Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

gegenganze Stände.
nicht, daß man ihren Stand angreife, und sie dadurch
mit schlechtern vermische.

Die Gefahr, welche aus einer solchen Vermischung ent-
steht, ist fürchterlicher, wie Sie zu glauben scheinen. In
dem vorigen Kriege hörte ein englischer Generalcommissarius,
ich will den redlichen Mann nennen, er hieß Elliot, daß ein
allgemeiner Verdacht der Betriegerey die Männer seines
Standes drückte; sogleich faßte er seinen Entschluß, legte
sein Amt nieder, und gieng nach England zurück. Und
vielleicht hat die Krone durch seinen Abgang eine Million
mehr verlohren; vielleicht sind hundert ehrliche Leute da-
durch um ihre Bezahlung gekommen, und gewiß ist das Ge-
mische von den damaligen Commissarien dadurch immer
schlechter geworden, daß ein solcher Mann sich demselben
entzog. Wie viel Mühe hat die Wundarzeney gehabt,
Genies und Männer von Einsichten an sich zu ziehen, weil
sie mit der Baderey in Deutschland vermischt und verach-
tet wurde! Und wie elend sahe es um die Ehre des Militair-
standes aus, als man noch sagte, daß blos ungerathene
Söhne dem Kalbfelle nachliefen? Wer geht noch jetzt un-
ter ein Regiment, das im üblen Rufe steht? Wer giebt sein
gutes Kind in eine Bauerschaft die man diebisch heißt?

Dieses sind aber die natürlichen Folgen aller Satyren,
welche einen ganzen Stand, ein Regiment oder ein Dorf
angreifen; und wie soll man hernach Leute, denen man die
Reitzung der Ehre, die Achtung gegen ihren Dienst, und
die hieraus fliessende Empfindung aus dem Herzen schlägt,
in Ordnung halten?

Derjenige Staat ist glücklich, der viele rechtschaffene,
geliebte und geehrte Diener hat. Um diese zu erhalten spart
er gern das Geld, wozu der geringere Theil der Menschen
das mehrste auf bringen muß, und belohnt sie mit der Ehre,

die

gegenganze Staͤnde.
nicht, daß man ihren Stand angreife, und ſie dadurch
mit ſchlechtern vermiſche.

Die Gefahr, welche aus einer ſolchen Vermiſchung ent-
ſteht, iſt fuͤrchterlicher, wie Sie zu glauben ſcheinen. In
dem vorigen Kriege hoͤrte ein engliſcher Generalcommiſſarius,
ich will den redlichen Mann nennen, er hieß Elliot, daß ein
allgemeiner Verdacht der Betriegerey die Maͤnner ſeines
Standes druͤckte; ſogleich faßte er ſeinen Entſchluß, legte
ſein Amt nieder, und gieng nach England zuruͤck. Und
vielleicht hat die Krone durch ſeinen Abgang eine Million
mehr verlohren; vielleicht ſind hundert ehrliche Leute da-
durch um ihre Bezahlung gekommen, und gewiß iſt das Ge-
miſche von den damaligen Commiſſarien dadurch immer
ſchlechter geworden, daß ein ſolcher Mann ſich demſelben
entzog. Wie viel Muͤhe hat die Wundarzeney gehabt,
Genies und Maͤnner von Einſichten an ſich zu ziehen, weil
ſie mit der Baderey in Deutſchland vermiſcht und verach-
tet wurde! Und wie elend ſahe es um die Ehre des Militair-
ſtandes aus, als man noch ſagte, daß blos ungerathene
Soͤhne dem Kalbfelle nachliefen? Wer geht noch jetzt un-
ter ein Regiment, das im uͤblen Rufe ſteht? Wer giebt ſein
gutes Kind in eine Bauerſchaft die man diebiſch heißt?

Dieſes ſind aber die natuͤrlichen Folgen aller Satyren,
welche einen ganzen Stand, ein Regiment oder ein Dorf
angreifen; und wie ſoll man hernach Leute, denen man die
Reitzung der Ehre, die Achtung gegen ihren Dienſt, und
die hieraus flieſſende Empfindung aus dem Herzen ſchlaͤgt,
in Ordnung halten?

Derjenige Staat iſt gluͤcklich, der viele rechtſchaffene,
geliebte und geehrte Diener hat. Um dieſe zu erhalten ſpart
er gern das Geld, wozu der geringere Theil der Menſchen
das mehrſte auf bringen muß, und belohnt ſie mit der Ehre,

