Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

declamirt von einem Bürger.
durch derselben einen neuen Werth geben. Der betrügliche
Maaßstab innerlicher Verdienste, wodurch sich mancher ge-
lehrter oder moralischer Avanturier jetzt in die Höhe schwingt,
würde minder gebraucht werden; und überhaupt das Land,
eigenthum, diese wahre Quelle der gemeinen Glückseligkeit,
um hundert Procent steigen, und die also ausgemessene Ehre,
ein Product werden, welches man mit Recht ein Plus von
Millionen nennen könnte.

Gienge man hierinn noch weiter, und ließe, nachdem man
die Landuniformen in Compagnien abgetheilet, sich solche in
ihren Aemtern bey einem Vogelschießen oder andern öffentli-
chen Lustbarkeiten versammlen: so würde derjenigen Compagnie,
die das Jahr keinen Restanten gehabt, der erste Rang ange-
wiesen werden können; diejenige, so alle Processe vermieden,
würde das Recht haben können, ihren besten Mann an des
Oberhauptmanns Tafel zu sehen; der Landesherr, der bey
einer solchen öffentlichen Lustbarkeit sich persönlich zeigte, und
was könnte er besser thun? würde Gelegenheit haben, durch
ein einziges Wort den größten Enthusiasmus zur Rechtschaffen-
heit zu verbreiten. Er würde dem Pastor sagen können, daß
er seine Gemeine wohl geführt, und dem Vogte, daß er seine
Dienste als ein Mann von Ehre gethan. Das Auge des
Herrn würde hier wie an der Spitze einer Armee würken;
und die Liebe zum Herrn wie zum Vaterlande alle erschlaften
Adern mit neuen Trieben schwellen.

Jetzt kennt der schätzbare Unterthan seinen Landesherrn nur
dem Namen nach -- aus Steuerpatenten oder Strafbefeh-
len. Dieser kommt nie zur Revüe für ihn; er stinkt wohl
gar schon seinen Beamten an; und einer mag sich vom Meyer
zum Heuermann processen, sein Hofgewehr vertrinken oder

ver-
Mösers patr. Phantas. II. Th. E

declamirt von einem Buͤrger.
durch derſelben einen neuen Werth geben. Der betruͤgliche
Maaßſtab innerlicher Verdienſte, wodurch ſich mancher ge-
lehrter oder moraliſcher Avanturier jetzt in die Hoͤhe ſchwingt,
wuͤrde minder gebraucht werden; und uͤberhaupt das Land,
eigenthum, dieſe wahre Quelle der gemeinen Gluͤckſeligkeit,
um hundert Procent ſteigen, und die alſo ausgemeſſene Ehre,
ein Product werden, welches man mit Recht ein Plus von
Millionen nennen koͤnnte.

Gienge man hierinn noch weiter, und ließe, nachdem man
die Landuniformen in Compagnien abgetheilet, ſich ſolche in
ihren Aemtern bey einem Vogelſchießen oder andern oͤffentli-
chen Luſtbarkeiten verſammlen: ſo wuͤrde derjenigen Compagnie,
die das Jahr keinen Reſtanten gehabt, der erſte Rang ange-
wieſen werden koͤnnen; diejenige, ſo alle Proceſſe vermieden,
wuͤrde das Recht haben koͤnnen, ihren beſten Mann an des
Oberhauptmanns Tafel zu ſehen; der Landesherr, der bey
einer ſolchen oͤffentlichen Luſtbarkeit ſich perſoͤnlich zeigte, und
was koͤnnte er beſſer thun? wuͤrde Gelegenheit haben, durch
ein einziges Wort den groͤßten Enthuſiaſmus zur Rechtſchaffen-
heit zu verbreiten. Er wuͤrde dem Paſtor ſagen koͤnnen, daß
er ſeine Gemeine wohl gefuͤhrt, und dem Vogte, daß er ſeine
Dienſte als ein Mann von Ehre gethan. Das Auge des
Herrn wuͤrde hier wie an der Spitze einer Armee wuͤrken;
und die Liebe zum Herrn wie zum Vaterlande alle erſchlaften
Adern mit neuen Trieben ſchwellen.

Jetzt kennt der ſchaͤtzbare Unterthan ſeinen Landesherrn nur
dem Namen nach — aus Steuerpatenten oder Strafbefeh-
len. Dieſer kommt nie zur Revuͤe fuͤr ihn; er ſtinkt wohl
gar ſchon ſeinen Beamten an; und einer mag ſich vom Meyer
zum Heuermann proceſſen, ſein Hofgewehr vertrinken oder

