Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Die weiblichen Rechtswohlthaten


XXII.
Also sind die weiblichen Rechtswohlthaten
nicht zu verachten.

Das ist recht, sagte mein Mann, daß man es endlich
einsieht, wie wenig die sogenannten weiblichen Wohl-
thaten dem schönen Geschlechte zur Ehre gereichen, und wie
übel sich solche vor unsre deutschen Amazoninnen schicken,
die Länder und Berutschen mit gleicher Geschicklichkeit re-
gieren, und oft an ihren Männern mehrere Schwachheiten
finden, als die römischen Rechte bey ihnen vorausgesetzet
haben *). Ich freue mich recht darüber, fügte er hinzu,
aber meine liebe Louise sey nun auch so gut, und übernimm
für mich hundert Ducaten zu bezahlen, die ich heut Abend
an den Hern von ..... verlohren habe, und Morgen
Vormittag bezahlen muß, wenn ich ein Mann von Ehre
bleiben will. Bey diesen Worten drückte er mich an seine
Brust, und sagte mir so viel zärtliches, daß ich ihm un-
möglich widerstehen konnte. Mein baares Geld hatte ich
ihm schon einige Tage vorher gegeben; wir schickten also
gleich zu einem Kaufmann, und glaubten, es würde keine
Schwierigkeit mehr haben, die hundert Ducaten zu erhalten.
Allein zu meinem Glück machte derselbe so viel Umstände
und forderte unter andern einen so feyerlichen Verzicht auf
alle dem weiblichen Geschlechte zum besten verordneten
Rechtswohlthaten, daß mein Mann darüber ungedultig
wurde, und wie er vollends vom Eyde und Gericht hörte,
zum Hause hinaus lief, und des Nachts nicht wieder kam.
O! seufzete ich einsam, wie glücklich haben die Gesetze vor

Uns
*) Es ist dieses gegen einen andern Aufsatz gerichtet, dessen Verfas-
ser die weiblichen Rechtswohlthaten abgeschaffet wissen wollte.
Die weiblichen Rechtswohlthaten


XXII.
Alſo ſind die weiblichen Rechtswohlthaten
nicht zu verachten.

Das iſt recht, ſagte mein Mann, daß man es endlich
einſieht, wie wenig die ſogenannten weiblichen Wohl-
thaten dem ſchoͤnen Geſchlechte zur Ehre gereichen, und wie
uͤbel ſich ſolche vor unſre deutſchen Amazoninnen ſchicken,
die Laͤnder und Berutſchen mit gleicher Geſchicklichkeit re-
gieren, und oft an ihren Maͤnnern mehrere Schwachheiten
finden, als die roͤmiſchen Rechte bey ihnen vorausgeſetzet
haben *). Ich freue mich recht daruͤber, fuͤgte er hinzu,
aber meine liebe Louiſe ſey nun auch ſo gut, und uͤbernimm
fuͤr mich hundert Ducaten zu bezahlen, die ich heut Abend
an den Hern von ..... verlohren habe, und Morgen
Vormittag bezahlen muß, wenn ich ein Mann von Ehre
bleiben will. Bey dieſen Worten druͤckte er mich an ſeine
Bruſt, und ſagte mir ſo viel zaͤrtliches, daß ich ihm un-
moͤglich widerſtehen konnte. Mein baares Geld hatte ich
ihm ſchon einige Tage vorher gegeben; wir ſchickten alſo
gleich zu einem Kaufmann, und glaubten, es wuͤrde keine
Schwierigkeit mehr haben, die hundert Ducaten zu erhalten.
Allein zu meinem Gluͤck machte derſelbe ſo viel Umſtaͤnde
und forderte unter andern einen ſo feyerlichen Verzicht auf
alle dem weiblichen Geſchlechte zum beſten verordneten
Rechtswohlthaten, daß mein Mann daruͤber ungedultig
wurde, und wie er vollends vom Eyde und Gericht hoͤrte,
zum Hauſe hinaus lief, und des Nachts nicht wieder kam.
O! ſeufzete ich einſam, wie gluͤcklich haben die Geſetze vor

