Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen ganze Stände.
andern, so viel ich auch ihrer zu kennen die Ehre habe.
Was ehedem von dem seligen Vogte in diesen Blättern ge-
schrieben, zeigt die ganze Würde, und den grossen Werth
des Amts, welches ein Vogt hieselbst bekleidet, den unend-
lichen Einfluß auf das gemeine Beste, welchen er sich ge-
ben kann, und die hohe Achtung so er verdient, wenn er
sich durch Einsicht und Redlichkeit das nöthige Ansehn er-
wirbt. Die Absicht des Verfassers, der sich in seinen pa-
triotischen Phantasien zu diesem Stück bekannt hat, gieng
dahin, den Dienst zu erheben, um grosse Männer zu ver-
mögen, denselben anzunehmen, und unwürdige davon aus-
zuschliessen. So oft derselbe die Satyre zur Besserung
eines Standes gebraucht, will er durch Liebe gewinnen, und
keine Abneigung gegen seine Lehren erwecken. Er macht
es wie der Capitäin, der auch mit einem schlechten Unter-
officier nicht anders als mit dem Hute in der Hand spricht,
um Leuten, welche die Seele des Regiments sind, Achtung
gegen ihren Stand, und durch diese Achtung einen Geist
beyzubringen, der sich unter der Beschimpfung verlieret.
Er spricht mit Ehrfurcht von dem Landmanne, wenn er
gleich einem schlechten Wirthe die Geissel fühlen läßt; er
macht den Handwerker zum ersten Patrioten, um ihn von
der Versuchung abzuhalten, ein schädlicher Krämer zu wer-
den, und zieht den grossen Kaufmann allen grossen und
kleinen Männergen vor, damit derselbe sich nicht durch ei-
nen Adelbrief erniedrigen, oder seine Tochter zu unbürger-
lichen Eher bereden möge. Dieses ist, wenn Sie es be-
merkt haben, immer seine Manier gewesen, und er glaubt,
daß dieses noch der einzige Weg sey, um etwas zur allge-
meinen Besserung beyzutragen. Wenn die Hohen dieser
Welt einem Pfarrer nicht mit der gehörigen Achtung be-
gegnen: so denkt er, ihre Nachkommen werden bey dem
Vorreuter zur Beichte gehen; und wenn er von Advocaten-

strei-
H 5

gegen ganze Staͤnde.
andern, ſo viel ich auch ihrer zu kennen die Ehre habe.
Was ehedem von dem ſeligen Vogte in dieſen Blaͤttern ge-
ſchrieben, zeigt die ganze Wuͤrde, und den groſſen Werth
des Amts, welches ein Vogt hieſelbſt bekleidet, den unend-
lichen Einfluß auf das gemeine Beſte, welchen er ſich ge-
ben kann, und die hohe Achtung ſo er verdient, wenn er
ſich durch Einſicht und Redlichkeit das noͤthige Anſehn er-
wirbt. Die Abſicht des Verfaſſers, der ſich in ſeinen pa-
triotiſchen Phantaſien zu dieſem Stuͤck bekannt hat, gieng
dahin, den Dienſt zu erheben, um groſſe Maͤnner zu ver-
moͤgen, denſelben anzunehmen, und unwuͤrdige davon aus-
zuſchlieſſen. So oft derſelbe die Satyre zur Beſſerung
eines Standes gebraucht, will er durch Liebe gewinnen, und
keine Abneigung gegen ſeine Lehren erwecken. Er macht
es wie der Capitaͤin, der auch mit einem ſchlechten Unter-
officier nicht anders als mit dem Hute in der Hand ſpricht,
um Leuten, welche die Seele des Regiments ſind, Achtung
gegen ihren Stand, und durch dieſe Achtung einen Geiſt
beyzubringen, der ſich unter der Beſchimpfung verlieret.
Er ſpricht mit Ehrfurcht von dem Landmanne, wenn er
gleich einem ſchlechten Wirthe die Geiſſel fuͤhlen laͤßt; er
macht den Handwerker zum erſten Patrioten, um ihn von
der Verſuchung abzuhalten, ein ſchaͤdlicher Kraͤmer zu wer-
den, und zieht den groſſen Kaufmann allen groſſen und
kleinen Maͤnnergen vor, damit derſelbe ſich nicht durch ei-
nen Adelbrief erniedrigen, oder ſeine Tochter zu unbuͤrger-
lichen Eher bereden moͤge. Dieſes iſt, wenn Sie es be-
merkt haben, immer ſeine Manier geweſen, und er glaubt,
daß dieſes noch der einzige Weg ſey, um etwas zur allge-
meinen Beſſerung beyzutragen. Wenn die Hohen dieſer
Welt einem Pfarrer nicht mit der gehoͤrigen Achtung be-
gegnen: ſo denkt er, ihre Nachkommen werden bey dem
Vorreuter zur Beichte gehen; und wenn er von Advocaten-

