Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Also ist es rathsamer die Wege zu flicken
Land dermaßen mit Heerwegen zu belegen, daß dessen Ein-
wohner keine andre Schatzung als deren Unterhaltung tra-
gen können. Giebt man gleich oft dem einen Kirchspiele das an-
dre zu Hülfe: so ist es doch immer eine neue Last für das Ganze,
und ein Landesherr, welcher wichtigere Gegenstände der öf-
fentlichen Wohlfart zu bestreiten hat, thut wohl, wenn er
auch hier das Gesetze der Sparsamkeit empfiehlt, und nicht
mehr Heerstraßen verstattet, als die höchste Noth erfordert;
wenn er seinen Gerichten befiehlt die Vermuthung wider die
Heerstraßen zu fassen, und nicht eher eine Gemeinde damit
beschweren zu lassen, als bis es deutlich erwiesen oder von der
Noth erfordert wird.

Die andre Regel wird aber noch öfterer verletzt. Man
glaubt, es zeuge nichts herrlicher von der guten Policey ei-
nes Staats als prächtige steinerne Brücken und Pflaster, kost-
bare Straßen, und glänzende Meilenzeiger; nichts mache
einem Lande mehr Ehre als dergleichen große und gemein-
nützige Unternehmungen, und der Schriftsteller dünket sich
schon groß, der mit der Feder den Anschlag dazu gegeben
hat. Es verhält sich aber mit dieser Art des Luxus, wie mit
jeder andern; sie ist schön, vortreflich und bewundernswür-
dig, wo sie mit Recht zu Hause gehört; aber da wo die Noth
nach Brodte geht, weiter nichts als ein glänzendes Elend.
Da wo der Zoll einer einzigen Brücke, so wie in London,
des Jahrs 50000 Thaler aufbringt, lassen sich ganz andre
Anstalten, als in Ländern, wo der ganze Zoll nicht zureicht
das Zollhaus zu unterhalten.

Unsre Vorfahren, welche sich von der getreuen Natur al-
lein leiten, und durch keine falsche Theorien irre machen lies-
sen, flickten ihre Wege im Frühjähre und im Herbst, und
forderten weiter nichts, als daß diese ihre Besserung in dem-

ordent-

Alſo iſt es rathſamer die Wege zu flicken
Land dermaßen mit Heerwegen zu belegen, daß deſſen Ein-
wohner keine andre Schatzung als deren Unterhaltung tra-
gen koͤnnen. Giebt man gleich oft dem einen Kirchſpiele das an-
dre zu Huͤlfe: ſo iſt es doch immer eine neue Laſt fuͤr das Ganze,
und ein Landesherr, welcher wichtigere Gegenſtaͤnde der oͤf-
fentlichen Wohlfart zu beſtreiten hat, thut wohl, wenn er
auch hier das Geſetze der Sparſamkeit empfiehlt, und nicht
mehr Heerſtraßen verſtattet, als die hoͤchſte Noth erfordert;
wenn er ſeinen Gerichten befiehlt die Vermuthung wider die
Heerſtraßen zu faſſen, und nicht eher eine Gemeinde damit
beſchweren zu laſſen, als bis es deutlich erwieſen oder von der
Noth erfordert wird.

Die andre Regel wird aber noch oͤfterer verletzt. Man
glaubt, es zeuge nichts herrlicher von der guten Policey ei-
nes Staats als praͤchtige ſteinerne Bruͤcken und Pflaſter, koſt-
bare Straßen, und glaͤnzende Meilenzeiger; nichts mache
einem Lande mehr Ehre als dergleichen große und gemein-
nuͤtzige Unternehmungen, und der Schriftſteller duͤnket ſich
ſchon groß, der mit der Feder den Anſchlag dazu gegeben
hat. Es verhaͤlt ſich aber mit dieſer Art des Luxus, wie mit
jeder andern; ſie iſt ſchoͤn, vortreflich und bewundernswuͤr-
dig, wo ſie mit Recht zu Hauſe gehoͤrt; aber da wo die Noth
nach Brodte geht, weiter nichts als ein glaͤnzendes Elend.
Da wo der Zoll einer einzigen Bruͤcke, ſo wie in London,
des Jahrs 50000 Thaler aufbringt, laſſen ſich ganz andre
Anſtalten, als in Laͤndern, wo der ganze Zoll nicht zureicht
das Zollhaus zu unterhalten.

Unſre Vorfahren, welche ſich von der getreuen Natur al-
lein leiten, und durch keine falſche Theorien irre machen lieſ-
ſen, flickten ihre Wege im Fruͤhjaͤhre und im Herbſt, und
forderten weiter nichts, als daß dieſe ihre Beſſerung in dem-

