Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Politik im Unglück.

Wie glücklich sind Sie, meine Beste, auf dem Lande,
wo der Mann die gefährlichen Reitzungen der Glücksspiele
nicht sieht. Arbeit als eine Bedürfniß liebt, und dann auch
die nützlichen Eigenschaften einer liebenswürdigen Gehülfin
verehrt. Jeder Abend bringt sie zusammen; jedes Gericht,
das Sie ihm vorsetzen, wird mit dankbarer Freude genos-
sen; jede Erzählung von dem, was Sie des Tages wohl
ausgerichtet haben, heftet ihn an Ihren Blick, die Kinder-
gen empfangen den Segen von beyden; und eine ungestörte
Ruhe erwartet sie nach dem lieblichen Abend ...

Ich darf heute nicht weiter schreiben, mir kocht das
Blut noch von einem nächtlichen Balle, und ich muß ein-
mal zu meinen Kindern gehen, die ich in drey Tagen nicht
gesehen habe. Küssen Sie meine Gevatterin, und wenn
Sie heute Abend ihrem Eheherrn meinen Brief vorlesen:
so lassen Sie das aus, was ich von ihm gesagt habe; er wür-
de sonst beyde Flügel schlagen, und hoch krehen. Es ist ge-
nug, daß ich euch Landleuten heute den Sieg lasse; den
Triumph könnt ihr sparen; habt ja auch keine junge Herrn
die ihm zuschauen und den Wagen ziehen können. Der
Triumph mag also vor uns bleiben, und vor euch die ge-
rechte Sache und mein Herz. Können sie etwas mehrers
verlangen? ... Nun ja, einen Kuß! .. den drücke ich in
die Stelle meines Namens.



XIII.
C 4
Die Politik im Ungluͤck.

Wie gluͤcklich ſind Sie, meine Beſte, auf dem Lande,
wo der Mann die gefaͤhrlichen Reitzungen der Gluͤcksſpiele
nicht ſieht. Arbeit als eine Beduͤrfniß liebt, und dann auch
die nuͤtzlichen Eigenſchaften einer liebenswuͤrdigen Gehuͤlfin
verehrt. Jeder Abend bringt ſie zuſammen; jedes Gericht,
das Sie ihm vorſetzen, wird mit dankbarer Freude genoſ-
ſen; jede Erzaͤhlung von dem, was Sie des Tages wohl
ausgerichtet haben, heftet ihn an Ihren Blick, die Kinder-
gen empfangen den Segen von beyden; und eine ungeſtoͤrte
Ruhe erwartet ſie nach dem lieblichen Abend …

Ich darf heute nicht weiter ſchreiben, mir kocht das
Blut noch von einem naͤchtlichen Balle, und ich muß ein-
mal zu meinen Kindern gehen, die ich in drey Tagen nicht
geſehen habe. Kuͤſſen Sie meine Gevatterin, und wenn
Sie heute Abend ihrem Eheherrn meinen Brief vorleſen:
ſo laſſen Sie das aus, was ich von ihm geſagt habe; er wuͤr-
de ſonſt beyde Fluͤgel ſchlagen, und hoch krehen. Es iſt ge-
nug, daß ich euch Landleuten heute den Sieg laſſe; den
Triumph koͤnnt ihr ſparen; habt ja auch keine junge Herrn
die ihm zuſchauen und den Wagen ziehen koͤnnen. Der
Triumph mag alſo vor uns bleiben, und vor euch die ge-
rechte Sache und mein Herz. Koͤnnen ſie etwas mehrers
verlangen? … Nun ja, einen Kuß! .. den druͤcke ich in
die Stelle meines Namens.



