Gefolge dessen der Eigenthümer seinen Hof einem After- mann übergab, und der in die Reihe getretene Mann sei- nem Guts- oder Zinsherrn oder auch seinem Gläubiger so viel jährlich entrichten mögte, als der halbe Hof zur Heuer thun könnte. Der Staat schien zwar dadurch seinen hal- ben Fond zu verlieren. Es war aber in der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und Zinsherr fürs Vaterland focht, währender Zeit der Erbzinsmann seinen Acker in Ruhe bauete.
Solchergestalt bestand nun in spätern Zeiten bie gemeine Reihe noch aus halben Eigenthümern; und sie könnte viel- leicht bey ruhigen und glücklichen Zeiten aus Vierteleigen- thümern bestehen. Allein dieselbe ohne alles Eigenthum be- stehen zu lassen, oder einen Staat aus hundert ganzen Ei- genthümern, und hundert Heuerleuten, die beyde zu glei- chen Pflichten verbunden seyn sollen, zusammen zu setzen, ist, was das erste betrift, gefährlich, und in Ansehung des letztern, für die Eigenthümer unverantwortlich. Dies ge- schieht aber in allen obangezogenen Fällen der Verheurung, und ich habe es noch vor wenigen Tagen gesehen, daß in einer Reihefuhr der Hengst eines Eigenthümers, die ganze Ladung, die darauf liegende Futtersäcke der zugespanneten Heuerleute, und deren ihre ohnmächtigen Pferde überweg zog, aber auch darüber stürzte.
Ich glaube also den Satz annehmen zu können, daß die zu gleicher Reihe verpflichteten Unterthanen eigentlich ein gleiches und allemal ein ziemliches Eigenthum im Staate haben müssen, welches demselben auf den Nothfall zur Si- cherheit verhaftet bleibt, und das Unterpfand ausmacht, worauf er zur Zeit der zunehmenden öffentlichen Lasten grei- fen könne. Dieses Eigenthum ist in der Erbpacht, und in andern Landsittlichen Besetzungsarten immer einigermassen
vor-
Nichts iſt ſchaͤdlicher
Gefolge deſſen der Eigenthuͤmer ſeinen Hof einem After- mann uͤbergab, und der in die Reihe getretene Mann ſei- nem Guts- oder Zinsherrn oder auch ſeinem Glaͤubiger ſo viel jaͤhrlich entrichten moͤgte, als der halbe Hof zur Heuer thun koͤnnte. Der Staat ſchien zwar dadurch ſeinen hal- ben Fond zu verlieren. Es war aber in der That nichts, weil auf der andern Seite der Guts- und Zinsherr fuͤrs Vaterland focht, waͤhrender Zeit der Erbzinsmann ſeinen Acker in Ruhe bauete.
Solchergeſtalt beſtand nun in ſpaͤtern Zeiten bie gemeine Reihe noch aus halben Eigenthuͤmern; und ſie koͤnnte viel- leicht bey ruhigen und gluͤcklichen Zeiten aus Vierteleigen- thuͤmern beſtehen. Allein dieſelbe ohne alles Eigenthum be- ſtehen zu laſſen, oder einen Staat aus hundert ganzen Ei- genthuͤmern, und hundert Heuerleuten, die beyde zu glei- chen Pflichten verbunden ſeyn ſollen, zuſammen zu ſetzen, iſt, was das erſte betrift, gefaͤhrlich, und in Anſehung des letztern, fuͤr die Eigenthuͤmer unverantwortlich. Dies ge- ſchieht aber in allen obangezogenen Faͤllen der Verheurung, und ich habe es noch vor wenigen Tagen geſehen, daß in einer Reihefuhr der Hengſt eines Eigenthuͤmers, die ganze Ladung, die darauf liegende Futterſaͤcke der zugeſpanneten Heuerleute, und deren ihre ohnmaͤchtigen Pferde uͤberweg zog, aber auch daruͤber ſtuͤrzte.
Ich glaube alſo den Satz annehmen zu koͤnnen, daß die zu gleicher Reihe verpflichteten Unterthanen eigentlich ein gleiches und allemal ein ziemliches Eigenthum im Staate haben muͤſſen, welches demſelben auf den Nothfall zur Si- cherheit verhaftet bleibt, und das Unterpfand ausmacht, worauf er zur Zeit der zunehmenden oͤffentlichen Laſten grei- fen koͤnne. Dieſes Eigenthum iſt in der Erbpacht, und in andern Landſittlichen Beſetzungsarten immer einigermaſſen
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Nichts iſt ſchaͤdlicher
Gefolge deſſen der Eigenthuͤmer ſeinen Hof einem After-
mann uͤbergab, und der in die Reihe getretene Mann ſei-
nem Guts- oder Zinsherrn oder auch ſeinem Glaͤubiger ſo
viel jaͤhrlich entrichten moͤgte, als der halbe Hof zur Heuer
thun koͤnnte. Der Staat ſchien zwar dadurch ſeinen hal-
ben Fond zu verlieren. Es war aber in der That nichts,
weil auf der andern Seite der Guts- und Zinsherr fuͤrs
Vaterland focht, waͤhrender Zeit der Erbzinsmann ſeinen
Acker in Ruhe bauete.
Solchergeſtalt beſtand nun in ſpaͤtern Zeiten bie gemeine
Reihe noch aus halben Eigenthuͤmern; und ſie koͤnnte viel-
leicht bey ruhigen und gluͤcklichen Zeiten aus Vierteleigen-
thuͤmern beſtehen. Allein dieſelbe ohne alles Eigenthum be-
ſtehen zu laſſen, oder einen Staat aus hundert ganzen Ei-
genthuͤmern, und hundert Heuerleuten, die beyde zu glei-
chen Pflichten verbunden ſeyn ſollen, zuſammen zu ſetzen,
iſt, was das erſte betrift, gefaͤhrlich, und in Anſehung des
letztern, fuͤr die Eigenthuͤmer unverantwortlich. Dies ge-
ſchieht aber in allen obangezogenen Faͤllen der Verheurung,
und ich habe es noch vor wenigen Tagen geſehen, daß in
einer Reihefuhr der Hengſt eines Eigenthuͤmers, die ganze
Ladung, die darauf liegende Futterſaͤcke der zugeſpanneten
Heuerleute, und deren ihre ohnmaͤchtigen Pferde uͤberweg
zog, aber auch daruͤber ſtuͤrzte.
Ich glaube alſo den Satz annehmen zu koͤnnen, daß die
zu gleicher Reihe verpflichteten Unterthanen eigentlich ein
gleiches und allemal ein ziemliches Eigenthum im Staate
haben muͤſſen, welches demſelben auf den Nothfall zur Si-
cherheit verhaftet bleibt, und das Unterpfand ausmacht,
worauf er zur Zeit der zunehmenden oͤffentlichen Laſten grei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/304>, abgerufen am 26.06.2024.
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