ordent-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0436" n="418"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o i&#x017F;t es rath&#x017F;amer die Wege zu flicken</hi></fw><lb/>
Land dermaßen mit Heerwegen zu belegen, daß de&#x017F;&#x017F;en Ein-<lb/>
wohner keine andre Schatzung als deren Unterhaltung tra-<lb/>
gen ko&#x0364;nnen. Giebt man gleich oft dem einen Kirch&#x017F;piele das an-<lb/>
dre zu Hu&#x0364;lfe: &#x017F;o i&#x017F;t es doch immer eine neue La&#x017F;t fu&#x0364;r das Ganze,<lb/>
und ein Landesherr, welcher wichtigere Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der o&#x0364;f-<lb/>
fentlichen Wohlfart zu be&#x017F;treiten hat, thut wohl, wenn er<lb/>
auch hier das Ge&#x017F;etze der Spar&#x017F;amkeit empfiehlt, und nicht<lb/>
mehr Heer&#x017F;traßen ver&#x017F;tattet, als die ho&#x0364;ch&#x017F;te Noth erfordert;<lb/>
wenn er &#x017F;einen Gerichten befiehlt die Vermuthung wider die<lb/>
Heer&#x017F;traßen zu fa&#x017F;&#x017F;en, und nicht eher eine Gemeinde damit<lb/>
be&#x017F;chweren zu la&#x017F;&#x017F;en, als bis es deutlich erwie&#x017F;en oder von der<lb/>
Noth erfordert wird.</p><lb/>
        <p>Die andre Regel wird aber noch o&#x0364;fterer verletzt. Man<lb/>
glaubt, es zeuge nichts herrlicher von der guten Policey ei-<lb/>
nes Staats als pra&#x0364;chtige &#x017F;teinerne Bru&#x0364;cken und Pfla&#x017F;ter, ko&#x017F;t-<lb/>
bare Straßen, und gla&#x0364;nzende Meilenzeiger; nichts mache<lb/>
einem Lande mehr Ehre als dergleichen große und gemein-<lb/>
nu&#x0364;tzige Unternehmungen, und der Schrift&#x017F;teller du&#x0364;nket &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon groß, der mit der Feder den An&#x017F;chlag dazu gegeben<lb/>
hat. Es verha&#x0364;lt &#x017F;ich aber mit die&#x017F;er Art des Luxus, wie mit<lb/>
jeder andern; &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n, vortreflich und bewundernswu&#x0364;r-<lb/>
dig, wo &#x017F;ie mit Recht zu Hau&#x017F;e geho&#x0364;rt; aber da wo die Noth<lb/>
nach Brodte geht, weiter nichts als ein gla&#x0364;nzendes Elend.<lb/>
Da wo der Zoll einer einzigen Bru&#x0364;cke, &#x017F;o wie in London,<lb/>
des Jahrs 50000 Thaler aufbringt, la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ganz andre<lb/>
An&#x017F;talten, als in La&#x0364;ndern, wo der ganze Zoll nicht zureicht<lb/>
das Zollhaus zu unterhalten.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Vorfahren, welche &#x017F;ich von der getreuen Natur al-<lb/>
lein leiten, und durch keine fal&#x017F;che Theorien irre machen lie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, flickten ihre Wege im Fru&#x0364;hja&#x0364;hre und im Herb&#x017F;t, und<lb/>
forderten weiter nichts, als daß die&#x017F;e ihre Be&#x017F;&#x017F;erung in dem-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ordent-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0436] Alſo iſt es rathſamer die Wege zu flicken Land dermaßen mit Heerwegen zu belegen, daß deſſen Ein- wohner keine andre Schatzung als deren Unterhaltung tra- gen koͤnnen. Giebt man gleich oft dem einen Kirchſpiele das an- dre zu Huͤlfe: ſo iſt es doch immer eine neue Laſt fuͤr das Ganze, und ein Landesherr, welcher wichtigere Gegenſtaͤnde der oͤf- fentlichen Wohlfart zu beſtreiten hat, thut wohl, wenn er auch hier das Geſetze der Sparſamkeit empfiehlt, und nicht mehr Heerſtraßen verſtattet, als die hoͤchſte Noth erfordert; wenn er ſeinen Gerichten befiehlt die Vermuthung wider die Heerſtraßen zu faſſen, und nicht eher eine Gemeinde damit beſchweren zu laſſen, als bis es deutlich erwieſen oder von der Noth erfordert wird. Die andre Regel wird aber noch oͤfterer verletzt. Man glaubt, es zeuge nichts herrlicher von der guten Policey ei- nes Staats als praͤchtige ſteinerne Bruͤcken und Pflaſter, koſt- bare Straßen, und glaͤnzende Meilenzeiger; nichts mache einem Lande mehr Ehre als dergleichen große und gemein- nuͤtzige Unternehmungen, und der Schriftſteller duͤnket ſich ſchon groß, der mit der Feder den Anſchlag dazu gegeben hat. Es verhaͤlt ſich aber mit dieſer Art des Luxus, wie mit jeder andern; ſie iſt ſchoͤn, vortreflich und bewundernswuͤr- dig, wo ſie mit Recht zu Hauſe gehoͤrt; aber da wo die Noth nach Brodte geht, weiter nichts als ein glaͤnzendes Elend. Da wo der Zoll einer einzigen Bruͤcke, ſo wie in London, des Jahrs 50000 Thaler aufbringt, laſſen ſich ganz andre Anſtalten, als in Laͤndern, wo der ganze Zoll nicht zureicht das Zollhaus zu unterhalten. Unſre Vorfahren, welche ſich von der getreuen Natur al- lein leiten, und durch keine falſche Theorien irre machen lieſ- ſen, flickten ihre Wege im Fruͤhjaͤhre und im Herbſt, und forderten weiter nichts, als daß dieſe ihre Beſſerung in dem- ordent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/436
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/436>, abgerufen am 24.11.2024.