Uns
*) Es iſt dieſes gegen einen andern Aufſatz gerichtet, deſſen Verfaſ-
ſer die weiblichen Rechtswohlthaten abgeſchaffet wiſſen wollte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0090" n="76"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die weiblichen Rechtswohlthaten</hi> </fw><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXII.</hi><lb/>
Al&#x017F;o &#x017F;ind die weiblichen Rechtswohlthaten<lb/>
nicht zu verachten.</hi> </head><lb/>
        <p>Das i&#x017F;t recht, &#x017F;agte mein Mann, daß man es endlich<lb/>
ein&#x017F;ieht, wie wenig die &#x017F;ogenannten weiblichen Wohl-<lb/>
thaten dem &#x017F;cho&#x0364;nen Ge&#x017F;chlechte zur Ehre gereichen, und wie<lb/>
u&#x0364;bel &#x017F;ich &#x017F;olche vor un&#x017F;re deut&#x017F;chen Amazoninnen &#x017F;chicken,<lb/>
die La&#x0364;nder und Berut&#x017F;chen mit gleicher Ge&#x017F;chicklichkeit re-<lb/>
gieren, und oft an ihren Ma&#x0364;nnern mehrere Schwachheiten<lb/>
finden, als die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechte bey ihnen vorausge&#x017F;etzet<lb/>
haben <note place="foot" n="*)">Es i&#x017F;t die&#x017F;es gegen einen andern Auf&#x017F;atz gerichtet, de&#x017F;&#x017F;en Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er die weiblichen Rechtswohlthaten abge&#x017F;chaffet wi&#x017F;&#x017F;en wollte.</note>. Ich freue mich recht daru&#x0364;ber, fu&#x0364;gte er hinzu,<lb/>
aber meine liebe Loui&#x017F;e &#x017F;ey nun auch &#x017F;o gut, und u&#x0364;bernimm<lb/>
fu&#x0364;r mich hundert Ducaten zu bezahlen, die ich heut Abend<lb/>
an den Hern von ..... verlohren habe, und Morgen<lb/>
Vormittag bezahlen muß, wenn ich ein Mann von Ehre<lb/>
bleiben will. Bey die&#x017F;en Worten dru&#x0364;ckte er mich an &#x017F;eine<lb/>
Bru&#x017F;t, und &#x017F;agte mir &#x017F;o viel za&#x0364;rtliches, daß ich ihm un-<lb/>
mo&#x0364;glich wider&#x017F;tehen konnte. Mein baares Geld hatte ich<lb/>
ihm &#x017F;chon einige Tage vorher gegeben; wir &#x017F;chickten al&#x017F;o<lb/>
gleich zu einem Kaufmann, und glaubten, es wu&#x0364;rde keine<lb/>
Schwierigkeit mehr haben, die hundert Ducaten zu erhalten.<lb/>
Allein zu meinem Glu&#x0364;ck machte der&#x017F;elbe &#x017F;o viel Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
und forderte unter andern einen &#x017F;o feyerlichen Verzicht auf<lb/>
alle dem weiblichen Ge&#x017F;chlechte zum be&#x017F;ten verordneten<lb/>
Rechtswohlthaten, daß mein Mann daru&#x0364;ber ungedultig<lb/>
wurde, und wie er vollends vom Eyde und Gericht ho&#x0364;rte,<lb/>
zum Hau&#x017F;e hinaus lief, und des Nachts nicht wieder kam.<lb/>
O! &#x017F;eufzete ich ein&#x017F;am, wie glu&#x0364;cklich haben die Ge&#x017F;etze vor<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Uns</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0090] Die weiblichen Rechtswohlthaten XXII. Alſo ſind die weiblichen Rechtswohlthaten nicht zu verachten. Das iſt recht, ſagte mein Mann, daß man es endlich einſieht, wie wenig die ſogenannten weiblichen Wohl- thaten dem ſchoͤnen Geſchlechte zur Ehre gereichen, und wie uͤbel ſich ſolche vor unſre deutſchen Amazoninnen ſchicken, die Laͤnder und Berutſchen mit gleicher Geſchicklichkeit re- gieren, und oft an ihren Maͤnnern mehrere Schwachheiten finden, als die roͤmiſchen Rechte bey ihnen vorausgeſetzet haben *). Ich freue mich recht daruͤber, fuͤgte er hinzu, aber meine liebe Louiſe ſey nun auch ſo gut, und uͤbernimm fuͤr mich hundert Ducaten zu bezahlen, die ich heut Abend an den Hern von ..... verlohren habe, und Morgen Vormittag bezahlen muß, wenn ich ein Mann von Ehre bleiben will. Bey dieſen Worten druͤckte er mich an ſeine Bruſt, und ſagte mir ſo viel zaͤrtliches, daß ich ihm un- moͤglich widerſtehen konnte. Mein baares Geld hatte ich ihm ſchon einige Tage vorher gegeben; wir ſchickten alſo gleich zu einem Kaufmann, und glaubten, es wuͤrde keine Schwierigkeit mehr haben, die hundert Ducaten zu erhalten. Allein zu meinem Gluͤck machte derſelbe ſo viel Umſtaͤnde und forderte unter andern einen ſo feyerlichen Verzicht auf alle dem weiblichen Geſchlechte zum beſten verordneten Rechtswohlthaten, daß mein Mann daruͤber ungedultig wurde, und wie er vollends vom Eyde und Gericht hoͤrte, zum Hauſe hinaus lief, und des Nachts nicht wieder kam. O! ſeufzete ich einſam, wie gluͤcklich haben die Geſetze vor Uns *) Es iſt dieſes gegen einen andern Aufſatz gerichtet, deſſen Verfaſ- ſer die weiblichen Rechtswohlthaten abgeſchaffet wiſſen wollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/90
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/90>, abgerufen am 18.04.2024.