nicht aber befohlen, daß so gleich jeder sein Schwein auf dem Stalle oder vor einem Hirten halten solle; das Her- kommen rede für die Freyheit, wie die Rosten und Fall- thüren an den Kirchhöfen zeugten, welche ihre Vorfah- ren nicht gemacht haben würden, wenn die Schweine nicht das Recht gehabt hätten, frey zu gehen.
Diese Gründe bewogen auch würklich Ihro Königl. Hoheit jenen Befehl wieder einzuziehen, und dagegen un- term 2 May 1722. zu verabschieden:
Daß die Supplicanten zwar ihre Schweine den Winter über wie bisher ohne Hirten laufen zu lassen berechtiget seyn, selbige aber doch des Nachts auf- stallen und bewahren, auch den übersteigenden Schweinen sogenannten Heckhölzer umhangen, die Unterthanen hingegen ihre Gärten gehörig befriedi- gen sollten,
wobey es auch mehrerer dagegen geschehenen Vorstellun- gen ungeachtet, nachwärts belassen wurde.
Noch weniger mag es mit Billigkeit den Genossen eines gemeinschaftlichen Feldes oder Esches verarget wer- den, wenn sie zu der Zeit, wo das Schwein eine güldne Schnautze haben soll, ihr Vieh in demselben ohne Hirten herumlaufen lassen. Die Universität zu Jena erkannte dieses in Sachen der Heker und Waller Bauerschaften ge- gen den Landesfürstlichen Fiscus folgendermassen:
Daß sie wegen des Weidens, welches sie zur Win- terzeit, auf ihren eignen eingefriedigten Eschen, ohne jemandes Schaden, mit den Schweinen vor- nehmen, mit aller Strafe billig zu verschonen.
jedoch wurde dieses Urtheil nachwärts von der Universität zu Rinteln dergestalt
daß
Vom Huͤten der Schweine.
nicht aber befohlen, daß ſo gleich jeder ſein Schwein auf dem Stalle oder vor einem Hirten halten ſolle; das Her- kommen rede fuͤr die Freyheit, wie die Roſten und Fall- thuͤren an den Kirchhoͤfen zeugten, welche ihre Vorfah- ren nicht gemacht haben wuͤrden, wenn die Schweine nicht das Recht gehabt haͤtten, frey zu gehen.
Dieſe Gruͤnde bewogen auch wuͤrklich Ihro Koͤnigl. Hoheit jenen Befehl wieder einzuziehen, und dagegen un- term 2 May 1722. zu verabſchieden:
Daß die Supplicanten zwar ihre Schweine den Winter uͤber wie bisher ohne Hirten laufen zu laſſen berechtiget ſeyn, ſelbige aber doch des Nachts auf- ſtallen und bewahren, auch den uͤberſteigenden Schweinen ſogenannten Heckhoͤlzer umhangen, die Unterthanen hingegen ihre Gaͤrten gehoͤrig befriedi- gen ſollten,
wobey es auch mehrerer dagegen geſchehenen Vorſtellun- gen ungeachtet, nachwaͤrts belaſſen wurde.
Noch weniger mag es mit Billigkeit den Genoſſen eines gemeinſchaftlichen Feldes oder Eſches verarget wer- den, wenn ſie zu der Zeit, wo das Schwein eine guͤldne Schnautze haben ſoll, ihr Vieh in demſelben ohne Hirten herumlaufen laſſen. Die Univerſitaͤt zu Jena erkannte dieſes in Sachen der Heker und Waller Bauerſchaften ge- gen den Landesfuͤrſtlichen Fiſcus folgendermaſſen:
Daß ſie wegen des Weidens, welches ſie zur Win- terzeit, auf ihren eignen eingefriedigten Eſchen, ohne jemandes Schaden, mit den Schweinen vor- nehmen, mit aller Strafe billig zu verſchonen.
jedoch wurde dieſes Urtheil nachwaͤrts von der Univerſitaͤt zu Rinteln dergeſtalt
daß
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Vom Huͤten der Schweine.
nicht aber befohlen, daß ſo gleich jeder ſein Schwein auf
dem Stalle oder vor einem Hirten halten ſolle; das Her-
kommen rede fuͤr die Freyheit, wie die Roſten und Fall-
thuͤren an den Kirchhoͤfen zeugten, welche ihre Vorfah-
ren nicht gemacht haben wuͤrden, wenn die Schweine
nicht das Recht gehabt haͤtten, frey zu gehen.
Dieſe Gruͤnde bewogen auch wuͤrklich Ihro Koͤnigl.
Hoheit jenen Befehl wieder einzuziehen, und dagegen un-
term 2 May 1722. zu verabſchieden:
Daß die Supplicanten zwar ihre Schweine den
Winter uͤber wie bisher ohne Hirten laufen zu laſſen
berechtiget ſeyn, ſelbige aber doch des Nachts auf-
ſtallen und bewahren, auch den uͤberſteigenden
Schweinen ſogenannten Heckhoͤlzer umhangen, die
Unterthanen hingegen ihre Gaͤrten gehoͤrig befriedi-
gen ſollten,
wobey es auch mehrerer dagegen geſchehenen Vorſtellun-
gen ungeachtet, nachwaͤrts belaſſen wurde.
Noch weniger mag es mit Billigkeit den Genoſſen
eines gemeinſchaftlichen Feldes oder Eſches verarget wer-
den, wenn ſie zu der Zeit, wo das Schwein eine guͤldne
Schnautze haben ſoll, ihr Vieh in demſelben ohne Hirten
herumlaufen laſſen. Die Univerſitaͤt zu Jena erkannte
dieſes in Sachen der Heker und Waller Bauerſchaften ge-
gen den Landesfuͤrſtlichen Fiſcus folgendermaſſen:
Daß ſie wegen des Weidens, welches ſie zur Win-
terzeit, auf ihren eignen eingefriedigten Eſchen,
ohne jemandes Schaden, mit den Schweinen vor-
nehmen, mit aller Strafe billig zu verſchonen.
jedoch wurde dieſes Urtheil nachwaͤrts von der Univerſitaͤt
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Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/226>, abgerufen am 27.07.2024.
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