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gegenganze Sta&#x0364;nde.</hi></fw><lb/>
nicht, daß man ihren Stand angreife, und &#x017F;ie dadurch<lb/>
mit &#x017F;chlechtern vermi&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>Die Gefahr, welche aus einer &#x017F;olchen Vermi&#x017F;chung ent-<lb/>
&#x017F;teht, i&#x017F;t fu&#x0364;rchterlicher, wie Sie zu glauben &#x017F;cheinen. In<lb/>
dem vorigen Kriege ho&#x0364;rte ein engli&#x017F;cher Generalcommi&#x017F;&#x017F;arius,<lb/>
ich will den redlichen Mann nennen, er hieß Elliot, daß ein<lb/>
allgemeiner Verdacht der Betriegerey die Ma&#x0364;nner &#x017F;eines<lb/>
Standes dru&#x0364;ckte; &#x017F;ogleich faßte er &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß, legte<lb/>
&#x017F;ein Amt nieder, und gieng nach England zuru&#x0364;ck. Und<lb/>
vielleicht hat die Krone durch &#x017F;einen Abgang eine Million<lb/>
mehr verlohren; vielleicht &#x017F;ind hundert ehrliche Leute da-<lb/>
durch um ihre Bezahlung gekommen, und gewiß i&#x017F;t das Ge-<lb/>
mi&#x017F;che von den damaligen Commi&#x017F;&#x017F;arien dadurch immer<lb/>
&#x017F;chlechter geworden, daß ein &#x017F;olcher Mann &#x017F;ich dem&#x017F;elben<lb/>
entzog. Wie viel Mu&#x0364;he hat die Wundarzeney gehabt,<lb/>
Genies und Ma&#x0364;nner von Ein&#x017F;ichten an &#x017F;ich zu ziehen, weil<lb/>
&#x017F;ie mit der Baderey in Deut&#x017F;chland vermi&#x017F;cht und verach-<lb/>
tet wurde! Und wie elend &#x017F;ahe es um die Ehre des Militair-<lb/>
&#x017F;tandes aus, als man noch &#x017F;agte, daß blos ungerathene<lb/>
So&#x0364;hne dem Kalbfelle nachliefen? Wer geht noch jetzt un-<lb/>
ter ein Regiment, das im u&#x0364;blen Rufe &#x017F;teht? Wer giebt &#x017F;ein<lb/>
gutes Kind in eine Bauer&#x017F;chaft die man diebi&#x017F;ch heißt?</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es &#x017F;ind aber die natu&#x0364;rlichen Folgen aller Satyren,<lb/>
welche einen ganzen Stand, ein Regiment oder ein Dorf<lb/>
angreifen; und wie &#x017F;oll man hernach Leute, denen man die<lb/>
Reitzung der Ehre, die Achtung gegen ihren Dien&#x017F;t, und<lb/>
die hieraus flie&#x017F;&#x017F;ende Empfindung aus dem Herzen &#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
in Ordnung halten?</p><lb/>
        <p>Derjenige Staat i&#x017F;t glu&#x0364;cklich, der viele recht&#x017F;chaffene,<lb/>
geliebte und geehrte Diener hat. Um die&#x017F;e zu erhalten &#x017F;part<lb/>
er gern das Geld, wozu der geringere Theil der Men&#x017F;chen<lb/>
das mehr&#x017F;te auf bringen muß, und belohnt &#x017F;ie mit der Ehre,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0137] gegenganze Staͤnde. nicht, daß man ihren Stand angreife, und ſie dadurch mit ſchlechtern vermiſche. Die Gefahr, welche aus einer ſolchen Vermiſchung ent- ſteht, iſt fuͤrchterlicher, wie Sie zu glauben ſcheinen. In dem vorigen Kriege hoͤrte ein engliſcher Generalcommiſſarius, ich will den redlichen Mann nennen, er hieß Elliot, daß ein allgemeiner Verdacht der Betriegerey die Maͤnner ſeines Standes druͤckte; ſogleich faßte er ſeinen Entſchluß, legte ſein Amt nieder, und gieng nach England zuruͤck. Und vielleicht hat die Krone durch ſeinen Abgang eine Million mehr verlohren; vielleicht ſind hundert ehrliche Leute da- durch um ihre Bezahlung gekommen, und gewiß iſt das Ge- miſche von den damaligen Commiſſarien dadurch immer ſchlechter geworden, daß ein ſolcher Mann ſich demſelben entzog. Wie viel Muͤhe hat die Wundarzeney gehabt, Genies und Maͤnner von Einſichten an ſich zu ziehen, weil ſie mit der Baderey in Deutſchland vermiſcht und verach- tet wurde! Und wie elend ſahe es um die Ehre des Militair- ſtandes aus, als man noch ſagte, daß blos ungerathene Soͤhne dem Kalbfelle nachliefen? Wer geht noch jetzt un- ter ein Regiment, das im uͤblen Rufe ſteht? Wer giebt ſein gutes Kind in eine Bauerſchaft die man diebiſch heißt? Dieſes ſind aber die natuͤrlichen Folgen aller Satyren, welche einen ganzen Stand, ein Regiment oder ein Dorf angreifen; und wie ſoll man hernach Leute, denen man die Reitzung der Ehre, die Achtung gegen ihren Dienſt, und die hieraus flieſſende Empfindung aus dem Herzen ſchlaͤgt, in Ordnung halten? Derjenige Staat iſt gluͤcklich, der viele rechtſchaffene, geliebte und geehrte Diener hat. Um dieſe zu erhalten ſpart er gern das Geld, wozu der geringere Theil der Menſchen das mehrſte auf bringen muß, und belohnt ſie mit der Ehre, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/137
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/137>, abgerufen am 28.03.2024.