo lange Mann und Frau in haͤuslicher Einigkeit gelebt, ihr Beſtes mit gemeinſchaftlichen Fleiſſe betrieben, und ſich einander ihr Gut wie ihre Herzen anvertrauet, aber gar nicht daran gedacht haͤtten, einer redlichen Frauen das Verbuͤrgen fuͤr ihren Mann, zu verbieten; daß aber, wie der Luxus mit ſeinem weitlaͤuftigen Gefolge angelangt waͤ- re, und Noth und Verſuchung manchen ehrlichen Mann zum Schelm gemacht haͤtten, der Kayſer Auguſtus zuerſt den vernuͤnftigen Einfall gehabt hatte, die Buͤrgſchaften der Ehefrauen fuͤr ihre Maͤnner kraftlos zu machen; da denn manche tugendhafte Matrone, die wie billig die Schelme- rey ihres Mannes zuletzt geglaubt haͤtte, vor dem Bettel- ſtabe bewahret ſeyn moͤgte. Nachher und wie der Luxus die Weiber auch weitlaͤuftiger gemacht, und ſie in mehrere Haͤndel eingeflochten, haͤtte der Senat unter dem Nero alle ihre Buͤrgſchaften fuͤr unguͤltig erklaͤrt, und ſolche nur in dem Falle gelten laſſen, wo ſie dem ungeachtet, und nach- dem ſie dieſes ihres Rechts wohl belehret worden, ſich deſ- ſen ausdruͤcklich begeben haͤtten; der Kayſer Juſtinian aber noch ganz weißlich hinzugeſetzt, es ſolle auch dieſer Verzicht nicht gelten, wenn er nicht in Gegenwart dreyer Zeugen, welche die vorhergegangene Belehrung und Warnung mit angehoͤret haͤtten, geſchehen waͤren. Und dieſe Feyerlichkei- ten, welche den Verzicht begleiten, moͤgten manchen Freund und manche Freundin vom Buͤrgen abhalten. Ich ließe es gelten, erwiederte ich ihm, wenn dieſes Geſetze blos fuͤr verheyrathetes Frauenzimmer, dem der Mann die Buͤrgſchaften ohnedem nicht leicht gut geheiſſen haben wuͤrde, gemacht waͤre. Aber daß Wittwen, Vor- muͤnderinnen und andre bejahrte verſtaͤndige Perſonen, die mit

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/92>, abgerufen am 24.04.2024.