unsers Jahrhunderts der Langenweile allein gewachsen. Sie musten also ein eignes verlohrenes Mittel haben, wodurch sie den frohen Scherz erzeugten, und ihre Feyerstunden auf eine vergnügte Art zubrachten.
Da ich unlängst der Ursache des von dem Herzoge von Cleve gestifteten Geckordens nachdachte; so fiel mir ein, daß unsre Vorfahren sich vielfältig Rollen oder Charaktere erwählt, und solche bey Gelegenheit gespielet hätten. Gewiß ist es wenig- stens, daß wenn eine Gesellschaft von Freunden zusammen kommt, worunter jeder ein lustiges Amt zu verwalten oder eine komische Figur zu machen hat, ein lärmender Ton der Freude sich geschwind verbreite und ziemlich erhalte. Ich erinnere mich einer Gesellschaft, worin vor zehn Jahren der eine nur ein einziges mahl zum Pangloß, und eine Dame zur Mademoiselle Kunigonde gestimmet wurde, und so bald kom- men jetzt die beyden nicht wieder zusammen: so bringt ein freundschaftliches: comment va pangloss und ein sanftes: eh Mademoiselle si tout ne va pas bien tout ne va pour- tant pas mal; die beyden Leute gleich in einen solchen Ton, und dieser reißt die Gesellschaft so mit fort, daß ich augen- scheinlich sehe, dergleichen Rollen sind noch immer fürtrefliche Krücken der menschlichen Freude.
Der Geist des Geckenordens war unstreitig, daß der Her- zog sogleich sein Durchlaucht, der Graf seine Excellenz, und der Ritter seine Gnade, um in den heutigen Stil zu sprechen, verbannete, alle sich in Brüder von gleichen Kappen verwandelten, und nun keine steife Verbeugung, keine unter- thänigste Ehrfurcht, keine gnädigste Erlaubniß diese schreck- lichen Feinde aller guten Freunde, sich, ohne lächerlich zu werden, sehen lassen durfte. Die vollkommenste Freyheit,
so
Man ſollte den alten Geckorden
unſers Jahrhunderts der Langenweile allein gewachſen. Sie muſten alſo ein eignes verlohrenes Mittel haben, wodurch ſie den frohen Scherz erzeugten, und ihre Feyerſtunden auf eine vergnuͤgte Art zubrachten.
Da ich unlaͤngſt der Urſache des von dem Herzoge von Cleve geſtifteten Geckordens nachdachte; ſo fiel mir ein, daß unſre Vorfahren ſich vielfaͤltig Rollen oder Charaktere erwaͤhlt, und ſolche bey Gelegenheit geſpielet haͤtten. Gewiß iſt es wenig- ſtens, daß wenn eine Geſellſchaft von Freunden zuſammen kommt, worunter jeder ein luſtiges Amt zu verwalten oder eine komiſche Figur zu machen hat, ein laͤrmender Ton der Freude ſich geſchwind verbreite und ziemlich erhalte. Ich erinnere mich einer Geſellſchaft, worin vor zehn Jahren der eine nur ein einziges mahl zum Pangloß, und eine Dame zur Mademoiſelle Kunigonde geſtimmet wurde, und ſo bald kom- men jetzt die beyden nicht wieder zuſammen: ſo bringt ein freundſchaftliches: comment va pangloſs und ein ſanftes: eh Mademoiſelle ſi tout ne va pas bien tout ne va pour- tant pas mal; die beyden Leute gleich in einen ſolchen Ton, und dieſer reißt die Geſellſchaft ſo mit fort, daß ich augen- ſcheinlich ſehe, dergleichen Rollen ſind noch immer fuͤrtrefliche Kruͤcken der menſchlichen Freude.
Der Geiſt des Geckenordens war unſtreitig, daß der Her- zog ſogleich ſein Durchlaucht, der Graf ſeine Excellenz, und der Ritter ſeine Gnade, um in den heutigen Stil zu ſprechen, verbannete, alle ſich in Bruͤder von gleichen Kappen verwandelten, und nun keine ſteife Verbeugung, keine unter- thaͤnigſte Ehrfurcht, keine gnaͤdigſte Erlaubniß dieſe ſchreck- lichen Feinde aller guten Freunde, ſich, ohne laͤcherlich zu werden, ſehen laſſen durfte. Die vollkommenſte Freyheit,
ſo
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Man ſollte den alten Geckorden
unſers Jahrhunderts der Langenweile allein gewachſen. Sie
muſten alſo ein eignes verlohrenes Mittel haben, wodurch ſie
den frohen Scherz erzeugten, und ihre Feyerſtunden auf eine
vergnuͤgte Art zubrachten.
Da ich unlaͤngſt der Urſache des von dem Herzoge von Cleve
geſtifteten Geckordens nachdachte; ſo fiel mir ein, daß unſre
Vorfahren ſich vielfaͤltig Rollen oder Charaktere erwaͤhlt, und
ſolche bey Gelegenheit geſpielet haͤtten. Gewiß iſt es wenig-
ſtens, daß wenn eine Geſellſchaft von Freunden zuſammen
kommt, worunter jeder ein luſtiges Amt zu verwalten oder
eine komiſche Figur zu machen hat, ein laͤrmender Ton der
Freude ſich geſchwind verbreite und ziemlich erhalte. Ich
erinnere mich einer Geſellſchaft, worin vor zehn Jahren der
eine nur ein einziges mahl zum Pangloß, und eine Dame zur
Mademoiſelle Kunigonde geſtimmet wurde, und ſo bald kom-
men jetzt die beyden nicht wieder zuſammen: ſo bringt ein
freundſchaftliches: comment va pangloſs und ein ſanftes:
eh Mademoiſelle ſi tout ne va pas bien tout ne va pour-
tant pas mal; die beyden Leute gleich in einen ſolchen Ton,
und dieſer reißt die Geſellſchaft ſo mit fort, daß ich augen-
ſcheinlich ſehe, dergleichen Rollen ſind noch immer fuͤrtrefliche
Kruͤcken der menſchlichen Freude.
Der Geiſt des Geckenordens war unſtreitig, daß der Her-
zog ſogleich ſein Durchlaucht, der Graf ſeine Excellenz,
und der Ritter ſeine Gnade, um in den heutigen Stil zu
ſprechen, verbannete, alle ſich in Bruͤder von gleichen Kappen
verwandelten, und nun keine ſteife Verbeugung, keine unter-
thaͤnigſte Ehrfurcht, keine gnaͤdigſte Erlaubniß dieſe ſchreck-
lichen Feinde aller guten Freunde, ſich, ohne laͤcherlich zu
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/392>, abgerufen am 27.11.2024.
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