Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.und wohlfeilen Schaubühne. und ihm sein voriges Gewand wieder anlegen zu lassen: so lies-sen sie sich alle zu allem leiten. Eines das lange nicht gut thun wollte, schickte ich ins Waisenhaus zurück. Es grämte sich aber dort so lange, daß ich endlich für sein Leben besorgt wurde, und es wieder in meine Erziehung nahm: jetzt ist es das beste; und überhaupt machte ich sie zu Prinzen und Prin- zeßinnen auf meiner kleinen Schulbühne, nachdem sie sich wohl verhalten hatten. Dadurch brachte ich sie zu einem er- staunlichen Wetteifer gegen einander. Ich glaube daß dieses die erste und einzige Anstalt in dieser Gleichwol ist es offenbar, daß keine Stadt in Deutschland Lon-
und wohlfeilen Schaubuͤhne. und ihm ſein voriges Gewand wieder anlegen zu laſſen: ſo lieſ-ſen ſie ſich alle zu allem leiten. Eines das lange nicht gut thun wollte, ſchickte ich ins Waiſenhaus zuruͤck. Es graͤmte ſich aber dort ſo lange, daß ich endlich fuͤr ſein Leben beſorgt wurde, und es wieder in meine Erziehung nahm: jetzt iſt es das beſte; und uͤberhaupt machte ich ſie zu Prinzen und Prin- zeßinnen auf meiner kleinen Schulbuͤhne, nachdem ſie ſich wohl verhalten hatten. Dadurch brachte ich ſie zu einem er- ſtaunlichen Wetteifer gegen einander. Ich glaube daß dieſes die erſte und einzige Anſtalt in dieſer Gleichwol iſt es offenbar, daß keine Stadt in Deutſchland Lon-
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und wohlfeilen Schaubuͤhne.
und ihm ſein voriges Gewand wieder anlegen zu laſſen: ſo lieſ-
ſen ſie ſich alle zu allem leiten. Eines das lange nicht gut
thun wollte, ſchickte ich ins Waiſenhaus zuruͤck. Es graͤmte
ſich aber dort ſo lange, daß ich endlich fuͤr ſein Leben beſorgt
wurde, und es wieder in meine Erziehung nahm: jetzt iſt es
das beſte; und uͤberhaupt machte ich ſie zu Prinzen und Prin-
zeßinnen auf meiner kleinen Schulbuͤhne, nachdem ſie ſich
wohl verhalten hatten. Dadurch brachte ich ſie zu einem er-
ſtaunlichen Wetteifer gegen einander.
Ich glaube daß dieſes die erſte und einzige Anſtalt in dieſer
Art in der ganzen Welt iſt. Zwar ſieht man in Amſterdam
eine Prinzeßin auf der Schaubuͤhne, welche des Tages uͤber
Aepfel auf dem Markte verkaufen ſoll; und ſaͤmtliche Schau-
ſpieler leben dort nicht bloß von der Buͤhne, ſondern von ih-
rem Handel oder von ihrem Handwerk. Auch iſt mir nicht
unbekannt, daß die franzoͤſiſchen Schauſpieler an vielen Orten
zugleich Sprach- oder Tanzmeiſter abgeben; und das Frauen-
zimmer einen kleinen Haudel mit allerhand franzoͤſiſchen Putz-
waaren treibe. Der Gedanke, daß eine Schauſpielergeſell-
ſchaft nicht bloß von der Buͤhne leben ſoll, iſt alſo gar nicht
neu. Aber kein Fuͤrſt hat doch noch den Einfall gehabt, ſich
auf dieſe Art eine eigne, ſich zum theil ſelbſt ernaͤhrende und
das Geld im Lande verzehrende Geſellſchaft zu bilden. Die
ehmalige Buͤhne im Stifte zu St. Cyr muß aus einem andern
Geſichtspunkt betrachtet werden.
Gleichwol iſt es offenbar, daß keine Stadt in Deutſchland
ſo groß und ſo volkreich ſey, um eine ziehende Geſellſchaft,
die ſich blos von ihren Vorſtellungen unterhalten will, lange
bey ſich ernaͤhren zu koͤnnen; es iſt offenbar, daß ſelbſt in
Lon-
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