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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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oder Schreiben einer Dame vom Lande.
müssen, weil ich den Glauben habe, daß ein hübscher weißer
Strumpf allemal den größten Einfluß auf die moralische Bil-
dung des Menschen habe. Sie erinnern sich noch wohl des
witzigen Philidors; er hatte keinen Verstand im schwarzen
Strumpfe.

Ist das nicht Philosophie? Aber mein Schatz wann wollen
Sie zu uns kommen? ich hoffe doch nicht, daß sie das Land
fliehen, um den Klagen der Nothleidenden auszuweichen?
Diese Ursache fällt bey mir weg. Bringen Sie allenfalls ei-
nige hundert Thaler, die Sie sonst auf Moden verwenden
würden, in ihrem grünen Beutel mit, wenn Sie Lust haben,
an meinem rührenden Lustspiele Theil zu nehmen; und ich
verspreche Ihnen, sie sollen dafür tausendmal mehr Schmei-
cheleyen zu hören bekommen als in der Stadt; und wahrhaf-
tig von Leuten die ganz anders empfinden als alles was sonst
das Glück hat sich ihrem Fußschemel zu nahen, und dort seine
Huldigung in gehöriger Entfernung auf den

N. S.

Ich weis nicht ob sie den neuen Guckkasten schon gesehen
haben, worinn man durch das eine Glas alles so sieht wie es
ist
, und durch das andre, wie es seyn sollte. Ich habe sonst
eben einen aus England bekommen. Durch das erste Glas
sieht man unter andern ein prächtiges Schloß im besten gothi-
schen Geschmack, mit Graben, Thürmen und Obelisken ge-
zieret, viele beissende Hunde und verhungerte Bettler vor dem
Thore, umher eine Menge verfallener Strohhütten und eine
Kirche mit herabhangenden Sparren; das Land schlecht ge-
bauet, die Nachbarn mißvergnügt, und mit einem hämischen
Blicke auf jede Gelegenheit laurend, den stolzen Besitzer die-
ses den Armen und Nothleidenden unzugänglichen Pallastes,

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oder Schreiben einer Dame vom Lande.
muͤſſen, weil ich den Glauben habe, daß ein huͤbſcher weißer
Strumpf allemal den groͤßten Einfluß auf die moraliſche Bil-
dung des Menſchen habe. Sie erinnern ſich noch wohl des
witzigen Philidors; er hatte keinen Verſtand im ſchwarzen
Strumpfe.

Iſt das nicht Philoſophie? Aber mein Schatz wann wollen
Sie zu uns kommen? ich hoffe doch nicht, daß ſie das Land
fliehen, um den Klagen der Nothleidenden auszuweichen?
Dieſe Urſache faͤllt bey mir weg. Bringen Sie allenfalls ei-
nige hundert Thaler, die Sie ſonſt auf Moden verwenden
wuͤrden, in ihrem gruͤnen Beutel mit, wenn Sie Luſt haben,
an meinem ruͤhrenden Luſtſpiele Theil zu nehmen; und ich
verſpreche Ihnen, ſie ſollen dafuͤr tauſendmal mehr Schmei-
cheleyen zu hoͤren bekommen als in der Stadt; und wahrhaf-
tig von Leuten die ganz anders empfinden als alles was ſonſt
das Gluͤck hat ſich ihrem Fußſchemel zu nahen, und dort ſeine
Huldigung in gehoͤriger Entfernung auf den

N. S.

Ich weis nicht ob ſie den neuen Guckkaſten ſchon geſehen
haben, worinn man durch das eine Glas alles ſo ſieht wie es
iſt
, und durch das andre, wie es ſeyn ſollte. Ich habe ſonſt
eben einen aus England bekommen. Durch das erſte Glas
ſieht man unter andern ein praͤchtiges Schloß im beſten gothi-
ſchen Geſchmack, mit Graben, Thuͤrmen und Obelisken ge-
zieret, viele beiſſende Hunde und verhungerte Bettler vor dem
Thore, umher eine Menge verfallener Strohhuͤtten und eine
Kirche mit herabhangenden Sparren; das Land ſchlecht ge-
bauet, die Nachbarn mißvergnuͤgt, und mit einem haͤmiſchen
Blicke auf jede Gelegenheit laurend, den ſtolzen Beſitzer die-
ſes den Armen und Nothleidenden unzugaͤnglichen Pallaſtes,

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[41/0059] oder Schreiben einer Dame vom Lande. muͤſſen, weil ich den Glauben habe, daß ein huͤbſcher weißer Strumpf allemal den groͤßten Einfluß auf die moraliſche Bil- dung des Menſchen habe. Sie erinnern ſich noch wohl des witzigen Philidors; er hatte keinen Verſtand im ſchwarzen Strumpfe. Iſt das nicht Philoſophie? Aber mein Schatz wann wollen Sie zu uns kommen? ich hoffe doch nicht, daß ſie das Land fliehen, um den Klagen der Nothleidenden auszuweichen? Dieſe Urſache faͤllt bey mir weg. Bringen Sie allenfalls ei- nige hundert Thaler, die Sie ſonſt auf Moden verwenden wuͤrden, in ihrem gruͤnen Beutel mit, wenn Sie Luſt haben, an meinem ruͤhrenden Luſtſpiele Theil zu nehmen; und ich verſpreche Ihnen, ſie ſollen dafuͤr tauſendmal mehr Schmei- cheleyen zu hoͤren bekommen als in der Stadt; und wahrhaf- tig von Leuten die ganz anders empfinden als alles was ſonſt das Gluͤck hat ſich ihrem Fußſchemel zu nahen, und dort ſeine Huldigung in gehoͤriger Entfernung auf den N. S. Ich weis nicht ob ſie den neuen Guckkaſten ſchon geſehen haben, worinn man durch das eine Glas alles ſo ſieht wie es iſt, und durch das andre, wie es ſeyn ſollte. Ich habe ſonſt eben einen aus England bekommen. Durch das erſte Glas ſieht man unter andern ein praͤchtiges Schloß im beſten gothi- ſchen Geſchmack, mit Graben, Thuͤrmen und Obelisken ge- zieret, viele beiſſende Hunde und verhungerte Bettler vor dem Thore, umher eine Menge verfallener Strohhuͤtten und eine Kirche mit herabhangenden Sparren; das Land ſchlecht ge- bauet, die Nachbarn mißvergnuͤgt, und mit einem haͤmiſchen Blicke auf jede Gelegenheit laurend, den ſtolzen Beſitzer die- ſes den Armen und Nothleidenden unzugaͤnglichen Pallaſtes, ei- C 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/59>, abgerufen am 22.11.2024.