ſtrei-
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gegen ganze Sta&#x0364;nde.</hi></fw><lb/>
andern, &#x017F;o viel ich auch ihrer zu kennen die Ehre habe.<lb/>
Was ehedem von dem <hi rendition="#fr">&#x017F;eligen Vogte</hi> in die&#x017F;en Bla&#x0364;ttern ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, zeigt die ganze Wu&#x0364;rde, und den gro&#x017F;&#x017F;en Werth<lb/>
des Amts, welches ein Vogt hie&#x017F;elb&#x017F;t bekleidet, den unend-<lb/>
lichen Einfluß auf das gemeine Be&#x017F;te, welchen er &#x017F;ich ge-<lb/>
ben kann, und die hohe Achtung &#x017F;o er verdient, wenn er<lb/>
&#x017F;ich durch Ein&#x017F;icht und Redlichkeit das no&#x0364;thige An&#x017F;ehn er-<lb/>
wirbt. Die Ab&#x017F;icht des Verfa&#x017F;&#x017F;ers, der &#x017F;ich in &#x017F;einen pa-<lb/>
trioti&#x017F;chen Phanta&#x017F;ien zu die&#x017F;em Stu&#x0364;ck bekannt hat, gieng<lb/>
dahin, den Dien&#x017F;t zu erheben, um gro&#x017F;&#x017F;e Ma&#x0364;nner zu ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, den&#x017F;elben anzunehmen, und unwu&#x0364;rdige davon aus-<lb/>
zu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en. So oft der&#x017F;elbe die Satyre zur Be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
eines Standes gebraucht, will er durch Liebe gewinnen, und<lb/>
keine Abneigung gegen &#x017F;eine Lehren erwecken. Er macht<lb/>
es wie der Capita&#x0364;in, der auch mit einem &#x017F;chlechten Unter-<lb/>
officier nicht anders als mit dem Hute in der Hand &#x017F;pricht,<lb/>
um Leuten, welche die Seele des Regiments &#x017F;ind, Achtung<lb/>
gegen ihren Stand, und durch die&#x017F;e Achtung einen Gei&#x017F;t<lb/>
beyzubringen, der &#x017F;ich unter der Be&#x017F;chimpfung verlieret.<lb/>
Er &#x017F;pricht mit Ehrfurcht von dem Landmanne, wenn er<lb/>
gleich einem &#x017F;chlechten Wirthe die Gei&#x017F;&#x017F;el fu&#x0364;hlen la&#x0364;ßt; er<lb/>
macht den Handwerker zum er&#x017F;ten Patrioten, um ihn von<lb/>
der Ver&#x017F;uchung abzuhalten, ein &#x017F;cha&#x0364;dlicher Kra&#x0364;mer zu wer-<lb/>
den, und zieht den gro&#x017F;&#x017F;en Kaufmann allen gro&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
kleinen Ma&#x0364;nnergen vor, damit der&#x017F;elbe &#x017F;ich nicht durch ei-<lb/>
nen Adelbrief erniedrigen, oder &#x017F;eine Tochter zu unbu&#x0364;rger-<lb/>
lichen Eher bereden mo&#x0364;ge. Die&#x017F;es i&#x017F;t, wenn Sie es be-<lb/>
merkt haben, immer &#x017F;eine Manier gewe&#x017F;en, und er glaubt,<lb/>
daß die&#x017F;es noch der einzige Weg &#x017F;ey, um etwas zur allge-<lb/>
meinen Be&#x017F;&#x017F;erung beyzutragen. Wenn die Hohen die&#x017F;er<lb/>
Welt einem Pfarrer nicht mit der geho&#x0364;rigen Achtung be-<lb/>
gegnen: &#x017F;o denkt er, ihre Nachkommen werden bey dem<lb/>
Vorreuter zur Beichte gehen; und wenn er von Advocaten-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;trei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0135] gegen ganze Staͤnde. andern, ſo viel ich auch ihrer zu kennen die Ehre habe. Was ehedem von dem ſeligen Vogte in dieſen Blaͤttern ge- ſchrieben, zeigt die ganze Wuͤrde, und den groſſen Werth des Amts, welches ein Vogt hieſelbſt bekleidet, den unend- lichen Einfluß auf das gemeine Beſte, welchen er ſich ge- ben kann, und die hohe Achtung ſo er verdient, wenn er ſich durch Einſicht und Redlichkeit das noͤthige Anſehn er- wirbt. Die Abſicht des Verfaſſers, der ſich in ſeinen pa- triotiſchen Phantaſien zu dieſem Stuͤck bekannt hat, gieng dahin, den Dienſt zu erheben, um groſſe Maͤnner zu ver- moͤgen, denſelben anzunehmen, und unwuͤrdige davon aus- zuſchlieſſen. So oft derſelbe die Satyre zur Beſſerung eines Standes gebraucht, will er durch Liebe gewinnen, und keine Abneigung gegen ſeine Lehren erwecken. Er macht es wie der Capitaͤin, der auch mit einem ſchlechten Unter- officier nicht anders als mit dem Hute in der Hand ſpricht, um Leuten, welche die Seele des Regiments ſind, Achtung gegen ihren Stand, und durch dieſe Achtung einen Geiſt beyzubringen, der ſich unter der Beſchimpfung verlieret. Er ſpricht mit Ehrfurcht von dem Landmanne, wenn er gleich einem ſchlechten Wirthe die Geiſſel fuͤhlen laͤßt; er macht den Handwerker zum erſten Patrioten, um ihn von der Verſuchung abzuhalten, ein ſchaͤdlicher Kraͤmer zu wer- den, und zieht den groſſen Kaufmann allen groſſen und kleinen Maͤnnergen vor, damit derſelbe ſich nicht durch ei- nen Adelbrief erniedrigen, oder ſeine Tochter zu unbuͤrger- lichen Eher bereden moͤge. Dieſes iſt, wenn Sie es be- merkt haben, immer ſeine Manier geweſen, und er glaubt, daß dieſes noch der einzige Weg ſey, um etwas zur allge- meinen Beſſerung beyzutragen. Wenn die Hohen dieſer Welt einem Pfarrer nicht mit der gehoͤrigen Achtung be- gegnen: ſo denkt er, ihre Nachkommen werden bey dem Vorreuter zur Beichte gehen; und wenn er von Advocaten- ſtrei- H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/135
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/135>, abgerufen am 21.11.2024.