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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Hofesherrn nicht überlassen werden.
eigen geben, oder ein Gläubiger darauf borgen? und wird
der Gutsherr so viel Vertrauen auf einen einzelnen Richter
oder einen von diesem erwählten Referenten setzen, um es
auf dessen Urtheil allein ankommen lassen? Würde nicht in
einem solchen Falle wenigstens das Urtheil eines Collegiums
nöthig seyn? und kann man hoffen, wenn dieses dazu an-
gesetzet, mithin alle fernere Appellation verboten würde,
daß die Reichsgerichte sich dadurch die Hände binden lassen
würden?

Niemand kennet unstreitig einen schlechten Wirth besser
als seine Nachbaren, und die Eingesessenen des Kirchspiels:
diese wissen es aufs genaueste was er für ein Vogel sey,
und ob man von ihm noch Besserung hoffen könne Könnte
man sich ihre Entscheidung ohne Eigennutz und ohne Ab-
sichten gedenken: so würde ihr Urtheil das sicherste und ge-
schwindeste seyn; man brauchte keine Entscheidungsgründe
von ihnen zu erfordern und kein Gläubiger würde sich
fürchten; die vollkommenste Beruhigung würde auf allen
Seiten seyn können: aber die Eingesessene des Kirchspiels
sind mehrentheils unter einander verwandt; sie haben an
dem Beklagten zu fordern und wollen nicht gern verlieren;
sie sind, wenn es zum Entscheiden kömmt, furchtsam und
mitleidig; sie sind natürlicher Weise mit einander gegen die
Gutsherrn; und so fällt auch diese Art des Verfahrens,
worauf sich sonst ein jeder mit Sicherheit stützen könnte,
ausser Betracht. Die Eingesessene eines andern Kirchspiels
können aber keine Urtheiler abgeben, weil sie den schlechten
Wirth in seinem ganzen Umfange nicht genugsam kennen.

Bey so bewandten Umständen verdienen hauptsächlich
diejenigen Abäusserungsursachen, welche der Augenschein
darlegt, und die der Richter des Orts mit Zuziehung der
Churgenossen, so fort ausser Zweifel setzen kann, allemal

die
Mös. patr. Phant. III. Th. X

Hofesherrn nicht uͤberlaſſen werden.
eigen geben, oder ein Glaͤubiger darauf borgen? und wird
der Gutsherr ſo viel Vertrauen auf einen einzelnen Richter
oder einen von dieſem erwaͤhlten Referenten ſetzen, um es
auf deſſen Urtheil allein ankommen laſſen? Wuͤrde nicht in
einem ſolchen Falle wenigſtens das Urtheil eines Collegiums
noͤthig ſeyn? und kann man hoffen, wenn dieſes dazu an-
geſetzet, mithin alle fernere Appellation verboten wuͤrde,
daß die Reichsgerichte ſich dadurch die Haͤnde binden laſſen
wuͤrden?

Niemand kennet unſtreitig einen ſchlechten Wirth beſſer
als ſeine Nachbaren, und die Eingeſeſſenen des Kirchſpiels:
dieſe wiſſen es aufs genaueſte was er fuͤr ein Vogel ſey,
und ob man von ihm noch Beſſerung hoffen koͤnne Koͤnnte
man ſich ihre Entſcheidung ohne Eigennutz und ohne Ab-
ſichten gedenken: ſo wuͤrde ihr Urtheil das ſicherſte und ge-
ſchwindeſte ſeyn; man brauchte keine Entſcheidungsgruͤnde
von ihnen zu erfordern und kein Glaͤubiger wuͤrde ſich
fuͤrchten; die vollkommenſte Beruhigung wuͤrde auf allen
Seiten ſeyn koͤnnen: aber die Eingeſeſſene des Kirchſpiels
ſind mehrentheils unter einander verwandt; ſie haben an
dem Beklagten zu fordern und wollen nicht gern verlieren;
ſie ſind, wenn es zum Entſcheiden koͤmmt, furchtſam und
mitleidig; ſie ſind natuͤrlicher Weiſe mit einander gegen die
Gutsherrn; und ſo faͤllt auch dieſe Art des Verfahrens,
worauf ſich ſonſt ein jeder mit Sicherheit ſtuͤtzen koͤnnte,
auſſer Betracht. Die Eingeſeſſene eines andern Kirchſpiels
koͤnnen aber keine Urtheiler abgeben, weil ſie den ſchlechten
Wirth in ſeinem ganzen Umfange nicht genugſam kennen.

Bey ſo bewandten Umſtaͤnden verdienen hauptſaͤchlich
diejenigen Abaͤuſſerungsurſachen, welche der Augenſchein
darlegt, und die der Richter des Orts mit Zuziehung der
Churgenoſſen, ſo fort auſſer Zweifel ſetzen kann, allemal

die
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[321/0335] Hofesherrn nicht uͤberlaſſen werden. eigen geben, oder ein Glaͤubiger darauf borgen? und wird der Gutsherr ſo viel Vertrauen auf einen einzelnen Richter oder einen von dieſem erwaͤhlten Referenten ſetzen, um es auf deſſen Urtheil allein ankommen laſſen? Wuͤrde nicht in einem ſolchen Falle wenigſtens das Urtheil eines Collegiums noͤthig ſeyn? und kann man hoffen, wenn dieſes dazu an- geſetzet, mithin alle fernere Appellation verboten wuͤrde, daß die Reichsgerichte ſich dadurch die Haͤnde binden laſſen wuͤrden? Niemand kennet unſtreitig einen ſchlechten Wirth beſſer als ſeine Nachbaren, und die Eingeſeſſenen des Kirchſpiels: dieſe wiſſen es aufs genaueſte was er fuͤr ein Vogel ſey, und ob man von ihm noch Beſſerung hoffen koͤnne Koͤnnte man ſich ihre Entſcheidung ohne Eigennutz und ohne Ab- ſichten gedenken: ſo wuͤrde ihr Urtheil das ſicherſte und ge- ſchwindeſte ſeyn; man brauchte keine Entſcheidungsgruͤnde von ihnen zu erfordern und kein Glaͤubiger wuͤrde ſich fuͤrchten; die vollkommenſte Beruhigung wuͤrde auf allen Seiten ſeyn koͤnnen: aber die Eingeſeſſene des Kirchſpiels ſind mehrentheils unter einander verwandt; ſie haben an dem Beklagten zu fordern und wollen nicht gern verlieren; ſie ſind, wenn es zum Entſcheiden koͤmmt, furchtſam und mitleidig; ſie ſind natuͤrlicher Weiſe mit einander gegen die Gutsherrn; und ſo faͤllt auch dieſe Art des Verfahrens, worauf ſich ſonſt ein jeder mit Sicherheit ſtuͤtzen koͤnnte, auſſer Betracht. Die Eingeſeſſene eines andern Kirchſpiels koͤnnen aber keine Urtheiler abgeben, weil ſie den ſchlechten Wirth in ſeinem ganzen Umfange nicht genugſam kennen. Bey ſo bewandten Umſtaͤnden verdienen hauptſaͤchlich diejenigen Abaͤuſſerungsurſachen, welche der Augenſchein darlegt, und die der Richter des Orts mit Zuziehung der Churgenoſſen, ſo fort auſſer Zweifel ſetzen kann, allemal die Moͤſ. patr. Phant. III. Th. X

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/335>, abgerufen am 25.11.2024.