Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.als die Ausheurung der Bauerhöfe. den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm seineganze Besserung bezahlet worden; und dieser pfändet im- mer darauf los, ohne für unsre Pächte etwas übrig zu lassen. Wo noch ein armer Eigenbehöriger ist: da hat er so viel Geschwister von seinem Vater und Großvater, die ihre Kindestheile von ihm fordern, daß er sich gar nicht mehr retten kann *). Kurz, wir müssen darauf denken, entwe- der die Verfassung so wie solche vor dreyhundert Jahren war, wieder einzuführen, oder dem Heuerwesen eine ganz andre Form geben. Das erste wird schwer halten, bemerkte ein Moralist, füh- *) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geschwister von einem Bauerhofe ist es im Stift Oßnabrück eine besondre Sache, nachdem durch eine unglückliche Folge römischer Begriffe, der Erbe zum Hofe vor seinen Geschwistern nur eine doppelte Por- tion voraus hat, und ihnen nach diesem Verhältniß herausge- ben muß. Alle Höfe müssen dabey zu Grunde gehen. S 4
als die Ausheurung der Bauerhoͤfe. den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm ſeineganze Beſſerung bezahlet worden; und dieſer pfaͤndet im- mer darauf los, ohne fuͤr unſre Paͤchte etwas uͤbrig zu laſſen. Wo noch ein armer Eigenbehoͤriger iſt: da hat er ſo viel Geſchwiſter von ſeinem Vater und Großvater, die ihre Kindestheile von ihm fordern, daß er ſich gar nicht mehr retten kann *). Kurz, wir muͤſſen darauf denken, entwe- der die Verfaſſung ſo wie ſolche vor dreyhundert Jahren war, wieder einzufuͤhren, oder dem Heuerweſen eine ganz andre Form geben. Das erſte wird ſchwer halten, bemerkte ein Moraliſt, fuͤh- *) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geſchwiſter von einem Bauerhofe iſt es im Stift Oßnabruͤck eine beſondre Sache, nachdem durch eine ungluͤckliche Folge roͤmiſcher Begriffe, der Erbe zum Hofe vor ſeinen Geſchwiſtern nur eine doppelte Por- tion voraus hat, und ihnen nach dieſem Verhaͤltniß herausge- ben muß. Alle Hoͤfe muͤſſen dabey zu Grunde gehen. S 4
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als die Ausheurung der Bauerhoͤfe.
den Heuermann, der nicht weichen will, bevor ihm ſeine
ganze Beſſerung bezahlet worden; und dieſer pfaͤndet im-
mer darauf los, ohne fuͤr unſre Paͤchte etwas uͤbrig zu
laſſen. Wo noch ein armer Eigenbehoͤriger iſt: da hat er ſo
viel Geſchwiſter von ſeinem Vater und Großvater, die ihre
Kindestheile von ihm fordern, daß er ſich gar nicht mehr
retten kann *). Kurz, wir muͤſſen darauf denken, entwe-
der die Verfaſſung ſo wie ſolche vor dreyhundert Jahren
war, wieder einzufuͤhren, oder dem Heuerweſen eine ganz
andre Form geben.
Das erſte wird ſchwer halten, bemerkte ein Moraliſt,
die ganze Nation iſt leichtfertig und fluͤchtig geworden. Es
iſt keiner mehr, der es fuͤhlt, was es ſey ein vaͤterliches
Erbe mit eignen Pferden zu bauen. Der Heuerling zieht
von einem Erbe aufs andre, ohne einen zaͤrtlichen Blick
nach dem Verlaſſenen zu werfen. Jeder ſieht ſeine Woh-
nung als eine Herberge an, und denkt nicht an denjenigen,
der nach ihm koͤmmt. Ueberall fehlt die Liebe zu dem ge-
heuerten Grunde; mit ihr die Sorge fuͤr eine Nachkom-
menſchaft; und mit dieſer der edle Trieb zur dauerhaften
Verbeſſerung. Man rupft von den Hoͤfen was man kann,
und denkt: wann die Heuerjahre um ſind, ſo moͤgen Di-
ſteln und Dornen den Grund bedecken. Ich habe neulich
meinen Leibeignen abaͤuſſern muͤſſen. Himmel! wie quaͤlte
mich der Mann, ihn auf dem Hofe zu laſſen; er weinete
und heulete nicht anders, als wenn er Frau und Kinder
verlieren ſollte; ich mußte ihn mit Gewalt aus dem Hauſe
fuͤh-
*) Mit den Abfindungen oder Auslobungen der Geſchwiſter von
einem Bauerhofe iſt es im Stift Oßnabruͤck eine beſondre Sache,
nachdem durch eine ungluͤckliche Folge roͤmiſcher Begriffe, der
Erbe zum Hofe vor ſeinen Geſchwiſtern nur eine doppelte Por-
tion voraus hat, und ihnen nach dieſem Verhaͤltniß herausge-
ben muß. Alle Hoͤfe muͤſſen dabey zu Grunde gehen.
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