ver-
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="65"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">declamirt von einem Bu&#x0364;rger.</hi></fw><lb/>
durch der&#x017F;elben einen neuen Werth geben. Der betru&#x0364;gliche<lb/>
Maaß&#x017F;tab innerlicher Verdien&#x017F;te, wodurch &#x017F;ich mancher ge-<lb/>
lehrter oder morali&#x017F;cher Avanturier jetzt in die Ho&#x0364;he &#x017F;chwingt,<lb/>
wu&#x0364;rde minder gebraucht werden; und u&#x0364;berhaupt das Land,<lb/>
eigenthum, die&#x017F;e wahre Quelle der gemeinen Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit,<lb/>
um hundert Procent &#x017F;teigen, und die al&#x017F;o ausgeme&#x017F;&#x017F;ene Ehre,<lb/>
ein Product werden, welches man mit Recht ein Plus von<lb/>
Millionen nennen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Gienge man hierinn noch weiter, und ließe, nachdem man<lb/>
die Landuniformen in Compagnien abgetheilet, &#x017F;ich &#x017F;olche in<lb/>
ihren Aemtern bey einem Vogel&#x017F;chießen oder andern o&#x0364;ffentli-<lb/>
chen Lu&#x017F;tbarkeiten ver&#x017F;ammlen: &#x017F;o wu&#x0364;rde derjenigen Compagnie,<lb/>
die das Jahr keinen Re&#x017F;tanten gehabt, der er&#x017F;te Rang ange-<lb/>
wie&#x017F;en werden ko&#x0364;nnen; diejenige, &#x017F;o alle Proce&#x017F;&#x017F;e vermieden,<lb/>
wu&#x0364;rde das Recht haben ko&#x0364;nnen, ihren be&#x017F;ten Mann an des<lb/>
Oberhauptmanns Tafel zu &#x017F;ehen; der Landesherr, der bey<lb/>
einer &#x017F;olchen o&#x0364;ffentlichen Lu&#x017F;tbarkeit &#x017F;ich per&#x017F;o&#x0364;nlich zeigte, und<lb/>
was ko&#x0364;nnte er be&#x017F;&#x017F;er thun? wu&#x0364;rde Gelegenheit haben, durch<lb/>
ein einziges Wort den gro&#x0364;ßten Enthu&#x017F;ia&#x017F;mus zur Recht&#x017F;chaffen-<lb/>
heit zu verbreiten. Er wu&#x0364;rde dem Pa&#x017F;tor &#x017F;agen ko&#x0364;nnen, daß<lb/>
er &#x017F;eine Gemeine wohl gefu&#x0364;hrt, und dem Vogte, daß er &#x017F;eine<lb/>
Dien&#x017F;te als ein Mann von Ehre gethan. Das Auge des<lb/>
Herrn wu&#x0364;rde hier wie an der Spitze einer Armee wu&#x0364;rken;<lb/>
und die Liebe zum Herrn wie zum Vaterlande alle er&#x017F;chlaften<lb/>
Adern mit neuen Trieben &#x017F;chwellen.</p><lb/>
        <p>Jetzt kennt der &#x017F;cha&#x0364;tzbare Unterthan &#x017F;einen Landesherrn nur<lb/>
dem Namen nach &#x2014; aus Steuerpatenten oder Strafbefeh-<lb/>
len. Die&#x017F;er kommt nie zur Revu&#x0364;e fu&#x0364;r ihn; er &#x017F;tinkt wohl<lb/>
gar &#x017F;chon &#x017F;einen Beamten an; und einer mag &#x017F;ich vom Meyer<lb/>
zum Heuermann proce&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ein Hofgewehr vertrinken oder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">&#x017F;ers patr. Phanta&#x017F;.</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Th.</hi> E</fw><fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0083] declamirt von einem Buͤrger. durch derſelben einen neuen Werth geben. Der betruͤgliche Maaßſtab innerlicher Verdienſte, wodurch ſich mancher ge- lehrter oder moraliſcher Avanturier jetzt in die Hoͤhe ſchwingt, wuͤrde minder gebraucht werden; und uͤberhaupt das Land, eigenthum, dieſe wahre Quelle der gemeinen Gluͤckſeligkeit, um hundert Procent ſteigen, und die alſo ausgemeſſene Ehre, ein Product werden, welches man mit Recht ein Plus von Millionen nennen koͤnnte. Gienge man hierinn noch weiter, und ließe, nachdem man die Landuniformen in Compagnien abgetheilet, ſich ſolche in ihren Aemtern bey einem Vogelſchießen oder andern oͤffentli- chen Luſtbarkeiten verſammlen: ſo wuͤrde derjenigen Compagnie, die das Jahr keinen Reſtanten gehabt, der erſte Rang ange- wieſen werden koͤnnen; diejenige, ſo alle Proceſſe vermieden, wuͤrde das Recht haben koͤnnen, ihren beſten Mann an des Oberhauptmanns Tafel zu ſehen; der Landesherr, der bey einer ſolchen oͤffentlichen Luſtbarkeit ſich perſoͤnlich zeigte, und was koͤnnte er beſſer thun? wuͤrde Gelegenheit haben, durch ein einziges Wort den groͤßten Enthuſiaſmus zur Rechtſchaffen- heit zu verbreiten. Er wuͤrde dem Paſtor ſagen koͤnnen, daß er ſeine Gemeine wohl gefuͤhrt, und dem Vogte, daß er ſeine Dienſte als ein Mann von Ehre gethan. Das Auge des Herrn wuͤrde hier wie an der Spitze einer Armee wuͤrken; und die Liebe zum Herrn wie zum Vaterlande alle erſchlaften Adern mit neuen Trieben ſchwellen. Jetzt kennt der ſchaͤtzbare Unterthan ſeinen Landesherrn nur dem Namen nach — aus Steuerpatenten oder Strafbefeh- len. Dieſer kommt nie zur Revuͤe fuͤr ihn; er ſtinkt wohl gar ſchon ſeinen Beamten an; und einer mag ſich vom Meyer zum Heuermann proceſſen, ſein Hofgewehr vertrinken oder ver- Möſers patr. Phantaſ. II. Th. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/83
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/83>, abgerufen am 06.05.2024.