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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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durch Nebenwohner, auf die Gesetzgebung.
ausgedehnet, oder um die Wahrheit deutlich zu sagen, wo
jeder Landeseingesessener von aller seiner Würde, die er aus
dem ursprünglichen Verein hatte, beraubet, und der Regent
allein so viel höher erhoben wird.

Dergleichen Betrachtungen haben nun zwar freylich in ei-
ner Zeit, wo die vermischte Bevölkerung so sehr Ueberhand
genommen hat, und Denkungsart, Philosophie, Religion,
Gesetzgebung und politisches Interesse darnach eingerichter
ist, keinen unmittelbaren Nutzen; sie müssen aber dem un-
geachtet, nicht unterlassen werden, weil sie zur Naturge-
schichte der Staasverfassung gehören, und uns in vielen Stü-
cken über unsre wahren Vortheile aufklären, auch gegen die
herrschende Mode der allgemeinen Gesetzbücher mit einen,
gerechten Mißtrauen erfüllen können. Sie müssen besonders
gebraucht werden, um die Veränderung in den Sitten und
der Denkungsart, welche durch eine zunehmende Bevölke-
rung verursacht werden, nicht unbemerkt zu lassen, und um
[u]nsere Policeyordnungen darnach einzurichten.

Unsre Absicht verstattet es nicht, uns hierüber weiter her-
auszulassen. Indessen wollen Wir doch eine Veränderung
in unsern Policeyanstalten vorschlagen, welche die zunehmende
Bevölkerung nothwendig macht; und diese soll darinn be-
stehen, daß in jedem Kirchspiel sieben geschworne hofgesessene
Männer angesetzet oder erwählet werden, von deren Urtheile es
abhangen soll; ob dieser oder jener Heuerling im Kirchspiele zu
dulden sey oder nicht? Oft und sehr oft sieht mancher einen
Heuermann auf unerlaubten Wegen: er rechnet ihm nach, was
er an Holz kauft und verbrennet, was er gewinnet und ver-
zehret, was er säet und erndtet; er ist so überzeugt, daß der
Mann ein Dieb sey, als man nur immer seyn kann, und alle

Haus-
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durch Nebenwohner, auf die Geſetzgebung.
ausgedehnet, oder um die Wahrheit deutlich zu ſagen, wo
jeder Landeseingeſeſſener von aller ſeiner Wuͤrde, die er aus
dem urſpruͤnglichen Verein hatte, beraubet, und der Regent
allein ſo viel hoͤher erhoben wird.

Dergleichen Betrachtungen haben nun zwar freylich in ei-
ner Zeit, wo die vermiſchte Bevoͤlkerung ſo ſehr Ueberhand
genommen hat, und Denkungsart, Philoſophie, Religion,
Geſetzgebung und politiſches Intereſſe darnach eingerichter
iſt, keinen unmittelbaren Nutzen; ſie muͤſſen aber dem un-
geachtet, nicht unterlaſſen werden, weil ſie zur Naturge-
ſchichte der Staasverfaſſung gehoͤren, und uns in vielen Stuͤ-
cken uͤber unſre wahren Vortheile aufklaͤren, auch gegen die
herrſchende Mode der allgemeinen Geſetzbuͤcher mit einen,
gerechten Mißtrauen erfuͤllen koͤnnen. Sie muͤſſen beſonders
gebraucht werden, um die Veraͤnderung in den Sitten und
der Denkungsart, welche durch eine zunehmende Bevoͤlke-
rung verurſacht werden, nicht unbemerkt zu laſſen, und um
[u]nſere Policeyordnungen darnach einzurichten.

Unſre Abſicht verſtattet es nicht, uns hieruͤber weiter her-
auszulaſſen. Indeſſen wollen Wir doch eine Veraͤnderung
in unſern Policeyanſtalten vorſchlagen, welche die zunehmende
Bevoͤlkerung nothwendig macht; und dieſe ſoll darinn be-
ſtehen, daß in jedem Kirchſpiel ſieben geſchworne hofgeſeſſene
Maͤnner angeſetzet oder erwaͤhlet werden, von deren Urtheile es
abhangen ſoll; ob dieſer oder jener Heuerling im Kirchſpiele zu
dulden ſey oder nicht? Oft und ſehr oft ſieht mancher einen
Heuermann auf unerlaubten Wegen: er rechnet ihm nach, was
er an Holz kauft und verbrennet, was er gewinnet und ver-
zehret, was er ſaͤet und erndtet; er iſt ſo uͤberzeugt, daß der
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[5/0023] durch Nebenwohner, auf die Geſetzgebung. ausgedehnet, oder um die Wahrheit deutlich zu ſagen, wo jeder Landeseingeſeſſener von aller ſeiner Wuͤrde, die er aus dem urſpruͤnglichen Verein hatte, beraubet, und der Regent allein ſo viel hoͤher erhoben wird. Dergleichen Betrachtungen haben nun zwar freylich in ei- ner Zeit, wo die vermiſchte Bevoͤlkerung ſo ſehr Ueberhand genommen hat, und Denkungsart, Philoſophie, Religion, Geſetzgebung und politiſches Intereſſe darnach eingerichter iſt, keinen unmittelbaren Nutzen; ſie muͤſſen aber dem un- geachtet, nicht unterlaſſen werden, weil ſie zur Naturge- ſchichte der Staasverfaſſung gehoͤren, und uns in vielen Stuͤ- cken uͤber unſre wahren Vortheile aufklaͤren, auch gegen die herrſchende Mode der allgemeinen Geſetzbuͤcher mit einen, gerechten Mißtrauen erfuͤllen koͤnnen. Sie muͤſſen beſonders gebraucht werden, um die Veraͤnderung in den Sitten und der Denkungsart, welche durch eine zunehmende Bevoͤlke- rung verurſacht werden, nicht unbemerkt zu laſſen, und um unſere Policeyordnungen darnach einzurichten. Unſre Abſicht verſtattet es nicht, uns hieruͤber weiter her- auszulaſſen. Indeſſen wollen Wir doch eine Veraͤnderung in unſern Policeyanſtalten vorſchlagen, welche die zunehmende Bevoͤlkerung nothwendig macht; und dieſe ſoll darinn be- ſtehen, daß in jedem Kirchſpiel ſieben geſchworne hofgeſeſſene Maͤnner angeſetzet oder erwaͤhlet werden, von deren Urtheile es abhangen ſoll; ob dieſer oder jener Heuerling im Kirchſpiele zu dulden ſey oder nicht? Oft und ſehr oft ſieht mancher einen Heuermann auf unerlaubten Wegen: er rechnet ihm nach, was er an Holz kauft und verbrennet, was er gewinnet und ver- zehret, was er ſaͤet und erndtet; er iſt ſo uͤberzeugt, daß der Mann ein Dieb ſey, als man nur immer ſeyn kann, und alle Haus- A 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/23>, abgerufen am 18.04.2024.