XIII.
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0053" n="39"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Politik im Unglu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
          <p>Wie glu&#x0364;cklich &#x017F;ind Sie, meine Be&#x017F;te, auf dem Lande,<lb/>
wo der Mann die gefa&#x0364;hrlichen Reitzungen der Glu&#x0364;cks&#x017F;piele<lb/>
nicht &#x017F;ieht. Arbeit als eine Bedu&#x0364;rfniß liebt, und dann auch<lb/>
die nu&#x0364;tzlichen Eigen&#x017F;chaften einer liebenswu&#x0364;rdigen Gehu&#x0364;lfin<lb/>
verehrt. Jeder Abend bringt &#x017F;ie zu&#x017F;ammen; jedes Gericht,<lb/>
das Sie ihm vor&#x017F;etzen, wird mit dankbarer Freude geno&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; jede Erza&#x0364;hlung von dem, was Sie des Tages wohl<lb/>
ausgerichtet haben, heftet ihn an Ihren Blick, die Kinder-<lb/>
gen empfangen den Segen von beyden; und eine unge&#x017F;to&#x0364;rte<lb/>
Ruhe erwartet &#x017F;ie nach dem lieblichen Abend &#x2026;</p><lb/>
          <p>Ich darf heute nicht weiter &#x017F;chreiben, mir kocht das<lb/>
Blut noch von einem na&#x0364;chtlichen Balle, und ich muß ein-<lb/>
mal zu meinen Kindern gehen, die ich in drey Tagen nicht<lb/>
ge&#x017F;ehen habe. Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie meine Gevatterin, und wenn<lb/>
Sie heute Abend ihrem Eheherrn meinen Brief vorle&#x017F;en:<lb/>
&#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en Sie das aus, was ich von ihm ge&#x017F;agt habe; er wu&#x0364;r-<lb/>
de &#x017F;on&#x017F;t beyde Flu&#x0364;gel &#x017F;chlagen, und hoch krehen. Es i&#x017F;t ge-<lb/>
nug, daß ich euch Landleuten heute den Sieg la&#x017F;&#x017F;e; den<lb/>
Triumph ko&#x0364;nnt ihr &#x017F;paren; habt ja auch keine junge Herrn<lb/>
die ihm zu&#x017F;chauen und den Wagen ziehen ko&#x0364;nnen. Der<lb/>
Triumph mag al&#x017F;o vor uns bleiben, und vor euch die ge-<lb/>
rechte Sache und mein Herz. Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie etwas mehrers<lb/>
verlangen? &#x2026; Nun ja, einen Kuß! .. den dru&#x0364;cke ich in<lb/>
die Stelle meines Namens.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">C 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">XIII.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0053] Die Politik im Ungluͤck. Wie gluͤcklich ſind Sie, meine Beſte, auf dem Lande, wo der Mann die gefaͤhrlichen Reitzungen der Gluͤcksſpiele nicht ſieht. Arbeit als eine Beduͤrfniß liebt, und dann auch die nuͤtzlichen Eigenſchaften einer liebenswuͤrdigen Gehuͤlfin verehrt. Jeder Abend bringt ſie zuſammen; jedes Gericht, das Sie ihm vorſetzen, wird mit dankbarer Freude genoſ- ſen; jede Erzaͤhlung von dem, was Sie des Tages wohl ausgerichtet haben, heftet ihn an Ihren Blick, die Kinder- gen empfangen den Segen von beyden; und eine ungeſtoͤrte Ruhe erwartet ſie nach dem lieblichen Abend … Ich darf heute nicht weiter ſchreiben, mir kocht das Blut noch von einem naͤchtlichen Balle, und ich muß ein- mal zu meinen Kindern gehen, die ich in drey Tagen nicht geſehen habe. Kuͤſſen Sie meine Gevatterin, und wenn Sie heute Abend ihrem Eheherrn meinen Brief vorleſen: ſo laſſen Sie das aus, was ich von ihm geſagt habe; er wuͤr- de ſonſt beyde Fluͤgel ſchlagen, und hoch krehen. Es iſt ge- nug, daß ich euch Landleuten heute den Sieg laſſe; den Triumph koͤnnt ihr ſparen; habt ja auch keine junge Herrn die ihm zuſchauen und den Wagen ziehen koͤnnen. Der Triumph mag alſo vor uns bleiben, und vor euch die ge- rechte Sache und mein Herz. Koͤnnen ſie etwas mehrers verlangen? … Nun ja, einen Kuß! .. den druͤcke ich in die Stelle meines Namens. XIII. C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/53
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/53>, abgerufen am 18.04.2024.