ein Mensch auf einen Hof setzen kann, wenn er auf diese Art gezerret wird? Wird sich also unsre ganze Verfassung nicht endlich völlig in das verderbliche Heuerwesen auflösen?
Das hat sie schon gethan, schloß ein andrer. In dem Kirchspiel, worinn ich wohne, sind nur noch zwey besetzte Höfe übrig. Wenn gefahren werden muß: so fällt diesen alles zur Last. Die übrigen Höfe sind alle ausgeheuret, und mit kleinen Quälern besetzt, die ihren Acker nicht be- stellen, sondern nur umkratzen. Der Dünger fehlt ihnen, da sie keine rechte Spannung halten; das Korn, das sie zie- hen, ist um eine Spanne kürzer und unterscheidet sich durch sein elendes Ansehen unter allen. Der Abfall im Stroh und Korn ist über ein Drittel gegen die Zeiten meiner Ju- gend; und ich erinnere mich, wie wir vor zehn Jahren eine schwere Theurung hatten, und Korn von Bremen geholet werden sollte, daß von den Pferden der Heuerleute kein ein- ziges eine Meile gehen konnte. Auf diese Weise müssen die wenigen so noch gut stehen, und worauf man zur Zeit der Noth doch greifen muß, nothwendig zu Grunde gehen, sie mögen sich auch noch so lange wehren. Die Obrigkeit sollte darauf halten, daß jeder Hof nach Landsittlichem Gebrauch besetzet werden müßte; und dann auch den Besitzer schützen, daß ihm sein Vieh und Feldgeräthe nicht gepfändet werden könnte.
Hurry! Murry! unterbrach sie hier ein Officier. Wenn meine Soldaten ihren Tornüster versetzet haben: so lasse ich ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornüster wieder einlösen könne; und gehts denn zum Marsch, Puf so nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das ist die ganze Geschichte eurer Heuerleute. Wenn der Kerl ein Pferd schuldig ist: so pfändet ihm der Richter zur Bezah- lung zween, und ihr guten Leute sehet nicht ein, daß der
Hof
Nichts iſt ſchaͤdlicher
ein Menſch auf einen Hof ſetzen kann, wenn er auf dieſe Art gezerret wird? Wird ſich alſo unſre ganze Verfaſſung nicht endlich voͤllig in das verderbliche Heuerweſen aufloͤſen?
Das hat ſie ſchon gethan, ſchloß ein andrer. In dem Kirchſpiel, worinn ich wohne, ſind nur noch zwey beſetzte Hoͤfe uͤbrig. Wenn gefahren werden muß: ſo faͤllt dieſen alles zur Laſt. Die uͤbrigen Hoͤfe ſind alle ausgeheuret, und mit kleinen Quaͤlern beſetzt, die ihren Acker nicht be- ſtellen, ſondern nur umkratzen. Der Duͤnger fehlt ihnen, da ſie keine rechte Spannung halten; das Korn, das ſie zie- hen, iſt um eine Spanne kuͤrzer und unterſcheidet ſich durch ſein elendes Anſehen unter allen. Der Abfall im Stroh und Korn iſt uͤber ein Drittel gegen die Zeiten meiner Ju- gend; und ich erinnere mich, wie wir vor zehn Jahren eine ſchwere Theurung hatten, und Korn von Bremen geholet werden ſollte, daß von den Pferden der Heuerleute kein ein- ziges eine Meile gehen konnte. Auf dieſe Weiſe muͤſſen die wenigen ſo noch gut ſtehen, und worauf man zur Zeit der Noth doch greifen muß, nothwendig zu Grunde gehen, ſie moͤgen ſich auch noch ſo lange wehren. Die Obrigkeit ſollte darauf halten, daß jeder Hof nach Landſittlichem Gebrauch beſetzet werden muͤßte; und dann auch den Beſitzer ſchuͤtzen, daß ihm ſein Vieh und Feldgeraͤthe nicht gepfaͤndet werden koͤnnte.
Hurry! Murry! unterbrach ſie hier ein Officier. Wenn meine Soldaten ihren Tornuͤſter verſetzet haben: ſo laſſe ich ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornuͤſter wieder einloͤſen koͤnne; und gehts denn zum Marſch, Puf ſo nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das iſt die ganze Geſchichte eurer Heuerleute. Wenn der Kerl ein Pferd ſchuldig iſt: ſo pfaͤndet ihm der Richter zur Bezah- lung zween, und ihr guten Leute ſehet nicht ein, daß der
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Nichts iſt ſchaͤdlicher
ein Menſch auf einen Hof ſetzen kann, wenn er auf dieſe
Art gezerret wird? Wird ſich alſo unſre ganze Verfaſſung
nicht endlich voͤllig in das verderbliche Heuerweſen aufloͤſen?
Das hat ſie ſchon gethan, ſchloß ein andrer. In dem
Kirchſpiel, worinn ich wohne, ſind nur noch zwey beſetzte
Hoͤfe uͤbrig. Wenn gefahren werden muß: ſo faͤllt dieſen
alles zur Laſt. Die uͤbrigen Hoͤfe ſind alle ausgeheuret,
und mit kleinen Quaͤlern beſetzt, die ihren Acker nicht be-
ſtellen, ſondern nur umkratzen. Der Duͤnger fehlt ihnen,
da ſie keine rechte Spannung halten; das Korn, das ſie zie-
hen, iſt um eine Spanne kuͤrzer und unterſcheidet ſich durch
ſein elendes Anſehen unter allen. Der Abfall im Stroh
und Korn iſt uͤber ein Drittel gegen die Zeiten meiner Ju-
gend; und ich erinnere mich, wie wir vor zehn Jahren eine
ſchwere Theurung hatten, und Korn von Bremen geholet
werden ſollte, daß von den Pferden der Heuerleute kein ein-
ziges eine Meile gehen konnte. Auf dieſe Weiſe muͤſſen die
wenigen ſo noch gut ſtehen, und worauf man zur Zeit der
Noth doch greifen muß, nothwendig zu Grunde gehen, ſie
moͤgen ſich auch noch ſo lange wehren. Die Obrigkeit ſollte
darauf halten, daß jeder Hof nach Landſittlichem Gebrauch
beſetzet werden muͤßte; und dann auch den Beſitzer ſchuͤtzen,
daß ihm ſein Vieh und Feldgeraͤthe nicht gepfaͤndet werden
koͤnnte.
Hurry! Murry! unterbrach ſie hier ein Officier. Wenn
meine Soldaten ihren Tornuͤſter verſetzet haben: ſo laſſe ich
ihnen das Gewehr verkaufen, damit man ihre Tornuͤſter
wieder einloͤſen koͤnne; und gehts denn zum Marſch, Puf
ſo nimmt jeder einen Stecken in die Hand. Das iſt die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/296>, abgerufen am 31.07.2024.
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